
Das letzte Vorrundenturnier der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) ist gerade vorbei. Das Finale steht an. Die DSAM ist die erfolgreichste Turnierserie im organisierten deutschen Schach und motiviert jedes Jahr viele Schachspieler an Wochenenden ihre Sieger auszuspielen. Der Erfolg hat sicherlich mit der hervorragenden Organisation und einem unauffälligen Team zu tun, das für die eingespielten Abläufe zuständig ist.
Zusammenfassung
Sandra Schmidt ist bekannt in der deutschen Schachszene. Sie fungiert als Turnierdirektorin der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) und ist auch für die Deutsche Schnellschach-Amateurmeisterschaft zuständig. Zudem ist sie als Schiedsrichterin aktiv und organisiert Seniorenturniere. Eines dieser Turniere wird von der Tegernseer Tal Tourismus organisiert, dabei betreut sie den schachlichen Teil. Sandra beschreibt ihre vielseitigen Aufgaben als Turnierorganisatorin, bei denen sie Hotelverträge verhandelt und Vorbereitungen koordiniert. Seit 2022 organisiert sie für die DSAM acht Turniere pro Jahr, wobei die Hauptaktivität im November ansteht. Trotz des ehrenamtlichen Charakters bringt ihr die Schiedsrichter- und Organisationstätigkeit viel Freude. Ein festes, gut eingespieltes und motiviertes Team von zehn bis elf Personen sorgt für reibungslose Abläufe bei der DSAM.
Von Thorsten Cmiel
Wie heißt du?
Ich bin Sandra Schmidt.
Du bist bekannt in der deutschen Schachszene. Für was? Was machst du im Schach?
Ich bin die Turnierdirektorin der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft. Und ich bin auch Beauftragte für die Deutsche Schnellschach-Amateurmeisterschaft und auch als Schiedsrichterin viel unterwegs.
Turnierorganisation
Du hast diese zwei Funktionen. Du organisierst auch Seniorenturniere…
Ach, stimmt.
Kannst du deine Rolle bei der Turnierorganisation ein bisschen beschreiben? Was macht eine Turnierorganisatorin?
Puh, eine ganze Menge. Also bei der DSAM sicherlich noch mehr als vielleicht beim Senioren-Cup. Man verhandelt die Verträge für die Hotels, man stimmt Termine mit den Landesverbänden ab und organisiert das Team. Vor Ort bin ich dann oft Mädchen für alles: Ansprechpartner für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen und gleichzeitig Funktionsstelle, also die Leitung für den Deutschen Schachbund, für die Hotels, für die Teilnehmerinnen und für das Team.
Kommen wir für einen Moment auf die Seniorenturniere zurück. Das sind privat organisierte Turniere, richtig?
Das sind zwei Turniere. Der Senioren-Cup am Tegernsee und das Rheinland-Pfalz Senioren-Open in Altenkirchen.Da gibt es unterschiedliche Aufgaben für mich. Am Tegernsee zum Beispiel wird das Turnier von der Tegernseer Tal Tourismus GmbH organisiert. Und wir machen den schachlichen Teil. Das Organisatorische, was mit Hotelbuchungen zu tun hat, bleibt bei der Tegernseer Tal Tourismus und die Anmeldung der Teilnehmer.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Hotels? Ich höre immer wieder, dass viele Hotels inzwischen Geld dafür verlangen, dass man einen großen Saal bekommt.
Das stimmt. Das ist gang und gäbe im Moment. Den Saal bekommt man selbst wenn man ganz viele Teilnehmer ins Haus bringt, eigentlich nicht mehr gratis dazu.
Wie lange machst du das schon?
Seit 2022 für die Deutsche-Schach-Amateur-Meisterschaft, die DSAM.
Wie viel Zeit erfordert die Organisation im Vorfeld?
Das kommt natürlich drauf an. Teilweise ist es sehr zeitintensiv, denn alles, was man macht, macht man acht Mal und alles, was man macht, klappt auch nicht beim ersten Mal. Also der erste Vertragsentwurf zum Beispiel…
Achtmal, weil es acht Turniere sind bei der DSAM…
Genau. Es sind sieben Qualifikationsturniere. Wenn man jetzt das Beispiel nimmt und ein Finalturnier, das heißt, alles, was man anfasst, macht man achtmal. Man organisiert das Team achtmal, man organisiert den Gastgroßmeister, achtmal. Die Hotelverträge müssen mehr als acht Mal durchgelesen werden, weil der erste Entwurf ist nicht der Entwurf, der am Ende unterschrieben wird. Und oftmals klappt vielleicht auch der Termin nicht vom ersten Entwurf, das heißt, man muss dann wieder Rücksprache mit den Landesverbänden halten, ob die irgendwelche Termine geplant haben zu diesem Zeitpunkt, der als Ersatztermin fungiert. Es funktioniert leider nicht immer sofort.


