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Singapur Kehraus

Von Thorsten Cmiel

Drei intensive Wochen gefüllt mit grandiosem Schach und zuletzt vielen Emotionen gehen heute zu Ende. Wir haben einen neuen Weltmeister. Gukesh heißt der Junge. Manche Geschichten sind noch nicht aufgeschrieben und manche werden vermutlich nie erzählt. Manche Gespräche kommen noch, andere sind für die Schublade, wie es neuerdings unter Schachjournalisten heißt.

Bildmaterial

Ich habe es genossen das angebotene Bildmaterial des Weltschachbundes FIDE zu nutzen. Nach meiner Vorstellung sollte Schachberichterstattung die Kombination aus hochwertiger Fotografie und engagiertem Text einsetzen, um das Produkt Schachsport besser zu vermarkten und tiefergehendes Interesse am Schachspiel zu wecken. Es gab in Singapur zwei offizielle Fotografen, die uns täglich mit hervorragendem Bildmaterial versorgten.

Chin An (Singapur)

Sein erstes Schachevent dokumentierte Eng Chin An. Er ist ein 27-jähriger Musikfestival- und Sportfotograf aus Singapur, dem nach eigener Aussage seine Arbeit hier viel Spaß gemacht hat in den letzten drei Wochen. Wer mehr über ihn erfahren will und seine Fotos, dem sei der Besuch seiner Homepage empfohlen. Ich hoffe das Turnier war nicht sein letztes Engagement in der Schachfotografie.


Maria Emelianova

Maria Emelianova (37) ist eine bekannte und langjährige russisch-englische Schachfotografin. Maria (Photochess) arbeitet als feste Fotografin für die Plattform Chess.com und dokumentiert Topevents. Wer mehr wissen will, der sei auf ihre Homepage verwiesen. Wenn ich es richtig sehe ist sie nicht ganz ausgelastet und versucht sich ebenfalls als Streamerin. In Singapur gehörte sie jeden Tag bei den Pressekonferenzen zu den eifrigsten Fragestellerinnen.


Broadcasting

Bewegte Bilder aus Singapur lieferte ein überwiegend niederländisches Team. Die Geschichte von Menno Pals, der sich mir als „Head of Broadcasting“ vorgestellt hat, seinem Unternehmen und seinem Team erzähle ich in einem anderen Zusammenhang. Auf den Fotos nicht zu sehen sind andere Teammitglieder: der als Fotograf bekannte Lennart Ootes und Freek Cool, der für den Einsatz der Künstlichen Intelligenz im Team zuständig ist. Das war in Budapest besonders wichtig, weil dort die Zahl der Kameras viel größer ausfiel.


Ab jetzt erlaube ich mir in diesem Beitrag die Qualität der Fotos erkennbar runter zu fahren. Alle Fotos ohne Namen eines Fotografen sind aus meiner Handykamera. Ich denke das sieht man meist. Macht nichts. Manche der folgenden Bilder erzählen Geschichten, die ich bisher gar nicht erzählen konnte.

Tagein Tagaus

Mein Arbeitstag in Singapur begann meist gegen zehn Uhr im Hotel Ora auf Sentosa Island. Ich bin ein Gewohnheitstier und daher kombinierte ich fast jeden Tag eine heiße Schokolade mit einem Mandelteilchen. Die Preise waren anspruchsvoll auf der Vergnügungsinsel und diese Kombination kostete umgerechnet etwa 14 Euro. Dafür hatte ich einen Arbeitsplatz und wurde zufrieden gelassen. Zudem sind Singapur und die Vergnügungsinsel bestens digitalisiert und überall gab es von den Hotels angebotenes frei zugängliches schnelles WLan.

