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Pleiten, Pech und Schachbund

Dali-Style erstellt mit NanaBanana.ai.

von Thorsten Cmiel, Rabac

Wie sollte man einen sympathischen Sportverband positionieren in einer Zeit vieler medialer Versuchungen? Vor allem gilt es vieles anders zu machen als der Deutsche Schachbund derzeit. Ein Kommentar von der Seitenlinie.

Schach ist eine der beliebtesten Sportarten weltweit. Das liegt vor allem daran, dass man das Spiel der Könige und Damen selbst online spielen kann und dafür nicht vielmehr benötigt als ein internetfähiges Mobiltelefon. Gespielt werden kann Schach auf ganz vielen unterschiedlichen Niveaus und jeder hat in seiner Welt und auf seinem Spiellevel Spaß am Spiel, online oder am Brett. Zudem ist Schach bei vielen Anlässen Thema und dient in Werbung und Film oft als Kulisse. Täglich produzieren zahlreiche Influencer viele Dutzend Videos und manche berichten in ihren Streams über die wichtigsten Ereignisse in der Schachwelt. Schach ist so betrachtet präsenter als viele andere Sportarten im Netz. Wenn Magnus Carlsen mal auf den Tisch haut, dann bebt sogar das Internet und allgemeine Medien greifen dieses scheinbar rüpelhafte Verhalten gerne auf.

Von diesem medialen Grundrauschen sollte eigentlich der organisierte Schachsport profitieren. Aber in Deutschland beherrschen immer wieder negative Schlagzeilen die Szene und die Gründe dieses zunächst überraschenden Befundes sind beim Deutschen Schachbund (DSB) weitgehend hausgemacht. Mit etwas gutem Willen und vielleicht der einen oder anderen personellen Neuausrichtung könnte man viel erreichen.

Für das Außenbild von Organisationen ist die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der Deutsche Schachbund stellt sich zu oft selbst ein Bein. Schauen wir kurz genauer hin was ist und was sein sollte.

Wie es laufen sollte

Pressearbeiter auf der Seite des organisierten Sports haben ein Interesse daran, dass die eigenen Erfolgsgeschichten erzählt werden. Dafür benötigt man Pressemitarbeiter, die ihr Handwerk und ihre Rolle verstehen: Als Pressemensch eines Sportverbandes ruft man beispielsweise Journalisten an, stellt sich vor und fragt, ob man etwas für den Kollegen auf der anderen Seite tun kann. Journalisten sind übrigens bestechlich und zwar mit exklusiven Informationen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass eine positive Geschichte im Sinne des Verbandes geschrieben wird. Das ist der Idealfall.

Wer als Sportverband seine Themen in die Öffentlichkeit tragen will, der kann viele Instrumente der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzen. Beispielsweise können Verantwortlich Themenlisten aufstellen und interessierten Journalisten anbieten. Falls Journalisten Fragen haben oder einen Ansprechpartner suchen, dann sollte ein Pressearbeiter eines Sportverbandes im besten Sinne Zuarbeiter für Journalisten sein. Das ist Handwerk in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Eine andere Idee wäre es, einen regelmäßig erscheinenden Pressespiegel zu erstellen und intern und extern zu veröffentlichen. So bekommt man zudem seinen eigenen Presseverteiler ausgebaut und kann sich mit diesen Journalisten besser vernetzen. Anders als beim Fußball beispielsweise ist die Zahl deren, die regelmäßig für Schachzeitungen oder in der allgemeinen Presse das Thema Schach behandeln, einigermaßen überschaubar. Aber eines kann ich garantieren: Wer regelmäßig über Schachthemen schreibt hat kein Interesse den Schachsport schlecht aussehen zu lassen. Aber es ist nicht die Aufgabe von Journalisten vom Hofe zu berichten und den Mächtigen im Sport einen Teppich auszulegen.

Wie es beim Schachbund gerade läuft

Der aktuelle Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und vermutlich auch irgendjemand im Präsidium hat eine andere Weltsicht und entsprechend stellt der DSB sich auf. Beim Spitzenverband des Schachsportes in Deutschland glaubt man möglichst gar nicht mit Journalisten zusammenarbeiten zu müssen, denn die sind nur lästig und schreiben zu oft nicht was die Verbandsvorderen gerne hören wollen.