Kannst du einen Eindruck davon vermitteln, wie viele Tage solch eine Turnierorganisation in Anspruch nimmt? Wann fängst du an mit der Planung? Ich weiß du bist jetzt wieder in der Planung für die nächste Saison.
Genau. Jetzt fehlt uns noch eine Unterschrift. Quasi für die nächste Saison. Das heißt, wenn ich diese Unterschrift habe, dann ist die nächste Saison fix. Dann muss ich mich eigentlich nur noch mit der Finalveranstaltung befassen. Das Turnier in Bad Wildungen im Juli. Und dann wird es für mich ein bisschen ruhiger, weil dann geht es eigentlich nur noch mit der Gestaltung der Ausschreibung für nächstes Jahr los. Was können wir ändern? Was können wir besser machen? Was bleibt gleich? Richtig stressig wird es eigentlich erst wieder im November, wenn die nächste Turnierserie anfängt. Mit den Hotels müssen dann konkrete Absprachen getroffen werden. Jede Veranstaltung erfordert detaillierte Ablaufpläne. Das sind immer mehrere Seiten, die mit dem Hotel abgesprochen werden müssen und die Verhandlungen kollidieren dann manchmal zeitlich. Ich habe dann Bad Wildungen, Bonn und Potsdam zum Beispiel ziemlich straff hintereinander. Parallel finden dann schon die Verhandlungen für die nächste Saison statt. Das heißt, ich spreche vorbereitend mit den Hotels quasi für die Saison 26/27, die danach ansteht. Und gerade im November, Dezember, Januar würde ich den Zeiteinsatz mindestens als Teilzeitjob, aber stellenweise auch als Vollzeitjob einschätzen.
Und macht das Spaß?
Ja, auf jeden Fall macht das Spaß. Es ist in jedem Fall ein Herzensprojekt.
Du hast einen anderen Job?
Im Moment bin ich angestellt, für 20 Stunden die Woche. Ich mache meine Schiedsrichtertätigkeit auch an Wochenenden und am Tegernsee und in Altenkirchen mit jeweils neun Runden beispielsweise bin ich auch gerne dabei. Das lässt sich mit einem normalen Jobvolumen und dem Urlaubsanspruch sonst nicht einfach kombinieren.
Das heißt, du lebst also nicht vom Schach?
Das wäre leider nicht möglich.
Du bist oft als Schiedsrichterin unterwegs, ist das nicht lukrativer?
Als Schiedsrichterin verdienst du nicht so viel, dass du dir davon eine eigene Wohnung leisten oder den Lebensunterhalt bestreiten könntest. Wenn du vielleicht einmal im Monat ein FIDE-Turnier hättest, okay. Schiedsrichtertätigkeiten sind vielleicht ein besseres Ehrenamt.
Was heißt das genau?
Also beim Deutschen Schachbund zum Beispiel gibt es für Deutsche Meisterschaften fixe Honorarsätze. Für eine Einzelrunde bekommst du 80 Euro Honorar, für eine Doppelrunde 120 Euro.
Das klingt nicht nach sehr viel.
Es nicht darauf ausgelegt, dass die Tätigkeit als Schiedsrichter eine Jobalternative ist.
Du bist jetzt nicht die einzige und es gibt ganz viele Schiedsrichter in eurem Team. Viele sieht man öfter, manche immer wieder. Wie viele sind denn regelmäßig im Team dabei?
Wir haben in unserem Kernteam so circa zehn bis elf Leute. Es ist wichtig, dass ein Kernteam immer vor Ort ist, weil die wissen genau, wie die Abläufe sind, die kennen jeden Handgriff. Wir haben fünf Container auf Europaletten und einige wissen wo was gelagert ist. Andere kennen die spezielle Software und welche Dateitypen wie zu handhaben sind und so weiter. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, wir sind jetzt beispielsweise in Potsdam oder in Berlin und da gibt es genug Schiedsrichter. Dann statten wir solch ein Turnier komplett mit Berliner Schiedsrichtern aus, weil dann spart man vielleicht bei den Reisekosten, aber dafür würden manche eingespielten Abläufe nicht so gut funktionieren, wie es im Moment läuft.


