
Foto: John Brezina
Die Zahl der Remispartien sind in der Regel bei mir zu hoch und meine Risikobereitschaft zu niedrig. Bei der Senioren-Europameisterschaft 2025 in Rabac in Kroatien war das von Beginn an anders. Es lief zu oft aus dem Ruder. Ein Turnier mit Höhen und Tiefen in Diagrammen.
Von Thorsten Cmiel
Durch eigene schlechte Eröffnungskenntnisse kam es während meines Turniers in Rabac immer wieder zu kritischen Situationen auf beiden Seiten. Einige dieser teilweise interessanten Momente aus eigenen Partien will ich festhalten.
Beginnen wir mit einem Gesamtüberblick über den gesamten Turnierverlauf. Fünf Siege in neun Runden ist ein starkes Ergebnis. Drei Niederlagen sind allerdings zu viel. Der Verlauf war insgesamt sehr volatil auch während der Partien ging es mitunter rauf und runter.

Das Diagramm zeigt eine Situation aus der ersten Runde. Ich hatte in der Eröffnung mit Weiß nichts erreicht, obwohl mein Gegner mit Schwarz eine eher fragwürdige Spielweise gewählt hatte. Dann gab es sogar eine Phase in der mein Gegner aggressiver vorging und meine Stellung und mich arg erschütterte. Wie sollte man mit Weiß hier fortsetzen?
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Etwas später war die Stellung wieder im Gleichgewicht. Hier musste mein Gegner den attackierten Läufer ziehen, aber wohin? Es sollte das Ausschlussprinzip zur Anwendung kommen.
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In der zweiten Runde stand eine schwierige Partie gegen einen starken Gegner an, der in Turin bei der Schacholympiade Individual-Gold am zweiten Brett gewonnen hatte mit 9 aus 11. Ich hatte hier zuletzt etwas unvorsichtig agiert, immerhin wirkte mein Gegner nervös und witterte plötzlich seine Chance. Wie sollte er hier fortsetzen?
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In dieser Stellung aus der dritten Runde musste ich mit Weiß meinen 22. Zug spielen. Wie sollte es hier weitergehen?
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Nicht zu schwierig, aber wenn man im Modus unterwegs ist: Ich ziehe meine Figuren und übe Druck aus, dann muss man irgendwann aufhören und stattdessen konkretere Maßnahmen angehen. Die praktische Frage ist immer wann genau soll man loslegen. Den Vorteil im richtigen Moment gefragt zu werden hatte ich natürlich nicht. Ist also jetzt im 28. Zug von Weiß bereits der richtige Moment gekommen?
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Ich sollte hier mit Schwarz und dem Läuferpaar, das in die offene Stellung meines Gegners hineinstrahlt, klar auf Gewinn stehen. Es folgt eine für meine Verhältnisse überraschend schlechte Verwertungsphase. Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? Es gibt nicht nur einen guten Zug, aber Pragmatismus ist angesagt.
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Ich hatte gefühlt sehr ungenau gespielt, nachdem ich den eigenen h-Bauern aufgezogen hatte. Jetzt hatte mein Gegner gute Ausgleichchancen, indem er seinen Springer gelegentlich auf g6 hineinpflanzen würde. Wie geht es hier am besten weiter?
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Mein Gegner stand gefühlt immer leicht angenehmer. Die Entwicklung beeinflusst gelegentlich das Handeln und gelegentlich greift man dann fehl. Wie ist hier das Springeropfer auf f6 einzuschätzen?
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Weiß ist am Zuge. Auf g2 hängt der Bauer mit Matt und Schwarz muss das irgendwie abwehren oder aufgeben. Ihr Vorschlag?
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Die Sechste gegen den Internationalen Meister Josep Antonio Lacasa Diaz
Es sind solche Partien, die am meisten Spaß machen. Betrachtet man die Partie mit der unbestechlichen Instanz, dann geht dieser Spaß einer praktischen Schachpartie am Brett weitgehend verloren. Dennoch muss man nach der Partie die Wahrheit suchen und die ist manchmal ernüchternd. In der Partie stand mein Gegner bis zum 45. Zug die meiste Zeit klar besser, in Maschinenwertung sogar auf Gewinn. Dann ereignete sich eine brutale Entwicklung der Ereignisse.
