
Die 65. Offene Stadtmeisterschaft endete mit einem klaren Favoritensieg. Der Gewinner ist Großmeister Alexander Bagrationi, der nur ein Remis in der letzten Runde abgab. Im Verlauf kam es zu vielen Überraschungen und dafür waren nicht nur Jugendliche verantwortlich: Zweiter wurde der Senior Igor Vlasov, Jahrgang 1964 vor dem Hamburger Isaac Garner.

Die vorderen Plätze. Es gab fünf Geldpreise. (Quelle: chess-results.com)
Hervorragende Spielbedingungen
Bei Schachturnieren sind die Spielbedingungen oft ein schwieriges Thema. Bei manchen Open sitzt man sehr beengt und bekommt wenig Platz zugestanden, um möglichst viele Teilnehmer unterzubringen. In Köln ist das anders. Der ausrichtende Schachverband kann bereits zum dritten Mal großzügige Räumlichkeiten des Versicherers Barmenia Gothaer für die Stadtmeisterschaft nutzen. Für die Partien standen Einzeltische zur Verfügung. Gespielt wurden sieben Runden an fünf Tagen. Jeder Spieler konnte in den ersten fünf Runden ein Bye nehmen, wofür er einen halben Punkt gutgeschrieben bekam. 153 Spielerinnen und Spieler im Alter von acht bis 80 Jahren machten mit, von denen 24 Jugendliche, 14 Frauen und 25 Senioren (geboren 1965 und früher) waren. Die Organisation übernahm vor allem der Vorstand des Kölner Schachverbands selbst. Die Siegerehrung fand im Freien statt, nachdem das Wetter eine kurze Regenpause einlegte.

Das Turnier gewann der 34-jährige Großmeister Alexander Bagrationi, dessen Name italienisch klingt, der aber georgischen Ursprungs ist. Alexander wurde in der Ukraine geboren, spielt unter israelischer Flagge und lebt mit seiner Frau und Kindern seit 2029 in Deutschland und spielt für den SV Hemer.
Einige Momente aus Partien des Siegers
Alexander Bagrationi gewann die ersten sechs Partien und einigte sich in der letzten Runde auf ein schnelles Remis. Allerdings war der Großmeister in einem Turmendspiel mit Mehrbauer schon in der ersten Runde unter Druck und benötigte letztlich die Hilfe seines Gegners. In der ersten Runde hatte sein deutlich schwächer eingeschätzter Gegner in einem Turmendspiel ordentlich Widerstand geleistet und die erste größere Überraschung war angerichtet, eigentlich.
So kurz vor dem Ziel: Der spielentscheidende Fehler unterlief dem Schwarzspieler hier. Der schwarze Turm gehört hinter den gegnerischen Freibauern und sollte von dort das Remis sichern können, da der weiße König seinen Bauern nicht wirklich unterstützen kann. Der richtige Turmzug war also der nach g1.
Eine starke Leistung gelang dem späteren Sieger gegen Michael Coenen, der hatte zwar im Verlauf des Mittelspiels mit Endspielcharakter Chancen, eine leicht nachteilhafte Stellung zu verteidigen, aber es gelang ihm letztlich nicht, aus dem Dschungel der Varianten zu entkommen.
Endspiele
In vielen Partien kam es zu interessanten Endspielen nach hartem, stundenlangem Wettkampf vorher. Einige Beispiele folgen: Ein anderer Favorit hatte Glück im Turmendspiel. Er gewann seine Partie, obwohl sein Gegner die Philidor-Verteidigungsposition eingenommen hatte. Dann kam es jedoch zu einem überraschenden Aussetzer.
In dieser Stellung entschied ein grober Fehler die Partie zugunsten des favorisierten Spielers. Die Frage kann hier eigentlich nicht lauten, ob man auf d6 den Turm tauschen sollte. Nach dem Turmtausch schlägt der weiße König auf der sechsten Reihe und betritt diese vor dem eigenen Bauern. Weiß gewinnt immer.
Das folgende Endspiel war eine der letzten Partien im Turnier überhaupt. In der Ausgangsstellung sollte die Remisbreite noch nicht überschritten sein, aber der Anziehende in dieser Partie hatte nur etwa ein Minute plus das Inkrement um sich zu verteidigen. Das ging dann irgendwann schief.
Das nächste Endspiel erfordert vor allem genaues Rechnen und das ist nach mehr als vier Stunden einer Turnierpartie oft nicht einfach fehlerfrei hinzubekommen. Das Diagramm zeigt die kritische Stellung der Partie. Der weiße Läufer auf g8 ist angegriffen. Weiß hat zuletzt mit dem Königszug ein Tempo verloren, wird es aber zurück gewinnen durch Angriff des Springers auf den Läufer (via c3 oder c5). Was ist schlimmer aus weißer Sicht? Ich nenne solche Entscheidungen Fifty-Fifty.

Erfahrung gegen Jugend
International ist diese Frage längst auf der Agenda. Nicht immer setzt sich der jüngere Spieler durch. In Köln kam es immer wieder zu solchen Duellen und gelegentlich setzten sich die jüngeren Spieler durch. Zwei Beispiele folgen. In der ersten Partie ist der Anziehende Jahrgang 2008 und der Schwarzspieler Jahrgang 1974. In der zweiten Partie war der Altersunterschied noch größer. Diesmal traten die Jahrgänge 2012 und 1967 gegeneinander an. Die Jungen zeigten starke Leistungen.

Duell der Senioren
Dieter Morawietz ist Internationaler Meister, Jahrgang 1963, und Igor Vlasov gehört zum Folgejahrgang. Beide landeten in den Preisrängen. Die Jugend (U18) vertrat Nelson Strehse, der als Vierter durchs Ziel lief. In der Definition der FIDE gehört auch Isaac Garner (Jahrgang 2006) zu den Jugendlichen (U20). Der Wettbewerb endete also in der Spitze diesmal etwa ausgeglichen .
Am Ende gab es in einer Regenpause die Preisverleihung unter Auslassen von längeren Reden. Letztlich bleibt die Hoffnung im nächsten Jahr wieder bei der Barmenia Gothaer im Kölner Süden Schach spielen zu dürfen.



Quelle: KSV-Meldung. Partien der Bretter 1 bis 10 und weitere Siegerlisten.
Fotos: KSV (Anton Kaiser)