
In einer Kraftleistung konnte Ju Wenjun die dritte Partie gewinnen. Die vierte Partie sah die meiste Zeit Tan Zhongyi vorne, die aber vor allem ihren Zeitvorteil konservierte, aber mehrere Chancen ausließ ihre Gegnerin vor noch größere Probleme zu stellen. Am Ende standen sich zwei Könige gegenüber. Es folgt ein erneuter Ruhetag.
Von Thorsten Cmiel
Der Wettkampf ist wieder ausgeglichen. Ein direkter Ausgleich ist keine einfache Angelegenheit, aber Ju Wenjun gelang diese Leistung sofort nach ihrer Niederlage in der zweiten Partie. Lange Zeit sah es nach einem Unentschieden aus, aber im Endspiel fand Tan nicht die richtige Aufstellung und nach einem ungenauen Manöver ging die Partie letztlich verloren. Auffällig ist der unbändige Kampfgeist beider Spielerinnen. Die Partien sind nicht mehr einwandfrei wie zu Beginn des Kampfes, aber für Spannung ist weiter gesorgt. Bislang scheinen beide Spielerinnen mit Schwarz vor allem auf Ausgleich bedacht zu sein. Beim Wettkampf zwischen Gukesh und Liren in Singapur im Dezember letzten Jahres schien Schwarz oft Schwarz die Farbe der Wahl zu sein.
Frauen-WM 2025 Shanghai | Partie 1 | Partie 2 | Partie 3 | Partie 4 | Gesamt: |
Ju Wenjun | 1/2 | 0 | 1 | 1/2 | 2 |
Tan Zhongyi | 1/2 | 1 | 0 | 1/2 | 2 |
3. Partie Ju Wenjun mit Kampfsieg
Die dritte Partie des Wettkampfes um die Schachweltmeisterschaft der Frauen 2025 dauerte fünfeinhalb Stunden und ist insofern keine einfache Kost. Die Partie blieb lange Zeit im Gleichgewicht. Letztlich setzte sich die Willensstärke von Ju Wenjun durch.
◽️ Ju Wenjun 🇨🇳 1 – 0 ◾️ Tan Zhongyi 🇨🇳
Game 3 | FIDE Women's World Championship Match♟ Match score: 1½ – 1½
↔️ Game length: 87 moves
📖 Opening: Sicilian Defence
⚙️ Variation: Kramnik Variation#JuTan #WomenInChess pic.twitter.com/iA7D2GYUMR— International Chess Federation (@FIDE_chess) April 6, 2025
Phase 1: Tan übersteht die Eröffnung ohne Probleme
In der Eröffnungsphase folgen die Spielerinnen scheinbar dem bekannten sizilianischen Muster. Ju Wenjun greift diesmal auf eine Spielweise eines ihrer Sekundanten zurück.

Phase 2: Ju Wenjun mit symbolischem Vorteil
Das Mittelspiel meistert Tan ohne Fehler und mit Kreativität. Sie erreicht ein fast ausgeglichenes Endspiel mit einem Bauern weniger aber ungleichen Läufern.

Phase 3: Es wird knapper im Endspiel
Endspiele mit ungleichen Läufern sind auch mit Türmen auf dem Brett keine einfache Angelegenheit. In dieser dritten Partiephase legt Tan Zhongyi unbemerkt in ihrer Bauernstruktur die Ursache für spätere Probleme. Zum Ende des hier betrachteten Abschnitts verteidigt sich Tan erstmals fehlerhaft und gerät in eine schwierige Stellung, die größere Präzision von ihr erfordert.

Phase 4: Die Verwertung nach einem Fehler
Mit immer weniger Bedenkzeit findet Tan zu Beginn der hier betrachteten vierten Phase dieser Partie keine ausreichende Verteidigung mehr und wird sich davon nicht mehr erholen. Ju Wenjun gewinnt letztlich verdient, macht sich die Arbeit aber gelegentlich komplizierter als notwendig. Dabei findet sie schwierige Verstärkungszüge, lässt aber einen einfachen Gewinn gegen Ende beispielsweise aus.