Einige Beispiele

Der hauptamtliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter des DSB begann seine Karriere im Spätsommer 2024 damit, dass er einem erfahrenen Redaktionsleiter die Welt erklärte und seinen Job gleich mit, weil ihm ein Interview, das ein Referent des DSB über Seniorenschach gab und das im Medium des Redaktionsleiters veröffentlicht wurde, den Verantwortlichen im Schachbund nicht gefiel. Statt sich zunächst nett einzuführen und Gemeinsamkeiten zu suchen, setzte der inzwischen oberste Pressearbeiter des Schachbundes gleich eine erste Duftmarke. Es muss nicht weiter erläutert werden wie das ankam und wie sich die weitere Zusammenarbeit entwickelte. Nebenbei sei erwähnt, dass die Reaktion des Schachbundes die Empörung über die geringe Finanzausstattung von Seniorenturnieren erst richtig befeuerte. Eine Art ungewollte Folge also. Nennen wir es Fehlstart.

Pressemeldungen aus der Hölle

Der Deutsche Schachbund gibt auch sonst bei vielen anderen Themen keine besonders gute kommunikative Figur ab: Greifen wir zunächst das noch recht aktuelle Beispiel um eine Spielerin auf, die bei der deutschen Jugendmeisterschaft einen ersten Platz erzielte und gar nicht so lange zuvor noch als Junge in den Ranglisten zu finden war. Die Spielerin ist einer schwierigen Lebensphase und hat von dem neuen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Es gab Kritik an der Spielberechtigung für die junge Spielerin. Der DSB bezog Stellung und stützte die Spielerin und ihr Anliegen. Soweit ist diese Position sympathisch. Wie der Schachbund allerdings kommunizierte ist ein Beispiel dafür wie man es sicher nicht machen sollte.

Schauen wir genauer hin und beschränken wir uns auf die Überschrift und den Lead des Textes vom 24.Juni 2025.

„Schach ist bunt und inklusiv.“ Der Deutsche Schachbund mit einer klaren Haltung – und gegen Vorstöße von Ehrenamtlichen: „Auch Transfrauen werden weiterhin mitspielen.“

„Schach ist bunt und inklusiv.“ – Deutscher Schachbund – Schach in Deutschland

Zum Inhalt und der Diskussion will ich mich gar nicht äußern, aber es ist keine Überraschung, dass es zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen und nachvollziehbare Argumente gibt. Im Schachkicker gibt es eine Reihe von Texten, die überwiegend eine andere Sichtweise repräsentieren. Meinungsvielfalt ist bei einem kontroversen Thema kein Problem, aber der Umgang damit ist es schon. Die interne Aufgabe eines Sportverbandes und der eigenen Öffentlichkeitsarbeit bestünde darin, eine Diskussion zu kanalisieren und auftretende Kontroversen möglichst nicht öffentlich auszutragen. Der DSB wählte einen anderen Weg und schuf seine eigene Kommunikationskrise. Bravo.

Im Text und Lead zitiert man sich sozusagen selbst und wollte die Diskussion offenbar von Anfang an im Keime ersticken. Pustekuchen. Wenn ein hauptamtlicher Mitarbeiter die Meinungen von Ehrenamtlichen per Pressemitteilung abqualifiziert, selbst wenn man der Meinung ist, dies sei eine unterstützenswerte Position, funktioniert solch eine Kommunikation in keiner Welt. Das ist eigentlich nicht schwierig zu verstehen. Besonders geärgert haben dürfte man sich beim DSB als in der direkten Folge eine ehrenamtliche Referentin der DIE WELT ein Interview gab, das für noch mehr interne Aufregung sorgte.

Hauptamt und Ehrenamt

Leisten wir uns einen kurzen Exkurs zu den Machtstrukturen des DSB: Die Macht hat im organisierten deutschen Schach auf Bundesebene ein ehrenamtliches Präsidium, das auch für das Führen der hauptamtlichen Mitarbeiter zuständig ist. Im Präsidium sind vier Personen gewählte Vertreter. Hinzu kommen zahlreiche Ehrenamtler im Referentenrang, die inhaltlich zuarbeiten sollen, im besten Fall. In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Kritik, dass die Referenten nichts zu bestellen haben und, dass die interne Kommunikation im Verband nicht so funktioniert, wie man sich das wünschen würde.

In solch einer Gemengelage platzierte der Schachbund seine Pressemeldung, die einigen Ehrenamtlichen über den Mund fährt. Das ist nicht nur wenig schlau, sondern führt bei den meisten Erwachsenen entweder zur inneren Kündigung des Engagements oder zu offenem Protest. Vermutlich passiert beides je nach eigener Persönlichkeit. Aber nicht nur Betroffene registrieren den Umgang mit ehrenamtlich Engagierten, sondern auch andere Referenten machen sich ihre Gedanken.