Im Team sind also alle motiviert und mit Spaß dabei?
Ja, also es macht keiner, um irgendwie Geld zu verdienen.
Das Kernteam der DSAM ist eine Art eingeschworener Gemeinschaft?
Ja. Wir sehen uns natürlich immer gerne. Nach einem erfolgreich absolvierten Turnier ist vor dem nächsten Turnier.
Im Vergleich zum letzten Jahr gab es Änderungen: Ihr habt keine Übertragung mehr. Gibt es dafür irgendwelche Gründe?
Doch, haben wir auch, nur diesmal hier nicht. DGT-Bretter hatten wir letztes Jahr auch nicht bei jedem Turnier dabei gehabt. Der Hauptgrund ist der zusätzliche Aufwand.
Ich sehe gar keine Fairplay Officer, die mit irgendwelchen Scannern rumlaufen wie bei FIDE-Turnieren inzwischen üblich?
Natürlich sind wir da hinterher und wir haben auch mit dem Anti-Cheating-Officer des DSB ein Gespräch geführt, dass wir darauf natürlich mehr achten möchten. Kontrollen verändern den Charakter einer Veranstaltung. Wenn du auf einmal Einlasskontrollen durchführst. Wir wollen jetzt nicht am Eingang jeden scannen oder so etwas. Natürlich haben wir einen Scanner dabei. Wenn jetzt wirklich ein erhärteter Verdacht auftaucht, würden wir uns die Person nach der Partie gezielt herausholen und scannen. Wir achten natürlich darauf, dass keine elektronischen Geräte an der Person sind. Die ziehen wir uns auch raus, wenn wir denken, ist das jetzt eine Zigarettenschachtel oder ist das ein Handy? Wir kontrollieren auch schon mal die Toiletten. Die Schiedsrichter sind natürlich angehalten verdächtiges Verhalten zu beobachten und zu melden. Anders als bei großen FIDE-Turnieren übernehmen Schiedsrichter diese Aufgabe zusätzlich.
Nachvollziehbar. Ich frage vor einem anderen Hintergrund, da das Turnier Elo-gewertet ist, frage ich mich wie die Regularien sind. Oder gelten Anti-Cheating-Auflagen nur für Top-Turniere?
In der Tat es gibt unterschiedliche Kategorien von Turnieren. Also es kommt einmal auf das Preisgeld drauf an und es kommt auch auf die durchschnittliche Elozahl an und dementsprechend musst man unterschiedliche Anti-Cheating-Gegenmaßnahmen integrieren. Die DSAM ist ein Amateurturnier. Da ist der Standard geringer.
Es geht vermutlich auch um Kosten.
Ja. Stellen wir uns vor, man müsste einen oder zwei zusätzliche Schiedsrichter einplanen, die nur für Fairplay zuständig sind. Dann muss ich mindestens vier zusätzliche Übernachtungen, Honorare und zusätzliche Anfahrtskosten finanzieren.
Rechnest du die Veranstaltungen mit dem Schachbund ab, oder wie läuft das?
Ja, ich mache auch die Kalkulation, um am Ende des Jahres mit der DSAM irgendwie auf einen grünen Nenner zu kommen.
Das Vereinnahmen des Geldes läuft direkt über den Deutschen Schachbund?
Genau da gibt es ein Konto extra für die DSAM und dort wird das Geld eingezahlt und verwaltet. Ich kenne die Einnahmen und Ausgaben.
Eine weitere Besonderheit bei dem Turnier ist mir aufgefallen: Ihr habt keine Durchschläge der Partieformulare eingesammelt.
Dafür haben wir Ergebnismeldezettel auf den die Spieler ihr Ergebnis eintragen und uns mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass dieses Ergebnis stimmt.
Muss man Partieformulare nicht immer sammeln?
Nein. Das gilt zum Beispiel für Turniere bei denen man Normen erwerben kann, dann müssen die Organisatoren auch die Partien entsprechend einreichen. Aber das ist ja bei uns gar nicht möglich.
Schiedsrichtertätigkeit
Du warst als Schiedsrichterin zuletzt bei zwei internationalen Turnieren. Bei beiden bist du aufgefallen.
Aufgefallen?