Die Partien begannen erst um 17 Uhr, also selbst für Schachprofis eher spät am Tag. Für Journalisten ergab sich daraus ein Problem, denn die Partien dauerten fast immer mindestens vier Stunden. Danach gab es eine etwa halbstündige Pressekonferenz und wir waren meist zu spät für die Restaurants auf Sentosa Island. Die erste Anlaufstelle für Essen nach den Partien war in den ersten Runden die Kantine des Spielkasinos. Über das Treiben dort könnte man einige Geschichten erzählen. Ich fasse mich kurz: Wir haben dort viele Asiaten gesehen, die gelangweilt ihr Geld verspielten. Ich erfahre, dass Singapurer dort Eintritt berappen müssen, was gegen die Spielsucht Einheimischer wirken soll. Das Geld von Touristen ist natürlich herzlich willkommen. Es blinkt überall im Kasino, unzählige einarmige Banditen sind in dutzenden langen Reihen aufgestellt. Was wie Entertainment aussieht ist nichts anderes als ein Geldschlund neben dem anderen. Selbst das altehrwürdige Roulettespiel wird hier nur elektronisch angeboten. Ich habe nicht versucht in diesem Spieltempel Fotos zu machen, da das verboten ist.

Anfangs fanden Gespräche unter deutschen Journalisten nach den Partien in der Kantine des Kasinos statt. Das Essen war preiswert und wie in einer der unzähligen Garküchen in Singapur. Zu Ullrich und mir gesellte sich einmal im Casino Harry Schaack Chefredakteur und Herausgeber des Schachkulturmagazins Karl. Harry schlug eines Abends vor in Chinatown Essen zu gehen. Das war ein kulinarischer Aufstieg, den wir an den folgenden Tagen öfters in Anspruch nahmen. In Chinatown sind die Küchen nachts länger geöffnet. Gegessen habe ich viele Gerichte, deren Namen ich nicht wiedergeben kann und die ich via Bildern in den Karten ausgewählt habe. Um es kurz zu machen: das Essen war hervorragend. Wer gutes Essen mag, der dürfte in Asien fündig werden.

Einen Abend verbrachten wir in Chinatown, um einen unerwarteten Preis der FIDE für Ulrich Stock von der „Die ZEIT“ zu feiern. Uns war nicht so ganz klar warum er den Preis bekam, denn die Laudatio war schnell verlesen worden und später nicht zu haben. Am gleichen Tag wurden beispielweise noch Leontxo Garcia und Mike Klein von Chess.com und manche eigene Mitarbeiter der FIDE ausgezeichnet. Maria Emelianova bekam einen Preis für ihre Fotoarbeiten. Immerhin schick sah er aus.

Ich versuchte ein Interview mit Ulrich zu machen, aber es war nicht sein Tag und vermutlich wandern meine Aufzeichnungen in die Schublade. Ulrich war am Morgen sein Handy irgendwann runtergefallen und ein weißes Hemd bei einem scharfen chinesischem Pot, das ist eine Art Suppe in der wir unterschiedliches Fleisch gegart haben, war keine Idealkleidung. Das Unterfangen führte unweigerlich zu einer farblichen Veränderung des Shirts.

Mehr zum Thema Garküchen findet sich in einem Artikel, den ich für die Zeitschrift Schach verfasst habe. Inklusive einiger Fotos von Sehenswürdigkeiten, die ich in der Nähe des Finanzzentrums entdeckt habe. In einem bekannten Hotel hatte einer, der hier in Singapur keine Rolle spielte, halb nackt am Brett gesessen. Ulrich Stock hat es für Die ZEIT aufgeschrieben. Einige Artikel finden sich hier.


Little India – Wer ist Gukesh?

Am Ruhetag nach der zwölften Runde fand ich Zeit mir Little India anzuschauen. Hier meine unbearbeiteten Notizen vom Tag.