Es gibt noch einige kleinere Baustellen, die ich nur kurz ansprechen will: Die Aufgabe eines Sportverbandes ist es sicher nicht Werbung für zufällig ausgewählte Literatur und kommerziell organisierte Veranstaltungen und Turniere zu machen. Warum ein Sportverband das nicht tun sollte ist einfach: Man schafft Präzedenzfälle und beispielsweise Verleger könnten künftig auf die Idee kommen, solche Leistungen beim Schachbund einzufordern. Der Verband wäre in der Bredouille und müsste begründen warum er es einmal macht und in einem anderen Fall nicht machen will.

Höhepunkte, die der Pressesprecher zu Tiefpunkten machte

Senioren-WM zum Jubiläum

Beginnen wir mit der Nachricht, dass der deutsche Schachbund sich in seinem Jubiläumsjahr 2027 um eine Seniorenweltmeisterschaft bemüht und diese in Magdeburg stattfinden soll. Der Schachbund veröffentlichte zunächst eine derart widersprüchlich formulierte Pressemeldung, dass einige Beobachter meinten, dass der Schachbund die Einzelweltmeisterschaft in Magdeburg ausrichten möchte. Das sorgte für Verwirrung und bei einem, der sich ebenfalls dafür bewirbt und mit dem DSB in Kontakt steht, für verständliche Enttäuschung. Der Fall war dann recht schnell aufgeklärt und die Pressemeldung korrigiert – und nur noch diese wird vom DSB auf seiner Homepage angezeigt: In Magdeburg soll das Teamevent stattfinden. Solche kommunikativen Kurzkrisen können passieren, sind aber natürlich ärgerlich und die direkte Folge einer recht untalentiert geschriebenen Pressemeldung.

Eine sportliche Großtat

Deutschland kann nach 34 Jahren wieder auf einen Spieler hoffen, der eine Chance bekommt, um die Weltmeisterschaft im Schachsport zu spielen. Matthias Blübaum qualifizierte sich beim Grand Swiss im usbekischen Samarkand für das Kandidatenturnier 2026. Eine tolle Nachricht für das deutsche Schach. Vor der letzten Runde hatten sogar noch zwei Spieler die Chance sich zu qualifizieren. Vincent Keymer war auch im Rennen und scheiterte nur knapp.

Die Aufgaben eines Presse- und Öffentlichkeitsarbeiters in solch einer Situation sind recht einfach erklärt: Man bereitet sich auf Eventualitäten und mögliche Presseanfragen vor. Dazu telefoniert man zunächst beispielsweise seine hoffentlich vorhandenen Journalistenkontakte ab und bietet Handreichungen aller Art. Dazu gehören Hinweise und Informationen, Links zu Texten und Interviews aus der jüngeren Vergangenheit. Hilfreich ist sicher auch die Information wo man Fotos von der Veranstaltung findet, oder ob aus dem eigenen Fundus Fotos möglichst honorarfrei genutzt werden können. Auch das ist Handwerk.

Der Verantwortliche im Schachbund vertritt offenkundig eine diametral andere Linie. Für ihn sind Journalisten die Zuarbeiter. Florian Pütz, ein Journalist vom „Der Spiegel“, der regelmäßig über Spitzenschach berichtet, meldet sich per X, vormals Twitter, mit einem kleinen Hinweis, der an Peinlichkeit für den DSB kaum zu übertreffen ist. Der DSB-Verantwortliche hat in seiner Pressemeldung bei Pütz eine ganze Passage abgeschrieben und das nicht kenntlich gemacht. In der echten Welt der Pressearbeit sollte es andersrum laufen.

Hinweis aus Transparenzgründen

Der Deutsche Schachbund hat am 26. Juni 2025 zu meiner Person eine Schmähpressemitteilung herausgegeben. Für sich genommen ist das ein einmaliger Vorgang, der ein zusätzlicher Beleg ist für die oben zusammengefasste Bewertung, dass der DSB sich im Wettbewerb mit Journalisten wähnt und eine sagen wir eigenwillige Vorstellung von Pressearbeit und Pressefreiheit zu haben scheint. Die Meldung des DSB ist zudem so schlecht geschrieben, dass man als Uneingeweihter nicht einmal den Zusammenhang versteht, nur die Abneigung gegen einen angeblich bösartigen Journalisten kommt zum Ausdruck. Daher habe ich mich entschlossen einen kurzen Erläuterungstext dazu zu verfassen, inklusive einiger zusätzlicher Informationen, welche die Position des Schachbundes ins rechte Licht rücken. Es darf übrigens laut gelacht werden.



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