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Lu Miaoyi auf Kurs

Titelfoto: Lennart Ootes

Vor dem zweiten Ruhetag hat sich das Feld im Challengers Turnier in Wijk 2025 weiter aufgespalten in Spielerinnen und Spieler, die über 50 Prozent aufweisen und denen darunter. Bei den vier weiblichen Teilnehmerinnen gab es tragische Momente. Stabile Ergebnisse weisen die Inderin Vaishali und Lu Miaoyi auf.

Von Thorsten Cmiel

Wir hatten uns das bisherige Abschneiden der Frauen in den ersten fünf Runden angesehen. Nach der achten Runde sieht es immer noch so aus als würden die Chinesin Lu Miaoyi, die im Februar fünfzehn Jahre alt wird, und Vaishali gut im Feld mithalten können. Divya Deshmukh muss den zweiten Ruhetag nutzen, sich zu konsolidieren. Nach der Pause musste die Inderin dreimal hinter sich greifen. Ihre Situation ist vregleichbar mit der von Arjun Erigaisi in der Tata Steel Meisterklasse, der bis zur achten Runde dreißig Ratingpunkte eingebüßt hat und turnierübergreifend keine seiner 21 bisher gespielten Partien in Wijk gewinnen konnte. Wenn es nicht gut läuft will man als Spieler oder Spielerin das Turnier meist ganz schnell hinter sich bringen. In Wijk stehen jetzt noch fünf weitere Runden an. Das ist brutal wie jeder weiß, der einmal ein Rundenturnier absolviert hat, das nicht den gewünschten Verlauf genommen hat. Zumal Spieler mit ohnehin schlechter Form von den anderen Teilnehmern gerne als mögliche Punktelieferanten ausgeguckt werden. Somit ist klar: Für Divya und Irina stehen noch fünf schwierige Runden an.

Punkte nach 5 RundenRunde 6Runde 7Runde 8GesamtPerformance
Vaishali3.00.50.50.54.52563
Lu Miaoyi3.010.50.04.52575
Deshmukh1.50.00.00.01.52321
Bulmaga0.50.50.00.01.02231

Nach den ersten fünf Runden hatten wir uns die Partien von Divya Deshmukh genauer angesehen. Diesmal betrachten wir die Partien einer Spielerin bei der es bisher besser läuft. Die vierzehnjährige Lu Miaoyi begann in der ersten Runde mit einer gut vorgetragenen Partie gegen den kazachischen Großmeister Kazybek Nogerbek. Nach einem soliden Remis gegen Vaishali mit den schwarzen Steinen folgte ein weiterer GM-Scalp. Lu gewann gegen die deutsche Nummer Zwei, Frederik Svane. Der musste sich mit der französischen Abtauschvariante der Chinesin auseinander setzen und kam damit nicht gut zurecht. Gegen Irina Bulmaga remisierte Lu erneut mit den schwarzen Steinen. Erst in der fünften Runde musste die Chinesin das erste mal hinter sich greifen als sie gegen den Niederländer Benjamin Bok verlor.


Runde 1: Lu Miaoyi (CHN) – Kazybek Nogerbek (KAZ) 1 – 0

Der Partieverlauf war deutlich zugunsten der jungen Chinesin verlaufen. Allerdings hatte sie etwas ängstlich in Gewinnstellung die Damen zum Tausch angeboten und damit einen Teil ihres Vorteils eingebüßt. Mit den zwei Springern für den Turm steht Lu allerdings immer noch klar vorteilhaft. Der Kazache kann allerdings noch hoffen. Er sollte die Beweglichkeit der gegnerischen Springer reduzieren und zunächst mit seinem Turm nach c5 ziehen. Er droht dann den Springer e5 durch Vorrücken seines g-Bauern weiter zu entwurzeln. Der Kazache begann mit dem g-Bauern Lu verzichtete auf den Bauern zog ihren f-Bauern vor und stand klar auf Gewinn.

Dieses Foto zeigt Frederik Svane unmittelbar vor dem entscheidenden Fehler.


Runde 3: Lu Miaoyi (CHN) – Frederik Svane (GER) 1 – 0

Vermutlich hatte Frederik den Steinitz-Aufbau in der klassischen französischen Verteidigung vorbereitet, so hatte die Chinesin vorher schon gespielt. Lu reagiert diesmal legitim und wählt die französische Abtauschvariante, die es ihrem Gegner erschwert auf Gewinn zu spielen. Am Ende kam es noch dicker für den Deutschen. Frederik (Jahrgang 2004) selbst war bereits in jungen Jahren ein hervorragender Taktiker. In der Ausgangsstellung steht die Chinesin sicher etwas angenehmer. Auf den Vormarsch des schwarzen g-Bauern folgt vermutlich ein aussichtsreiches Figurenopfer mit dem Springer auf g5. Weiß verbleibt nach der Annahme mit den besseren Chancen. Entschieden ist dann nichts. Stattdessen zog Frederik seinen Läufer nach f5. Lu nahm mit dem Läufer auf f6 und gewinnt eine ganze Figur. Ein typischer Fall von Schachblindheit.

Die Fotos zeigen die Gegner von Lu in den Runden vier und fünf. Gegen Irina Bulmaga folgte eine wenig ereignisreiche Partie bis zu dem folgenden Moment. Die Chinesin hatte ihre Züge ohne Nachdenken aufs Brett gestellt und sollte ihren achtzehnten Zug ausführen.


