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Ein Konzept trägt seinen Namen – Hübner System

Von Thorsten Cmiel

Er würde es ablehnen als Schachstar bezeichnet zu werden, aber Robert Hübner (1948 – 2025) war genau das. Das erkennt man daran, dass ein ganzes Eröffnungssystem nach ihm benannt ist. Schauen wir genauer hin.

Das Hübner System ist nach dem erfolgreichsten deutschen Schachspieler der Nachkriegszeit benannt. Es handelt sich um ein Schwarzkonzept in der so genannten Nimzoindischen Verteidigung. Betrachten wir die zunächst die Grundidee. Schwarz attackiert nach den Zügen 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sb1-c3 Lf8-b4 im Rubinstein-System (4.e2-e3) des Weißen, benannt nach einem anderen berühmten Schachspieler (Akiba Rubinstein aus Polen; 1880 – 1961) sofort das weiße Zentrum mit 4…c7-c5 5.Lf1-d3 Sb8-c6. Danach entsteht die folgende Stellung. Die Zugfolge kann auch eine andere sein, wenn Weiß mit 4.Sf3 beginnt. Das gibt Schwarz die begründete Hoffnung das hier vorgestellte System spielen zu dürfen.


Hier ist ein erster wichtiger Moment erreicht. Weiß entwickelt seinen Königsspringer, um das eigene Zentrum zu stützen. Er hat dabei zwei Optionen. Er kann entweder den Springer nach e2 ziehen, oder er wählt das andere Feld vor seinem f-Bauern. Vertraut man in dieser Frage der Ergebnisstatistik, dann sind beide Züge etwa gleichwertig. Für uns relevant ist hier aber nur der Springerzug nach f3. Danach wird es konzeptionell und wir landen im Hübner System. Schwarz wartet nicht den Tritt mit dem a-Bauern ab, sondern schlägt freiwillig auf c3 und wir kommen zur Ausgangsstellung des Hübner Systems. Dieser Zug ist allerdings nur gut, wenn der gegnerische Springer auf f3 steht und den f-Bauern verstellt. Würde er es mit dem Springer auf e2 genauso halten, wäre man ein Tempo hinten im Sämisch-System des Weißen (4.a3), ebenfalls benannt nach einem deutschen Schachspieler (Fritz Sämisch 1896 – 1975).


An dieser Stelle verzichtet der Schwarze zunächst auf die eigene kurze Rochade und zieht seinen Bauern zunächst nach d6 und will auf den schwarzen Feldern eine Blockade im Zentrum mit e6-e5 errichten. Schwarz hat seinen Läufer aufgegeben und ein Interesse daran, das Zentrum geschlossen zu halten und den gegnerischen schwarzfeldrigen Läufer in seiner Aktivität zu beschränken. Die meisten Autoren sehen die Gewinnpartie von Robert Hübner gegen den argentinischen Großmeister Miguel Najdorf als Stammpartie des Systems. Am 19. Januar 1971 gewann der deutsche Großmeister eine Glanzpartie im Hoogovens Turnier in Wijk aan Zee. Das Turnier heißt inzwischen anders, ist aber immer noch das wichtigste Turnier zu Beginn jeden Jahres.


In dieser Stellung stand der damals bereits sechzigjährige Argentinier vor seinem zwanzigsten Zug. Najdorf schätzte die Situation falsch ein und zog hier im zwanzigsten Zug seinen Springer nach f5. Das war eine schlechte Entscheidung. Der damals zweiundzwanzigjährige Robert Hübner nahm den Springer mit seinem Springer weg und ließ f7-f6 folgen. Das war komplette Abriegeln war allerdings unnötig an dieser Stelle. Erfolgversprechender wäre es gewesen das Feld zunächst für den eigenen Springer zu nutzen und danach eine Öffnung der Stellung am Königsflügel (gemeint ist die Seite mit g- und h-Bauern) vorsichtig vorzubereiten.


Die bekannteste und historisch bedeutendste Partie im Hübner System stammt allerdings nicht vom deutschen Großmeister, sondern wurde von Robert James „Bobby“ Fischer (1943 – 2008) anderthalb Jahre später in seinem Weltmeisterschaftskampf 1972 in Reykjavik gespielt. Vor allem die hier gezeigte Schlusskombination findet sich in zahlreichen Büchern. Zudem markiert die Partie den Ausgleich im immer noch bedeutendsten Wettkampf aller Zeiten um die Schachkrone.


In dieser Stellung zog Boris Spassky seine Dame nach c2 und Fischer nahm den Bauern auf a4 und der Russe gab auf, da zusätzlich der Bauer auf e4 verloren geht. zudem mit Doppelangriff auf den Läufer e1 und den Bauern auf g2. Schwarz stand ohnehin eindeutig vorteilhaft, aber in der betrachteten Stellung konnte Spassky seine Dame entweder nach f3 oder nach e3 ziehen und Fischer hätte noch viel Arbeit vor sich gehabt, wenn er diese Partie überhaupt gewonnen hätte.


Es ist im Schach nicht ungewöhnlich, dass Eröffnungen nach einem bekannten Spieler benannt werden, der bei der Erforschung einer Stellung besondere Verdienste erworben hat. So auch hier. Robert Hübner war keinesfalls der erste Spieler, der freiwillig auf c3 den Springer schlug oder später die schwarzfeldrige Strategie verfolgte. Vermutlich würde Hübner daher die Bezeichnung als Hübner System ablehnen, aber so funktioniert die Schachwelt nicht.

Wer das Hübner System in sein Repertoire einbauen will, der muss sich mit moderneren Bekämpfungsmethoden auseinander setzen. Dabei gibt es gute Chancen, dass dieses System auch in Zukunft verlässliche Dienste leistet. Das liegt an seiner positionellen Rechtfertigungen. Das Hübner System ist positionell ein gesundes System und ein grober Blick (man könnte Partien mit kürzerer Bedenkzeit herausnehmen) in die wichtigste Datenbank bei Chessbase (Megadatabase) bestätigt diesen Eindruck: Nach 7…d6 zeigt die Datenbank einen leichten Ergebnisvorteil für Schwarz.

Robert Hübner selbst würde das vermutlich für einen Zufall halten.

Fotos: Anelfo.


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