Die entscheidende Partie für den Turnierverlauf schien meine sechste Partie zu sein. Mir war in der Eröffnung etwas verrutscht. Der schwarze König steht nicht ganz sicher und positionell sieht es auch nicht gut aus für mich mit den schwarzen Steinen. Immerhin habe ich einen zentralen Springer auf d5 etabliert. Wie sollte meine spanischer Gegner hier im 29. Zug fortsetzen? Der weitere Verlauf danach war ebenfalls von taktischen Möglichkeiten geprägt. Bis zum Kontrollzug sah es nicht sonderlich gut aus…
Lösung
Diese Stellung nach dem Kontrollzug ist immer noch deutlich besser für den Weißspieler, aber es gibt keine taktische Lösung, die sofort Material gewinnt. Eine positionelle Idee ist grundsätzlich den Druck gegen den Punkt d5 zu erhöhen, aber für den Augenblick ist die Dame auf d2 ungedeckt.
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Mein spanischer Gegner konnte hier seinen Turm abziehen, aber wohin? Es wird konkret in diesem Moment und in der Folge.
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In dieser Stellung ist Schwarz am Zuge. Es ist verlockend, den eigenen c-Bauern ein Feld vorzurücken, aber ist das die beste Idee? Gibt ist eine vielversprechende Alternative dazu?
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Schwarz kann den Bauern auf f3 nicht schlagen, da das Bauernendspiel nach Abtausch sofort für Weiß gewonnen wäre. Aber was sollte er stattdessen unternehmen?
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Mein Gegner hatte zuletzt seinen Springer von f6 nach d5 gezogen. Und nun?
Lösung
In dieser Stellung war ich mit Schwarz dran und beendete das Turnier mit einem Tiefpunkt. Ich sah, dass ich nach dem eigentlich geplanten Damenzug nach a5 in Probleme geraten würde nach dem Opfer des f-Bauern springt Weiß mit seinem Springer nach d5 und unterbricht die Deckung des Läufers auf f5 und Weiß gewinnt. Ich ersetzte danach die Deckungsfigur des Feldes f5 durch den Turm, den ich nach a5 zog. Diesmal bleibt der Bauer e7 gedeckt. Dabei übersah ich, dass nach f5 erneut eine Figur verloren geht, diesmal via Schachgebot mit der Dame auf g4. Richtig war es die Diagonale mit dem kurzen Zug des f-Bauern zu schließen. Weiß steht danach etwas besser, mehr nicht.
Fazit
Die Darstellung eines Turniers in Diagrammen ist attraktiv, da sie einen schnellen Überblick verschafft. Aber es gibt weitere Aspekte, die eine Rolle spielen sollten, wenn man das Turnier eines Spielers zerlegt. Ein Vergleich zu den Turnierverläufen anderer bei den Senioren-Europameisterschaften zeigt, dass die meisten Teilnehmer ebenfalls Glück auf dem Weg hatten. In der Gruppe der Jungsenioren standen die vier Sieger mindestens einmal im Turnier glatt auf Verlust. Bei den älteren Senioren zeigten die Gegner von John Nunn zu viel Respekt und er bekam bereits zu Beginn des Turniers in zwei schlechten Schlussstellungen mit Weiß Remis angeboten und griff zu.
Durchschnittlich dauerten meine Partien fast fünfzig Züge, was ein guter durchschnittlicher Wert ist. Dafür muss man im Seniorenalter erst einmal die Kraft aufbringen. Bei mir ist der Trend insofern sehr positiv, da ich vor zwei Jahren noch gesundheitsbedingt in neun Runden oft vier schnelle Remis angestrebt habe. Schach ist ein Ergebnisspiel und seit der deutschen Meisterschaft im Seniorenschach 2024 in Bad Wildungen konnte ich mein Elozahl in 54 gewerteten Partien um 128 Punkte steigern und auf dem Weg dahin vier Internationale Meister und einen Großmeister schlagen. Der letzte Trend ist also ermutigend und bei der in Kürze beginnenden Weltmeisterschaft der Senioren im italienischen Gallipoli sollte ein Ratingpunkt drin sein, um meine Elozahl wieder über 2200 zu hieven. Das nächste Ziel danach ist meine Wiedereinstiegs-Elo aus dem Jahr 2017, die bei 2250 lag. In 2026 stehen allerdings mit Kandidatenturnier, Schacholympiade und Weltmeisterschaft drei Turniere an, die ich als Beobachter angehen möchte.
In eigener Sache
Dieser Blog dient mir als eine Art Tagebuch für eigene Turniere – früher habe ich mit viel Aufwand – eigene Turniere aufgearbeitet und kleine Turnierbücher zum Eigengebrauch geschrieben. Das ist inzwischen komfortabler organisiert. Wer will kann meine Analysen nutzen, um selbst besser zu werden. Aber der Sinn ist es Analysetechniken auszuprobieren und einen möglichst objektiven Blick auf meine Partien zu werfen.

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