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Pragg mit Ausrufezeichen

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit

Praggnanandhaa (19) war der erste Führende im Turnier. Dann hagelte es eine Niederlage gegen Anish Giri und der Inder verlor etwas den Kontakt zu Gukesh und Nodirbek Abdusattorov. Es folgten Siege gegen Vladimir Fedovseev, Fabiano Caruana und Alexey Sarana. Nach 12 Runden ist Pragg wieder dran.

Nach einem Blitzstart mit 3.5 aus vier hatte Pragg in der ersten Hälfte überzeugt. Lediglich sein Unentschieden gegen Nodirbek zu Beginn war etwas wackelig. Dann folgte eine Phase mit vier Remispartien in denen der Inder einiges versuchte, aber letztlich nicht erfolgreich war. In den Runden neun bis zwölf kamen vier entschiedene Partien hinzu.

(Ergebnisse: Chess-Results )

Anish Giri – Praggnanandhaa 1 – 0

Die Partie verlief lange Zeit entlang strategischer Bahnen. Der Inder hatte positionell einen nicht ganz einwandfreien Aufbau gewählt und sein Stellung krankte etwas an seinem eingemauerten Läufer auf b7 und weniger Raum. Bis dann der Niederländer eine radikale Lösung wählte und die Situation auf dem Brett sich verschärfte.


In dieser Stellung im 27. Zug konnte Weiß geduldig seinen Vorteil weiter ausbauen und seinen Springer nach d3 beordern. Weiß verfügt auf der Habenseite neben dem Raumvorteil über das Läuferpaar und der Bauer auf e3 fällt kaum ins Gewicht. Anish Giri wählte stattdessen eine radikale Lösung und nahm zunächst mit dem Springer auf d5 und rückte seinen c6-Bauern vor, um die geopferte Figur zurück zu gewinnen. Das hat allerdings den Nachteil, dass Weiß damit auf seine langfristigen strukturellen Vorteile verzichtet, um die c-Linie zu öffnen für ein vorteilhaftes Endspiel. Man könnte sagen, die Entscheidung ist zweischneidig gewesen.


Erst in dieser Stellung kippt die Partie endgültig. Nach anderthalb von zehn Minuten spielt der Inder hier den hässlichen Zug f7-f6 und es kommt zu einem schlechterstehenden Endspiel nach späteren Damentausch auf der c-Linie. Giri gibt seinem Gegner danach keine Chance mehr. Pragg sollte in der hier dargestellten Stellung den Druck des Gegners auf der langen Diagonalen ignorieren und selbst zum Gegenangriff übergehen. Schwarz konnte entweder hier seinen Springer nach b6 überführen, um diesen später nach c4 zu stellen mit Angriff auf e3 und b2. Oder er ignorierte die Bauerngabel des Gegners und zieht seinen a-Turm nach e8 und nimmt den Bauern auf e3 direkt ins Visier.


Praggnanandhaa – Vladimir Fedoseev 1 – 0

Pragg hatte in den zurückliegenden Jahren festgesellt, dass seine Physis nicht ausreichte, um das Turnier in Wijk aan Zee auf dem gleichen Level zu beenden. Besonders 2023 war das auffällig gewesen. 2024 lief es dann schon besser mit elf Remispartien und zwei Siegen blieb zumindest der Einbruch in der Schlussphase aus. Als Vorbereitung für das Kandidatenturnier hatte der Junge aus Chennai auch daran gearbeitet. In der neunten Partie wählte sein Gegner bereits früh das Chaos und der Inder bekam eine ordentliche Stellung und baute seinen Vorteil zunächst sukzessive aus. Fedoseev allerdings gelang es mit findigem Spiel sich bis zum dreißigsten Zug im Spiel zu halten. Mehr als knapper Ausgleich war aber nie drin.


Vladimir Fedoseev gilt als unkonventioneller Spieler. Aber nach dem Abtausch des Läufers auf f6 mit dem g-Bauern zurück zu nehmen ist doch etwas zu viel der Kreativität. Fedoseev ist gebürtiger Russe und spielt inzwischen für Slowenien, da er den Krieg mit der Ukraine ablehnt. Er gehört damit zu mehreren ehemaligen russischen Großmeistern, die das Land verlassen haben. Bei der Schacholympiade war es ihm gelungen Magnus Carlsen zu besiegen und in Wijk hatte Fedoseev gegen Fabiano Caruana voll gepunktet. Zuletzt war hinzugekommen, dass er sich für das Freestyle Turnier qualifizieren konnte. Dort wird mit ausgelosten Stellungen begonnen, die zumindest in der Eröffnungsphase kreative Lösungen erfordern.


