
Von Thorsten Cmiel
Irgendwer beim Schachbund kam bei Ansicht der Broschüre auf eine bemerkenswerte Idee: Die Fraktur in der Überschrift hat eine üble Anmutung. Man ist beim Schachbund offenbar der Meinung, die Fraktur sei eine Nazischrift.
Am ersten Tag kam der lokale Organisator der deutschen Seniorenmeisterschaft in Bad Neuenahr 2025 zu mir und erzählte mir eine Art Räuberpistole und er konnte diese auch belegen – zunächst mit einer Geister-Broschüre. Der Deutsche Schachbund (DSB) hatte ihm untersagt, seine bereits gedruckte Broschüre zu verteilen, weil die Überschrift in Fraktur geschrieben war. Jetzt bin ich kein Fan einer eher wenig leserlichen Schnörkelschrift, aber die Fraktur wird von vielen angesehenen Tageszeitungen noch heute im Titel genutzt. Mein Interesse war geweckt.
Der lokale Organisator hatte letztlich dem Schachbund eine Art Entschuldigungs-E-Mail geschrieben, weil er sich unter Druck gesetzt fühlte und eine Broschüre zum Verteilen wollte – die bekam er dann mit reichlich Verspätung. Bei Senioren, insbesondere bei vielen Älteren, sind Broschüren der bevorzugte Informationsquelle. Die E-Mail ärgerte ihn aber auch im Nachhinein, weil er sich vom Schachbund in eine rechte Ecke geschoben fühlte – von einer Faust in einer Tasche war die Rede.
Über diese kleine Geschichte einer Schrift und einer nicht verteilten Broschüre schrieb ich dann in meinem Text einen kurzen harmlosen Absatz bei dem der Schachbund aus meiner Sicht sehr gut wegkommt und mit der auch der lokale Organisator einverstanden war.
„Die Teilnehmerzahl war nicht so hoch wie bei der letzten Seniorenmeisterschaft in Bad Wildungen. Im Vorfeld gab es Irritationen um einen Flyer der lokalen Organisatoren für die Veranstaltung, der vom Deutschen Schachbund vor allem wegen der Verwendung einer Schriftart nicht akzeptiert wurde, und dessen später Ersatz in der Produktion längere Zeit ein Informationsvakuum erzeugte. Dass diese Provinzposse die Teilnehmerzahl beeinflusst hat, ist wahrscheinlich, meint Gottfried Schumacher, der den Kontakt zum Hotel vor Ort hielt. Schumacher zeigte sich enttäuscht von der Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle in Berlin.“
Diese kurze Passage triggerte dann offenbar den Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Schachbundes und die Geschäftsführerin. Der Pressereferent unterstellte mir unter anderem triumphierend in seiner Pressemeldung, dass ich nicht erwähnt hätte, dass es sich um die Fraktur handelt. Das für sich genommen ist lustig, denn es zeigt fehlende Kenntnisse beim Schachbund über die Frakturschrift.
Ist die Fraktur eine Nazischrift? (Für die Antwort hier klicken)
In seinem Text schreibt der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DSB, dass die Sache geregelt war aus Sicht der Geschäftsstelle. In seinem Text zitiert der Öffentlichkeitsarbeiter übrigens aus der genannten Entschuldigungs-E-Mail und aus einem nicht ganz freundlichen Austausch, den er und ich ebenfalls hatten. Der DSB hat weder die Autorisierung aus einer der zwei genannten E-Mails zu zitieren noch dies selektiv und sinnentstellend zu tun. Ich könnte aus seiner E-Mail an mich auch zitieren wie der Pressearbeiter mir mit seinen Kanälen gedroht hat, wenn ich nicht die Position des Deutschen Schachbundes in meinem Text anführe. Ich gab ihm die Chance eine kurze Anmerkung zu schreiben, er hat das Angebot öffentlich ausgeschlagen.
Ein weiteres presserechtliches und rügefähiges Foul des DSB ist das Nichtverlinken zum Originaltext, denn nur so ist die Pressemeldung für Leser überhaupt verständlich. Anmerkung: Der DSB unterliegt nicht dem Presserecht und -kodex, aber deren Vertreter glaubt andere maßregeln und journalistisch bewerten zu müssen. Das ist weder angemessen noch akzeptabel. Jeder blamiert sich auf seinem Niveau. (TC)