
Bei Dinara Wagner lief es auf Rhodos bisher nicht. Wenn es nicht läuft auf dem Brett, dann kommt es immer wieder zu kleinen Ungenauigkeiten, die letztlich verpasste Chancen ausmachen können. So auch hier. Am Ende war es dann ganz schlimm. Das hatte aber nichts mit der Eröffnung zu tun, sondern mehr mit Zeitnot und vermutlich Frust und Ermüdung.
Von Thorsten Cmiel
Katalanisch ist eine der typischen Profieröffnungen. Weiß strebt in der Regel nicht nach schnellem Erfolg durch scharfes Eröffnungsspiel, sondern es geht hier meist um die feinere Klinge. Chancen bekommt man meist nur wenige umso wichtiger ist es dann aufmerksam zu sein. Gelegentlich verschwimmen die Systeme etwas, aber die weißen und schwarzen Aufmarschpläne sind oft ähnlicher Natur. Viele Motive sind bekannt und dennoch kommt es immer wieder zu neuen Details, die man entdecken kann. Wie das hier.
In dieser Stellung steht Weiß vor einer bekannten Entscheidung. Schwarz hat bereits etwas unvorsichtig agiert und Weiß kann jetzt die lange Diagonale und den ungedeckten Läufer auf b7 für das Aktivieren ihres Springers via dem Feld c4 nutzen. Die eigentliche Frage ist aber etwas komplexer. Sollte Weiß hier zunächst auf d7 die Springer tauschen. Und falls ja, warum?
Die Antwort (Klicken)
Ja, Weiß erreicht mehr durch vorherigen Tausch des Springers auf d7. Die Bedenkzeit von Dinara, die unter einer Minute verbrauchte und sofort ihren Springer von d2 nach c4 zog, zeigt fehlende Aufmerksamkeit für ein wichtiges Detail. Schwarz kann nach dem Tausch nicht gut auf d7 mit der Dame schlagen, da hiernach Weiß später auf f6 den Springer schlägt und Schwarz mit einer katastrophalen Bauernstruktur übrig bliebe. Einen Zug später ist diese Chance verpasst, da Schwarz den Läufer nach e7 beordert und der Tausch f6 keine Zugeständnisse mehr notwendig machen würde.

Eigentlich wollte ich zu dieser Partie nur diesen einen Moment genauer betrachten. Es war für Dinara eine verpasste Chance schneller einen ordentlichen positionellen Vorteil zu erzielen. Irgendwann stand Dinara nach der Eröffnung klar auf Gewinn. Mit einem ordentlichen Zeitunterschied war es in Costa Rica kurz vor Mittag als ich zum Einkaufen fuhr. Zunächst gab es eine andere Überraschung, die meine Aufmerksamkeit weckte: Der US-Präsident, den ich nur den „Orangenen“ nenne, konnte den Druck wegen seiner katastrophal törichten Zollpolitik vermutlich nicht mehr ertragen, kündigte eine Art Moratorium seiner wenige Tage zuvor verkündeten Strafzölle an und schickte die internationalen Aktienmärkte gen Norden. Nachdem ich mir das mediale Chaos angesehen hatte, warf ich einen Blick auf die Stellung von Dinara. Die war plötzlich nur noch ausgeglichen in einem Turmendspiel mit zwei Bauern weniger, das man aber halten können sollte. Es gab wieder etwas mediale Ablenkung, da sich in Deutschland an diesem Tage eine neue Regierung aufmacht endlich das eine oder andere politische Thema zu adressieren und zu lösen. Ich sah ein Replay einer Pressekonferenz mit Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken. Auch das war kein Vergnügen. Inzwischen sah ich noch nicht das Ende, aber das Ergebnis der Partie von Dinara. Die genaue Analyse wirkt vielleicht auf den einen oder die andere wie Leichenfledderei, aber aus solchen Partien kann man oft mehr lernen als aus Partie wie sie eine andere Deutsche am gleichen Tag gespielt hat. Ich verzichte auf weitergehende Kommentare, aber die Gegnerin spielte eine ultrascharfe, interessante Variante und kannte sich offenbar nicht aus.
Zurück zu der Partie von Dinara Wagner. Die deutsche Spitzenspielerin spielte eine lange Partie, die ich neuerdings in Portionen analysiere, um dadurch das Spiel vor allem bei Eigenanalysen besser zu erfassen und Schwachpunkte des eigenen Spiels zu benennen. Folgen wir unserem Plan die verschiedenen Spielphasen nacheinander abzuarbeiten und die Knackpunkte nachzuarbeiten. Oft reichen vier Analysephasen. Diesmal sind es sechs.
Bevor man in die Details einer Analyse geht, sollte man meines Erachtens eine Partie möglichst mehrfach schnell durchspielen, um das Geschehen möglichst zu erfassen und sich Fragen zu notieren. Dazu findet man hier die komplette Partie unkommentiert. Um die Partie nachzuspielen klickt man auf einen beliebigen Zug und ein Partiefenster poppt auf. Mit den Pfeiltasten kann man die Partie vor und zurück nachspielen.
Die Eröffnungsphase lief gut für Weiß auch ohne das beschriebene Detail in der Eröffnung gelang es Dinara sich eine aussichtsreiche Stellung zu erspielen. Es ging zunächst erfreulich weiter bis sich dann im finalen Teil der Partie ein größerer Unfall ereignete. Der vermutlich auf Ermüdung und Zeitnot zurückzuführen ist. Die meiste Zeit hatte Dinara nicht nur die bessere Stellung, sondern auch die bessere Restbedenkzeit. Erst in der Schlussphase als Dinara ein Turmendspiel mit zwei Bauern eigentlich halten sollte, lag die Deutsche auch auf der Uhr zurück. Es kam wie es sprichwörtlich kommen musste…


Ich hoffe in naher Zukunft eine überzeugende Partie von Dinara Wagner hier präsentieren zu können. Ein spannendes Endspiel aus der Runde danach kommt in jedem Fall in Kürze.

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