Aus der Vivo City geht es in der Harbor Front Station in die Nordost Linie, eine von sechs U-Bahn-Linien in Singapur in Richtung Little India, nach zwei Stationen passiert man Chinatown, das ich bisher dreimal, aber immer nur nachts besucht habe. Meist aus kulinarischen Gründen und einmal endete ich mit einem US-Amerikaner und einem Briten in einer Cocktailbar, die zu den Top 50 in Asien gehört, hieß es. In Chinatown hatte ich dort an einem Abend Dopplings komischerweise mit Sauerkraut gegessen, was die Bedienung selbst verwunderte. Immerhin ihr Kollege konnte die eigene Karte übersetzen. In Chinatown sind die Restaurants zahlreich, günstig und wir waren bisher sehr zufrieden. Zurück muss man dann allerdings ein Taxi nehmen, um auf die Vergnügungsinsel Sentosa Island zu kommen. Dann kommt die Station Little India das Stadtbild ist geprägt von vielen kleinen Geschäften. Neben Schmuckläden, sind das vor allem Friseurgeschäfte und Obstverkäufer zahlreich vertreten. Unzählige Möglichkeiten Essen zu bekommen tun sich auf. Mein Reiseführer rät dazu die Gerüche aufzusaugen. Gold und Götter spielen eine Rolle, das sieht man an den Auslagen. Es gibt hier alles von Kitsch über T-Shirts bis hin zu Schuhen und Spielzeug. Auffällig für mich ist, dass es die Männer sind, die an den Nähmaschinen sitzen. Blumenbinden ist auch ein Handwerk, das man hier beobachten kann. Ich erinnere mich an Fotos indischer Spieler am Flughafen, die mit Blumengirlanden behängt werden. Was hat es damit auf sich? Rechercheauftrag an mich selbst. Ein Goldschmied ist hier neben dem anderen in einer der Straßen in Little India. Fotografieren der Schmuckstücke ist verboten. Neben filigran gearbeiteten goldenen Gehängen, die schwerer aussehen als sie sind, bieten einige Goldschmiede auch Diamanten.

In einem Laden in der Nähe der U-Bahnstation dachte ich eine spontane Recherche starten zu müssen. Chennai Trading heißt der Shop. Weder die Verkäuferin noch eine Kundin, die nach eigener Aussage aus Chennai stammt, wussten von der Schachweltmeisterschaft in der Stadt und Gukesh kannten die Frauen ebenfalls nicht….Vielleicht ist das jetzt anders.


Die Geschichte hinter diesem Foto ist teilweise bereits erzählt und handelt von einem massiven Elo-Export nach Asien. Ulrich Stock und ich hatten zur Abwechslung an einem Blitzturnier teilgenommen. Anfangs lief es bei mir gefühlt ganz gut, aber nach vier Punkten nach fünf Runden kam nur noch ein halber Punkt hinzu und was für einer.

Ich sah erst bei Ansicht des Videos von John Brezina, dass ich nach dem Schlagen des Turmes auf b3 im Schach (der Turm steht auf a4) stand und mein Springerschach auf b6 war damit ein illegaler Zug. Ich hätte also einen ganzen Turm verloren in der Situation. Wir haben es beide nicht bemerkt und so ging es munter weiter und endete Remis.


Diese namenlose* junge Frau ist aus St. Angeles und spielt seit der Pandemie Schach. Zum Schach ist sie wegen eines komischen Videos von Hikaru Nakamura gekommen, mit der Netflix-Serie Queensgambit hatte es nichts zu tun. Sie war in Asien und auf dem Weg nach Berlin zu einer Hackerkonferenz, wenn ich es richtig verstanden habe. Sie hörte von der Schachweltmeisterschaft in Singapur und suchte nach dem Match einen Spielpartner in dem Hotel in dem ich täglich morgens gefrühstückt habe. Ich hatte keine Zeit für eine Partie, aber später fand sich jemand. Immerhin konnte ich sie auf eine Veranstaltung am Nachmittag hinweisen, eine Autogrammstunde vor der Siegerehrung. Sie konnte ein Autogramm ergattern. Ich sah sie später in der Schlange stehen mit Hunderten anderen Fans. Einer davon ist dieser junge Spieler, der zusammen mit seinem Vater seine Präferenz offen zeigt.

*Ich wollte ihr eigentlich per e-Mail eine Nachricht zukommen lassen, aber meine Aufzeichnung unseres kurzen Gespräches ist gecrasht.

Im Vergleich dieser beiden Fotos erkennt man sehr gut, warum man auf professionelle Fotos zurückgreifen sollte.


Ein letzter Blick aus dem Hotelzimmer auf Sentosa Island am Abend vor der Abreise. Traumhaft.

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