Runde 4: Irina Bulmaga – Lu Miaoyi 0.5 – 0.5

Für ihren nächsten Zug nahm sich die Chinesin 55 Minuten Zeit und spielte in der Tat den besten Zug. Solche Momente nach langen Vorbereitungen sind oft gefährlich für Turnierspieler, die sich erst in eine Partie hineinfinden müssen. Hier ist der naheliegende Zug der Zug mit der Dame nach e4. Weiß wird mit seiner Dame nach d5 gehen und Schwarz bleiben zwei Antworten, die aber nicht ausreichen. Die erste Möglichkeit besteht in einem doppelten Schachgebot mit dem Springer auf h4. Danach wird Weiß den König zunächst nach g1 ziehen. Nach dem erneuten Schach mit dem Springer auf f3 folgt diesmal der Zug des Königs nach h1 und Weiß stünde vorteilhaft. Die zweite Möglichkeit sieht ebenfalls auf den ersten Blick attraktiv aus. Schwarz opfert seinen Läufer auf h3 mit Schachgebot. Greift der weiße König dann zu, folgt ein Schach mit dem Springer auf g1 zur Ablenkung und Weiß kann dem Dauerschach durch Schachgebote mit dem Springer nicht entkommen. Aber Weiß kann den Läufer verschmähen und erneut seinen König nach h1 ziehen. Danach stünde die Rumänin auf Gewinn. Lu vermied diese Varianten und zog zunächst ihren c-Bauern ein Feld vor und nahm ihrer Gegnerin dadurch das Feld d5. Die Partie endete danach in einem absehbaren Remis.


Runde 5: Lu Miaoyi (CHN) – Benjamin Bok (NED) 0 – 1

Lu Miaoyi stand hier mit den weißen Steinen vor ihrem 27. Zug. Sie wählte letztlich eine zu langsame Fortsetzung. Aber wer ihre Leistung mit Maschinenhilfe locker bewerten möchte, der versuche sich vorher selbst an dieser Stellung. Wie sollte sie hier fortsetzen? (Kalkulationsaufgabe) Mehr als nur ein Zug ist hier notwendig. Viel mehr.


Runde 7: Lu Miaoyi (CHN) – Divya Deshmukh (IND) 1 – 0

In der Partie zwischen Lu und Divya war hier die Chinesin am Zuge. Der schwarze Königsflügel ist geschwächt und Weiß sollte seine Kräfte optimal auf eine weitere Expansion am Königsflügel vorbereiten. Lu Miaoyi zog hier ihren Turm nach f1, um den anderen Turm nach e1 zu stellen. Aber es gab eine deutlich stärkere Fortsetzung, die an die Spielweise von Anatoly Karpov erinnert.


Runde 8: Thai Dai Van Nguyen (CZE) – Lu Miaoyi (CHN) 1 – 0

Die Partie verlief bis hierhin recht ruhig. Der Großmeister stand weite Teile der Partie etwas besser, konnte sich aber keinen größeren Vorteil erspielen. Die Struktur haben die Spieler schon 16 Züge auf dem Brett und in dieser Stellung war die Chinesin dran. Weiß hat einen pseudoaktiven König auf c6, der wird aber vom verankerten Turm auf b5 wirkungsvoll und dauerhaft vom a-Bauern fern gehalten. Lu überlegte hier 21 ihrer 28 Minuten restlichen Bedenkzeit und ihr unterlief ein fürchterlicher Fehler. Schwarz kann hier den Läufer nach d2 ziehen und ein komfortables Remis erreichen. Aber offensichtlich hatte die Chinesin einen Knoten in ihren Berechnungen. Der könnte so aussehen: Weiß antwortet auf den Läuferzug mit einem Schach des Läufers auf d6, der König zieht weg nach g8 und Weiß schwenkt mit seinem Turm nach a1. Schwarz nimmt nun auf b4 mit dem Läufer und bei mangelnder Visualisierung könnte man annehmen, dass Schwarz hier Material verliert, da der Turm auf b5 kein Feld zur Verfügung hat, um den Läufer b4 gedeckt zu halten. Aber Schwarz hat kann als Antwort seinen Turm nach a5 ziehen und ausgleichen. Lu zog stattdessen ihren Läufer nach c5, die Idee ist ähnlich, aber der Läufer auf c5 verhindert das Schachgebot auf der Diagonalen mit dem schwarzen König. Nguyen nahm den Läufer weg und nachdem Schwarz den weißen Turm auf b1 geschlagen hatte, zog der Tscheche seinen König nach d7 und der weiße c-Bauer ist unaufhaltbar. Dieses abrupte Ende erinnert an die dritte Runde in der Frederik Svane ein ähnliches Malheur unterlaufen war.

Großmeisternorm noch drin

Die Chinesin zeigte bislang vor allem mit den weißen Steinen starke Angriffsleistungen. In den letzten fünf Runden stehen für die Chinesin allerding noch schwierige Aufgaben an. Immerhin hat sie noch drei Weißpartien (gegen Aydin Suleymanli, Erwin L’Ami und Nodirbek Yakuboeev). Mit Schwarz spielt sie noch gegen Ediz Gurel und Faustino Oro. Für eine Großmeisternorm muss sie auf siebeneinhalb Punkte kommen, also noch drei Punkte sammeln. Schwierig, aber nicht unmöglich.

Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.


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