Partie 4
Tan Zhongyi blieb mit Weiß bei ihrer bisherigen Strategie, ihre Gegnerin vor allem auf der Uhr unter Druck zu setzen. Das gelang ihr immer wieder und sie hatte Chancen, spielte dann im Verlauf der Partie mehrfach jedoch weiter zu schnell und verpasste mehrere Gelegenheiten und Chancen auf Vorteil in verschiedenen Spielphasen. Mehrere Photos zeigen wie Tan, scheinbar unruhig wie ein Tiger, während der Partie unterwegs war. Von ihrer Gegnerin bot die FIDE hingegen nur Fotos am Brett an.
Eine erste Chance bot sich hier. Weiß muss hier nicht am Läufer auf e3 festhalten, der hier ohnehin vor allem Deckungsaufgaben erfüllt. Stattdessen war es eine gute Option hier den natürlichen Zug mit dem Springer nach e2 zu vollziehen. Weiß kann danach gutes Spiel reklamieren. Tan opferte stattdessen mit dem Läuferzug nach f4 zeitweise einen Bauern. Das ist zwar löblich und spricht für ihr nach der vorherigen Niederlage nicht komplett verloren gegangenes Selbstbewusstsein, war aber gleichzeitig unnötig, da sie eine gute Alternative zur Verfügung hatte.


Eigentlich sucht man in dieser Stellung mit Schwarz nach Möglichkeiten den eigenen Bauern unter günstigen Bedingungen zurück zu geben, um den gegnerischen Zentraldruck abzumildern und die Stellung dadurch auszugleichen. Welche Kandidaten kommen in Frage? Ein natürlicher Zug ist hier eindeutig der Damenzug nach f6. Eine andere Idee besteht im Turmzug nach c8 und falls die Dame auf a6 das materielle Gleichgewicht herstellt, konnte man mit b5 eine Besonderheit ausnutzen. Die Partie wäre danach sehr scharf geworden. Stattdessen zog Ju Wenjun hier ihren Springer nach b5 und zerstörte damit ihre eigene Bauernstruktur ohne ihren kleinen materiellen Vorteil erhalten zu können. Das gab ihrer Gegnerin erneut Chancen.

Mit dem Läufer, der das Feld b8 kontrolliert, gab es kaum einen Grund nicht auf b6 zu schlagen und materiellen Vorteil zu sichern. Stattdessen wollte Tan mehr und zog mit riesigem Zeitvorteil, aber erneut zu schnell, den eigenen Läufer nach d6. Das gab ihrer Gegnerin die Chance die Stellung erneut fast auszugleichen.

In dieser Stellung war Ju Wenjun am Zuge und musste sich im 34. Zuge entscheiden unter welchen Bedingungen sie die Damen tauschen will. Sie tauschte die Damen direkt, was ihrer eigene Bauernstruktur nicht half. Es war daher besser auf den Tausch auf e3 zu verzichten und der Gegnerin etwa mit dem Turmzug nach d8 eine Frage zu stellen.

Ein erneuter spannender Moment kurz vor der Zeitkontrolle erneut spielte Tan sehr schnell und zog ihren b-Bauern nach b4. Das sieht natürlich aus, aber sie konnte sofort ihren König via e2caktivieren und ihrer Gegnerin damit in größere Schwierigkeiten bringen. Die beste Verteidigung danach bestand in einer komplexen Spielfolge die Ju Wenjun vermutlich mit vier Minuten an Restbedenkzeit nicht gespielt hätte. Eine weitere Chance der Herausforderin war vertan.

Die Teams
Zumindest Teile der Sekundantenteams sind bekannt. Im Team von Ju sind Ju wird erneut von dem chinesischen Großmeister Ni Hua unterstützt, der ebenfalls aus Shanghai stammt. Die beiden arbeiten seit der Schacholympiade 2016 zusammen. Damals gewann das chinesische Frauenteam Gold (mit Ju und Tan). Zu ihrem Team gehört zudem der russische Großmeister Maxim Matlakov. Tan wird erneut wie in Toronto vom US-Großmeister Jeffery Xiong unterstützt. Zum Team gehört laut FIDE auch dessen Vater.

Homepage – Women’s World Championship 2025
Fotos: Anna Shtourman (FIDE CHESS).

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