In dieser spannenden Stellung schlägt der Maschinenraum für Pragg als Alternative vor, zunächst auf g4 zu schlagen, also die Dame zu geben. Das ist freilich keine einfache Entscheidung und man kann verstehen, dass der Inder stattdessen seine Dame nach f1 zurück zog. Tatsächlich markiert diese Situation den letzten Moment in der Partie zu dem Fedoseev die Stellung wieder ins Gleichgewicht bringen konnte. Danach verhedderte sich Fedoseev allerdings zusehends und Pragg gab ihm keine zweite Chance.


Fabiano Caruana – Praggnanandhaa 0 – 1

Der Inder inszeniert an diesem Tag einen Faustkampf und gewinnt. Fabiano Caruana musste mit Plus Eins in der elften Runde unbedingt gewinnen, um noch eine Chance auf die vorderen Plätze zu haben, vielleicht ließ er sich deshalb darauf ein. Die beiden Kontrahenten bekamen eine Carlsbader Struktur mit asymmetrischen Bauern im Zentrum auf das Brett. Die lange Rochade ist für den Anziehenden eher eher seltene Entscheidung. In den taktischen Verwicklungen dieser Partie fand sich der jüngere Spieler jedenfalls besser zurecht und heftete einen der seltenen 2800er Scalp an seinen Gürtel.


Fabiano Caruana stand hier vor seinem 13. Zug. Sein Gegner hatte am Damenflügel seine Bauern nach vorne getrieben und es war an der Nummer Zwei der Welt dagegen zu halten. Die richtige Antwort dürfte Schachtrainer und Lernende begeistern, denn genau das lernt man im Training. Allerdings suchen im Spitzenschach auf höchster Ebene die Spieler oft die Ausnahme und nicht die Regel bestätigt zu finden. Die Antwort findet sich in der ausführlichen Analyse.

Beide Spieler hatten nur noch wenig Bedenkzeit für acht Züge, wobei der US-Amerikaner mit etwas mehr als anderthalb Minuten sogar etwas weniger hatte. Zuletzt hatte er seine vom Springer c5 attackierte Dame von d3 nach nach e3 gezogen. Warum war das ein Fehler? Pragg ließ sich jedenfalls nicht zweimal bitten.


Praggnanandhaa – Alexey Sarana 1 – 0

Es kommt nicht so häufig vor, dass im Meisterschach auf der höchsten Ebene ein Spieler drei Partien hintereinander gewinnt. Pragg gelingt dieses Kunststück gleich zweimal in diesem Turnier. Nach der Partie hatten die Spieler noch Zeit die wichtigsten Momente durchzugehen.


Der entscheidende Moment. Zuletzt hatte Alexey seinen Springer nach b5 gezogen und dachte die Stellung ausreichend befestigt zu haben. In Wirklichkeit war sein letzter Zug der spielentscheidende Fehler. Pragg zertrümmerte die gegnerische Deckung durch das Springeropfer auf a6. Bemerkenswert ist wie er in der Folge seinen scheinbar toten Springer h4 in den Angriff mit einbezog. Ein modernes Lehrbuchbeispiel für einen effektiv vorgetragenen Angriff.


Wijk 2025: Gukesh oder Pragg?

Vor der dreizehnten, der letzten Runde im Tata Steel Masters 2025 führen Praggnanandhaa und Gukesh punktgleich mit achteinhalb Punkten die Tabelle an. Gukesh spielt mit Weiß gegen seinen Landsmann Arjun Erigaisi, der in Wijk arg gerupft wurde, aber zuletzt gegen Nodirbek den indischen Erfolg durch seinen ersten Sieg in turnierübergreifend 25 Partien im Masters sicherte. Pragg hat es in der letzten Runde mit dem deutschen Topspieler Vincent Keymer zu tun, der mit seinem Turnier insgesamt nicht zufrieden sein dürfte. Für Spannung ist gesorgt. Wieder einmal zeigt sich warum Wijk aan Zee bei Fans so beliebt ist.


Fotos: Jurriaan Hoefsmit und Lennart Ootes für Tata Steel Chess.

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