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Stadtmeisterschaft Chennai

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit

Die Partien zwischen den beiden Indern Praggnanandhaa und Gukesh haben immer eine besondere Brisanz. Geht es doch um die Vormachtstellung im eigenen Land und in Chennai. Zurzeit hat Gukesh klar die Nase vorn, denn er gewann im letzten Jahr Kandidatenturnier und Weltmeisterschaft. In der achten Runde 2025 kam es zum Prestigeduell beim Tata Steel Masters in Wijk.

Von Thorsten Cmiel

Die beiden indischen Supergroßmeister leben wie der Übervater des indischen Schach, Viswanathan Anand, in Chennai. Bei jedem Aufeinandertreffen geht es also nicht nur um die Vorherrschaft in Indien, sondern auch darum wer im Lokalen vorne liegt, wer Stadtmeister in Chennai ist sozusagen. Für Pragg ist das Duell nichts Besonderes, sagt er. Erinnert sei trotzdem daran wie manche Duelle in der Vergangenheit abliefen. Dramen war oft und mit normalen Maßstäben kaum zu erklären. Schauen wir kurz zurück.


Beim Rejkjavik Open 2022 spielte Gukesh (15) mit Weiß in der letzten Runde gegen Pragg (16). Er musste gewinnen, um sich den Turniersieg zu sichern. Dem älteren der beiden Inder reichte ein Remis. Was jetzt folgte war dramatisch. Gukesh steht offensichtlich klar besser, objektiv sogar auf Gewinn. Der Damentausch auf d4 kommt natürlich für Pragg nicht in Betracht. Er fand noch einen letzten Schwindel und zog seine Dame nach f5. Falls Weiß dann den ungedeckten Springer auf c3 nehmen würde, folgt der Einschlag auf g2 und das Zurückschlagen mit dem König würde zum Dauerschach führen. Soweit so verständlich. Gukesh konnte an der Stelle seinem König etwas Luft verschaffen indem er seinen h-Bauern ein Feld vorrückt und der gegnerischen Dame das Feld g4 verwehrt. Stattdessen zog Gukesh seine Dame nach e5 und erneuerte das Angebot zum Damentausch. Dieser Zug kostete ihn bereits seinen entscheidenden Vorteil. Pragg sagte erneut nein, zog seine Dame nach g4 und drohte selbst direkt Matt auf g2. Es war jetzt an Weiß mit dem Läuferzug nach e4 die Partie noch knapp auszugleichen. Gukesh zog stattdessen seinen Turm nach g1 und deckte damit den Läufer auf g2. Pragg fand dann einen schicken Gewinnzug. Wird nicht aufgelöst.


Beim Tata Steel Masters 2024 hatte Gukesh seinen Gegner überspielt. Erneut stand er auf Gewinn und musste seinen vierzigsten Zug, den Kontrollzug, ausführen. Die beiden hatten zuvor bereits mit wenig Bedenkzeit die Züge des weißen Läufers nach d6 und die Antwort mit der Dame nach f7 gespielt. Gukesh erneuerte die Stellung und zog seinen Läufer nach d6. Pragg nutzte seine Chance, kündigte seinen Zug mit der Dame nach f7 and und reklamierte dreimalige Stellungswiederholung. Was war passiert? Die ursprüngliche Stellung war nach dem Turmzug nach g8 entstanden und das scheint Gukesh übersehen zu haben. Später wird er sein Malheur als dumm bezeichnen, da praktisch jeder andere Zug als sein Zug mit dem Läufer gewonnen hätte. Das stimmte zwar nicht, aber irgendwie dann doch.


Wenige Tage nach dem Drama in Wijk trafen Pragg und Gukesh erneut aufeinander und zwar im Prag Masters. Der ältere der beiden, Pragg, stand mit Weiß auf Gewinn und musste zunächst das Schachgebot parieren. Pragg blieben zwei Optionen, er konnte seinen König nach f5, also nach vorne schicken, oder er geht auf Nummer sicher und deckt den g2-Bauern und beordert den König nach g3 zurück. Pragg entschied sich für die sichere Variante, was objektiv den Gewinn verspielte. In der Folge gelang es Gukesh die Partie durch weiterhin präzises Spiel zu remisieren.


Die bislang wichtigste Partie von Pragg und Gukesh gewann bekanntlich Gukesh in der zweiten Runde beim Kandidatenturnier in Toronto 2024. Pragg hatte zwei Bauern in der Eröffnung geopfert und seinen Gegner damit früh unter Druck gesetzt. Gukesh verbrauchte viel Bedenkzeit, fand aber eine gute Verteidigung. Die Partie verblieb zunächst objektiv betrachtet gleich. In der hier betrachteten Stellung konnte Weiß im Einundzwanzigsten einen sehr kreatives Opfer seines Turmes anbieten, indem er mit seinem Turm auf d5 nimmt. Pragg spielte nicht so, sondern stellte seinen Läufer nach g5, was weniger gut war. In der Folge ging es noch etwas Hin und Her, aber Gukesh schien immer alles weitgehend unter Kontrolle zu haben. Am Ende reichte es für ihn zu einem wichtigen Sieg mit den schwarzen Steinen. Die Dramatik der Partie ist selbst eine eigene Erzählung wert, aber nicht unser Thema heute.

Diesmal blieb das ganz große Drama in der Begegnung aus. Aber es gab einen lehrreichen Moment, den wir festhalten wollen.


Runde 8: Praggnanandhaa – Gukesh

Gukesh steht hier vor seinem dreiunddzwanzigsten Zug. Pragg hatte zuletzt seinen Turm von d1 nach b1 gezogen und so den Gegner daran gehindert, mit dem Turm auf b2 einzusteigen. Auf den Springerzug nach a3, der Turm und Dame attackiert, kann Weiß auf b8 zunächst einen Turm tauschen. Der schwarze Springer auf c4 hemmt die weiße Stellung und ist eine Augenweide. Zu den Stellungsmerkmalen gehört, dass der Bauer auf a4 dem gegnerischen Turm auf b3 ein wichtiges Feld nimmt. Gukesh hatte zuvor alles getan, um den Bauern auf c6 mit seiner Dame von e8 aus zu attackieren. Jetzt konnte er mit seinem Turm nach d8 ziehen, dieser war von e8 gestartet und auf d8 verblieb Schwarz das wichtige Feld e8. Nicht einfach zu sehen, aber ein bemerkenswerter Moment. Gukesh ist ein Spieler, der vor allem durch seine Rechenfähigkeiten hervorsticht. Hier allerdings fand er die beschriebene positionelle Lösung nicht und zog seinen Bauern nach a3, was als ein konkretes Vorgehen bezeichnet werden kann. Die Partie wäre auch danach weiter im Gleichgewicht gewesen, aber Pragg stünde weiter hinten drin.

Die Partie verflachte nach einigen präzisen Zügen und die Spieler einigten sich letztlich auf Remis. Da auch der dritte Spitzenreiter Nodirbek Abdusattorov über ein Remis nicht hinaus kam, blieb das Trio mit fünfeinhalb Punkten weiter vorne.





Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.

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