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Divya Deshmukh – die indische Prinzessin

Foto: Lennart Ootes (Tata Steel India 2024)

von Thorsten Cmiel

Divya Deshmukh ist eine der talentiertesten jungen Schachspielerinnen Indiens. Schon früh zeigte sie außergewöhnliche Fähigkeiten und machte sich in der internationalen Schachszene einen Namen. Mit großem Talent und einem Ehrgeiz, der kaum zu bremsen ist, hat Divya bereits als Kind und Teenager Titel gewonnen.

Kaum eine andere Schachspielerin sammelt internationale Erfolge wie die am 9. Dezember 2005 geborene Inderin Divya Deshmukh. Nach zahlreichen nationalen und internationalen Titeln im Kindesalter ist der Teenager aus Nagpur, einer Stadt im zentralindischen Bundesstaat Maharashtra, im Jahr 2024 zu einem internationalen Superstar im Schach aufgestiegen.

Viele Schachspieler folgen einem Ritual zu Beginn und manche sogar nach dem Ende jeder Partie. Nach ihren Schachpartien unterschreibt Divya Deshmukh in Budapest die Partieformulare und baut die Figuren wieder in der Grundstellung auf. Immer. Lediglich die Könige werden in der Mitte positioniert, um zunächst der Elektronik und damit der Schachwelt das Ergebnis der Partie mitzuteilen. Nicht jeder Schachspieler ist so gut erzogen wie Divya. Das Aufbauen der Figuren bezeugt vor allem Respekt gegenüber dem Spiel. Ähnlich verhält sich ein anderer indischer Superstar, Gukesh, der sogar noch eine Art Bekreuzigungsritual anfügt.

Frühe Erfolge im Mädchenschach

Divya begann mit fünfeinhalb Jahren das Schachspiel. Zunächst wollte sie vor allem ihren Vater im Schach besiegen, also eine recht typische Motivation unter Schachspielern. Früh stellten sich erste Erfolge ein und oft war Divya die Erste, die bestimmte Leistungen erreichte. Beispielsweise war die Inderin die erste Frauen-Fidemeisterin im Alter von sieben Jahren. 2014 gewann Divya im südafrikanischen Durban die U10-Weltmeisterschaft der Mädchen und in 2017 folgte im brasilianische Poços de Caldas der WM-Titel in der Altersklasse U12. Im April 2019 gelang es Divya erstmals eine Ratingzahl von über 2400 Punkten zu erzielen, das repräsentiert einen Spielstärkelevel, der für das Erringen des zweithöchsten Titels im Schach, dem Titel eines Internationalen Meisters, notwendig ist. Dieses hohe Spielniveau konnte Divya zunächst nicht halten und ging mit einer Wertzahl von 2305 Punkten in die pandemiebedingte Zwangspause.

Partieende durch Stromausfall

2020 spielte Divya mit 14 Jahren für Indien am Frauenbrett bei der online ausgetragenen Schacholympiade, die mit gemischten Sechserteams ausgetragen wurde. Angeführt wurde das Team vom fünfmaligen Weltmeister Viswanathan Anand. Divya wurde für beide Finalpartien am Frauenbrett eingesetzt und bestand gegen die damals deutlich höher eingeschätzte Russin Polina Shuvalova. Die erste Partie endete Remis und dann in der zweiten Partie passierte aus indischer Sicht ein Drama. Es gab einen Stromausfall. Fans sahen auf dem Brett von Divya die folgende Situation.

Finale Online-Schacholympiade Divya Deshmukh – Polina Shuvalova nach 25….Kg8

Shuvalova ist komplett überspielt und hat kein Gegenspiel, da sie am Damenflügel unvorsichtig agiert hat. Gegen den heraufziehenden weißen Angriff am Königsflügel gibt es keine ausreichende Verteidigung mehr. Die Inderin wollte hier mit 26.Th2 fortsetzen Aber: Divya verlor offiziell zunächst ihre Partie, da jegliche Übertragungsfehler dem betroffenen Team angerechnet werden. Divya weinte vor laufender Kamera, fand aber wieder die Fassung. Der Leitungsausfall betraf allerdings nicht nur drei Partien der Inder an ihrem Spielort, sondern ein ganzer Kontinent war abgehängt. Der Weltschachbund fand ein nicht unumstrittenes gleichwohl salomonisches Urteil, beide Teams, Russland und Indien, wurden zu Goldmedaillengewinnern ausgerufen.

Bei der Schacholympiade 2022 in Chennai (Indien) gewann die damals 16-jährige Divya mit sieben Punkten aus neun Partien die Bronzemedaille am Reservebrett. Sie nannte diesen Erfolg zunächst „surreal“. Divya spielte für das zweite indische Team. Am ersten Brett von Indien B spielte Vantika Agrawal, die 7,5 aus elf Partien holte, ebenfalls ihre Mannschaftskameradin in Budapest 2024. Das zweite indische Team landete auf dem achten Platz. In der offenen Klasse sorgte ebenfalls Indien B für Aufregung und landete letztlich auf dem dritten Platz, einen Platz vor der ersten indischen Mannschaft.