Ja. Mir zumindest. Bei einer Szene mit Nakamura…
Stimmt.
Was ist da passiert?
Ich hatte ein Tablet in der Hand mit einem Programm, das anzeigt, ob dreifache Stellungswiederholung oder 50-Züge vorliegt, wenn reklamiert wird. Und am Brett von Nakamura – Donchenko, da wurde halt reklamiert. Und zwar stand Nakamura einen Zug vor dem Matt. Er hätte also nach dem Zug von Donchenko mit dem Turm mattsetzen können. Donchenko hat einfach die Uhr angehalten und gefragt, vielleicht waren es ja 50 Züge, wenn ich Glück habe. Und es war meine Aufgabe, das zu überprüfen. Das Problem war nur, dass dieses Tablet eine gewisse Verzögerung bei der Übertragung hatte, weil der Server für die Übertragung ziemlich weit weg auf einem anderen Kontinent stand. Und das Pingback zurück nach Amerika hat ein bisschen gedauert. Ich musste also zunächst auf meinem Tablet prüfen, ob das überhaupt die aktuelle Stellung ist. War es nicht. Das heißt, ich musste einen Zug weiterdenken. Und wenn man sich vorstellt, dass es um Nakamura ging und dann war es auch noch die letzte Partie in der Runde. Es hat für mich ein paar Sekunden gedauert, bis ich es verarbeitet habe.



Die Szene gibt es als Video.
Und es war wirklich eine korrekte Reklamation. Es waren genau 50 Züge. Es war im 78. Zug, wo der letzte Bauer geschlagen wurde im 128. kam die Reklamation.
Das ist natürlich spannend. Das ist wahrscheinlich etwas, was man sich unter Schiedsrichtern erzählt.
Ja, natürlich machst du das dann. Und dann gehst du irgendwann ins Büro und denkst hoffentlich war das jetzt richtig gewesen. Wenn nicht, dann weiß ich genau, was los ist, bei Social Media.
Gab es dort auch einen Vorfall?
Eigentlich war das ein relativ ruhiger, entspannter Job, wenn man das mit New York vergleicht. Da war sicherlich ein bisschen mehr los. Es gab nur ein kleineres Problem. Es war ein wärmerer Tag gewesen und hatte auf die DGT 3000 [*das ist die Schachuhr] geschienen, die Anzeige fing ein bisschen an zu flimmern, so optisch. Das hat aber auch nur jeder zweite gesehen. 50 Prozent der Spielerinnen haben es gesehen, die andere Hälfte nicht. Das galt auch für uns Schiedsrichter. Ich hatte es gesehen. Gerhard nicht. Es war halt irgendwie so eine optische Täuschung wie an der Straße, wenn die Hitze hoch steigt, dann fängt das halt an ein bisschen zu flimmern. Und so war das bei der Uhr. Es war meine ich in der sechsten Runde eine Spielerin drückte die Wippe, aber die Zeit lief trotzdem weiter. Das war vielleicht der spannendste Fall für uns in den neuen Runden.
Das klingt relativ entspannt. Ihr hattet auch einen Ruhetag dazwischen.
Der war vorgesehen für die Öffentlichkeit, das war halt so ein Social-Media-Tag.


Aufgefallen ist mir ein Foto mit den Spielerinnen und alle in einer Tracht, so nennt man das glaube ich. Habt ihr die nur ausgeliehen bekommen für diesen einen Fototermin? Oder haben sie euch diese wenigstens geschenkt?
Ja, total großzügig. Tatsächlich war das ein Goodie vom Organisator. Also wir durften die Dirndls dann auch tatsächlich behalten. Ich habe meins noch und werde das irgendwann in Bayern anziehen.


Die Partien fanden in einer Art Wintergarten oder Laube statt. Wie war die Atmosphäre? Der Spielort war malerisch, aber irgendwie weit weg.
Die Spielerinnen hatten ihre Ruhe und wirklich tolle Zimmer. Soweit ich von den Spielerinnen mitbekommen haben, war es von den Spielbedingungen her eines der besten Turniere der FIDE-Grand-Prix-Serie der Frauen.


Senioren Schach Cup – Der Senioren Schach Cup am Tegernsee
Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft 7³ 2024/2025
Deutsche Schnellschach-Amateurmeisterschaft 2025
Fotos: New York Rapid und Blitz WM 2024: Maria Emelianova (Chess.com) und Lennart Ootes. Frauen Grand-Prix Österreich: Przemek Nikiel (FIDE CHESS). DSAM: Ingrid Schulz (DSB).