Foto: Michal Walusza (FIDE Chess)
Von Thorsten Cmiel
Vincent Keymer ist leider in der zweiten Schnellschachrunde gegen Andrey Esipenko beim World Cup in Goa, Indien, ausgeschieden. Frederik Svane und Alexander Donchenko bleiben aber im Rennen. Ein neuer Fokus muss her. Einer könnte noch ins Kandidatenturnier rutschen.
Je länger das Turnier dauert umso wahrscheinlicher werden Stichkämpfe beim World Cup. Es ist also spätestens jetzt ein guter Augenblick, die Modalitäten dafür genauer anzuschauen.
Stichkampfregeln
Bei Gleichstand nach zwei Partien mit klassischer Bedenkzeit werden die Farben ausgelost und zunächst zwei Partien mit 15+10 gespielt, also mit 15 Minuten und zehn Sekunden Inkrement pro Zug.
Bei weiterhin Gleichstand werden die Farben erneut ausgelost und es folgen zwei weitere Schnellschach-Partien mit 10+10.
Bleibt es beim Gleichstand, dann werden die Farben erneut ausgelost und zwei Blitz-Partien mit 5+3 gespielt.
Bei erneutem Gleichstand folgt eine weitere Farbauslosung bei einer Bedenkzeit von 3+2.
Bleibt es beim unentschiedenem Spielstand, dann folgt der so genannte Sudden-Death. Weiß muss diese Partie gewinnen und erhält für die anstehende Blitzpartie vier Minuten. Beide Spieler bieten für die Schwarz-Zeit und derjenige Spieler mit dem niedrigsten Gebot erhält die schwarzen Steine und muss mit seiner gebotenen Zeit antreten. Beide Spieler erhalten vom ersten Zug an zwei Sekunden pro Zug (Inkrement). Bieten beide Spieler die gleiche Zeit für die schwarze Seite, dann werden die Farben durch Los entschieden.
Frederik Svane gewann nach zwei beidseitig perfekten klassischen Partien direkt in der ersten Schnellschachpartie und nutzte dabei mehrere Ungenauigkeiten seines Gegners, nachdem er sich nach dreißig Zügen eine überlegene Stellung systematisch erarbeitet hatte. Eine sehr starke Leistung. Frederik spielte laut Engine-Analyse in seinen insgesamt vier Partien keinen einzigen kritikwürdigen Zug. Die zweite Schnellschachpartie endete zwar nur Remis, aber Frederik stand zum Schluss auf Gewinn.

Wir sehen in diesem Wettkampf vor allem feine Klinge: Weiß hat offensichtlich etwas mehr Raum und zuletzt seinen Springer nach a4 gezogen. Was sollte der Armenier hier unternehmen, um vollends im Spiel zu bleiben. Die Antwort findet sich in der folgenden Partieanalyse.
Schwarz steht hier vor seinem dreißigsten Zug. Frederik ist es gelungen mit dem Vormarsch seines h-Bauern den gegnerischen Königsflügel unter Druck zu setzen und er steht erkennbar vorteilhaft. Wie sollte Shant Sargsyan hier fortsetzen?

Ich war sicher, dass Frederik die nächste Runde erreichen würde als er diese Stellung auf dem Brett hatte. Die hängenden schwarzen Bauern sind in dieser Figurenaufstellung mehr ein Vorteil als eine Belastung. Es gibt keinen erkennbaren Weg die schwarzen Zentralbauern erfolgreich zu attackieren.
Frederik benötigte nur ein Unentschieden in seiner zweiten Schnellschachpartie und lässt in dieser Stellung seinen Gegner Dauerschach geben. Hier konnte Frederik ohne Probleme mit seinem König nach f6 ziehen und die Partie zu seinen Gunsten entscheiden. Das war allerdings unnötig.



Vincent ist raus
Vincent Keymer (Jahrgang 2004) hatte in der vierten Runde mit dem Russen Andrey Esipenko (2002) einen unangenehmen Gegner, gegen den der Deutsche bisher in klassischen Partien noch nie gewinnen konnte, aber dreimal verloren hatte. Das änderte sich leider in Goa nicht. Esipenko war zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine lange Zeit unentschlossen, ob er gerüchteweise aus Spanien nach Russland zurück kehren sollte. Er wollte vor allem nicht eingezogen werden, hieß es damals. Jedenfalls hatte Andrey damals eine Elozahl von 2723 und es ging danach erstmal bergab. Das dürfte auch an weniger Spielmöglichkeiten gelegen haben. Inzwischen ist Esipenko verheiratet und lebt wieder in Russland. So hat er einen Vertrag mit dem russischen Verband unterschrieben, der ihm finanzielle Unterstützung sichert. Schachlich betrachtet ist Esipenko ein Schwergewicht. 2021 war er erst in der fünften Runde gegen Magnus Carlsen im Blitzen ausgeschieden. Solche Erfahrungen helfen natürlich.


Klassische Partien – gleichwertig
In beiden Begegnungen konnte keiner der Spieler etwas Verwertbares erreichen in der zweiten Partie hatte Vincent zwar einen Bauern mehr, aber Andrey konnte dafür auf den deutlich aktiveren König pochen. Auch diese Partie war nie in einer Schieflage gewesen.



Dieser Moment war das größte Ungleichgewicht in der ersten Runde der Schnellschachpartien (15+10). Vincent hatte sich mit Weiß einen großen Vorteil erarbeitet, nachdem sein Gegner einige ungenaue Entscheidungen getroffen hatte. Leider verpasst der Deutsche hier seine Chance. Tatsächlich verbrauchte Vincent hier für eine nicht optimale Entscheidung drei seiner verbliebenen viereinhalb Minuten. Was sollte er mit Weiß hier ziehen?


In diesem Moment musste Vincent auf das Schachgebot reagieren. Leider griff Vincent hier daneben und zog seinen König nach e6. Esipenko antwortete mit seinem König, der nach e3 zog und Schwarz musste danach quasi im Zugzwang seinen f-Bauern in Bewegung setzen und verlor einen Bauern.
Eine unerwartete Chance: Wie sollte Vincent hier mit Schwarz in der dritten Schnellschachpartie fortsetzen? Leider fand der Deutsche nicht die richtige Verteidigung.
Der entscheidende Moment in der vierten Schnellschachpartie. Wie könnte sich das Spiel am besten entwickeln?

Andrey Esipenko im Gespräch mit Theophilus, Theo, Wait from Li-Chess. Esipenko äußert sich auch zum Format des World Cup.

Matthias und Vincent sind in der vierten Runde ausgeschieden und erhalten jeweils ein Preisgeld von 17.000 US-Dollar. Für Frederik und Alexander Donchenko sind schon 25.000 Dollar sicher. Eine Runde weiter bringt dann laut Regularien schon 35.000 Dollar. Der unglückliste Platz ist danach der Vierte Platz, der 50.000 Dollar bringt, aber nicht zum Kandidatenturnier berechtigt.

Foto: Michal Walusza, Eteri Kublashvili (FIDE Chess).
Offizielle Homepage des World Cup in Goa.
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