(Foto: Lennart Ootes for Fide Chess)

2023 – überraschender Turniersieg als Ersatzspielerin

Erfolgreiche Sportler unterschiedlicher Disziplinen berichten immer wieder darüber. Es gibt Momente, die scheinbar einen Schalter umlegen und Sportlern einen Schub in ihren Karrieren verleihen. Vielleicht war der 2. September 2023 solch ein Tag in der Karriere von Divya Deshmukh. In der indischen Nationalbibliothek Bhasha Bhawan in Kalkutta gewann Divya das Tata Steel Frauen Schnellschachturnier vor der Favoritin und Weltmeisterin Ju Wenjun aus China. Dabei war die 17-jährige Inderin für das Turnier gar nicht vorgesehen. Divya sprang kurzfristig ein, da ihre Landsfrau Vaishali aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Divya war ohnehin gut in Form und hatte im Monat zuvor bei einem Openturnier in Abu Dhabi, also in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ihren Titel als Internationaler Meister klar gemacht.

Von Beginn an lief es gut für Divya, die mit der geringsten Elozahl im Feld und damit als krasse Außenseiterin startete. Nach einem Auftaktsieg gegen Harika Dronavalli und einem Unentschieden gegen die Weltmeisterin gab es scheinbar kein Halten mehr und nach fünf Siegen und zwei Remis in den ersten sieben Runden legte die Inderin ordentlich vor. Gegen die unter neutraler Flagge teilnehmende Russin Polina Shuvalova verlor Divya dann in der achten Runde nach einem unnötigen Bauernopfer, das ihre Gegnerin geschickt nutzte. Der Turniersieg schien in Gefahr, zumal Ju Wenjun zur Inderin aufschließen konnte. Divya musste mit Schwarz erstmals gegen die indische Spitzenspielerin Koneru Humpy ran und die Chinesin hatte Weiß gegen die Ukrainerin Anna Ushenina, die scheinbar einfachere Aufgabe. Dann wurde jüngere indische Schachgeschichte geschrieben und Divya erzielte ihren ersten größeren Erfolg bei den Frauen.

Humpy – Divya Tata Steel Rapid Kalkutta – Diagramm nach 39.Le2 von Weiß

Divya erkannte in dieser Stellung, dass sie eine taktische Chance hatte. Nach einem Rechenfehler ihrer Gegnerin streute die junge Inderin einen Zwischenzug ein, gewann die Partie und das Turnier. Ihr erster großer Erfolg im Frauenschach.

Pressekonferenz der Siegerinnen. Tata Steel India Rapid 2023.

Medaillen sammeln als Hobby

Divya sammelte, Stand Oktober 2024, bereits 23 Goldmedaillen bei 40 internationalen Events für Indien ein. Die Zahl der nationalen Titel kennt sie nicht einmal selbst. International ragen ihre drei Weltmeistertitel der Frauentitel in Asien 2023 heraus. Im Mai 2024 gewann Divya das Sharjah Challenger Turnier, ein Mixed-Event. Es fehlten ihr 16 Punkte bei der Performance und ein Gegner mit einem Großmeistertitel zu ihrer ersten GM-Norm. Im Monat danach gewann die Inderin in Gandhinagar, der Hauptstadt im indischen Bundesstaat Gujarat, die Weltmeisterschaft der Juniorinnen mit zehn von elf möglichen Punkten. Sie war haushohe Favoritin, aber diesem Druck, zumal im eigenen Land, muss man erst einmal standhalten. Es gelang der Inderin überzeugend. Im August 2024 übernahm Divya erstmals die Spitzenposition in der Weltrangliste der Juniorinnen. Im September kamen zwei Goldmedaillen bei der Schacholympiade hinzu im Team und am dritten Brett. Die gemischte Teamwertung nach der Schachlegende Nona Gaprindashvili benannt, gewann Indien ebenfalls. Ihre Elozahl schraubte die Inderin von 2420 im Januar 2024 auf 2490 in der Dezemberliste

Divya und ihre Mutter. Fide Chess GP Shymkent Foto: Konstantin Chalabov (Fide Chess)

Trotz harten Schachtrainings seit ihrer Kindheit absolvierte Divya ihre Schulprüfungen und in 2024 kamen ihre Examina in der Oberprimarstufe 12 hinzu. Ihre Eltern sind Doktoren, was in Indien kein seltener Background bei Schacheltern zu sein scheint. Ihre Mutter Namratha gab ihren Job auf als Divya etwa fünf Jahre alt war, um die Schachkarriere ihrer jüngsten Tochter zu fördern, als Chess Mom. Sie begleitete seither meist ihre Tochter. Divya wurde von der Schule ebenfalls unterstützt, indem ihre Ausfallzeiten für die Teilnahme an Schachturnieren und Trainings toleriert wurde. In einer Frühphase ihrer Karriere war Divya jeden Monat für eine Woche in Chennai in der Schachakademie von Ramesh RB und seiner Frau Aarthie Ramaswamy. Mit 14 Jahren sagte Divya in einem Interview mit Sagar Shah, dem Gründer von Chessbase India, dass ihre Karriereplanung wie die von Hou Yifan aussieht: Zunächst will sie Weltmeisterin werden und dann ein Studium starten.