Connect with:
HomeGesprächeMichael S. Langer: „Die Macht ist mit Alexander von Gleich.“

Michael S. Langer: „Die Macht ist mit Alexander von Gleich.“

Auf dem Kongress des deutschen Schachbundes in Paderborn ging es nach zwei Jahren der finanziellen Konsolidierung wieder einmal hoch her. Im Gespräch ordnet Michael Sebastian Langer, Multifunktionär aus Niedersachsen, das Geschehen ein, erklärt wie die Wahlen abliefen und die Ergebnisse einzuordnen sind. Langer blickt verhalten optimistisch in die Zukunft und hofft auf neue Impulse für das organisierte deutsche Schach. Ein Gespräch.

Von Thorsten Cmiel

Zusammenfassung

Michael Sebastian Langer (aka MSL) ist Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes und Vizepräsident des Landessportbundes Niedersachsens mit eigenem Wikipedia-Eintrag. Zu den früheren Funktionen Langers gehört die als Schatzmeister und Vizepräsident im Deutschen Schachbund. Das Gespräch dreht sich zunächst um die kürzlich stattgefundenen Wahlen beim Bundeskongress des Deutschen Schachbundes (DSB). Im zweiten Teil äußert sich Langer, ganz der Haushälter, über die finanzielle Strukturierung von Veranstaltungen, den geplanten Gipfel in Dresden und eine Jubiläumsveranstaltung. Aus Langers Sicht herrscht Unsicherheit über die Effektivität der Kommunikation der Pläne und ob die Ziele klar verstanden wurden. Langer erwartet, dass der neue Vizepräsident Finanzen durch kreative Ansätze und Führung die Entwicklung im Deutschen Schachbund positiv beeinflussen kann.

Wer bist du?

MSL: Michael Sebastian Langer, Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes. Seit sechseinhalb Jahren bin ich Vizepräsident des Landessportbundes Niedersachsens. Zudem bin ich im Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks. Und noch ein paar Sachen mehr.

Du warst ebenfalls mal in der Funktion als Finanzchef aktiv beim Deutschen Schachbund. Hieß das damals bereits Vizepräsident?

MSL: 2003 bis 2009 war ich Schatzmeister, dann wurde es umbenannt. Dann hieß es die nächsten sechs Jahre Vizepräsident für Finanzen, und von 2011 bis 2015 war ich zusätzlich stellvertretender Präsident.

Stellvertretender Präsident. War das eine „geborene“ Funktion?

MSL: Nein, das passierte in einem jeweils nachgelagerten Wahlgang.

Ende Mai fand der Bundeskongress des Deutschen Schachbundes statt und da gab es Wahlen. Wie läuft die Wahl eines Präsidenten ab? Worum geht es dabei?

MSL: Im Idealfall geben diejenigen, die Präsident oder Präsidentin werden wollen, das im Vorfeld bekannt, kandidieren also öffentlich. Dann sind die Wahlvorschläge zu einem bestimmten Zeitpunkt der Tagesordnung dran. Die Präsidentschaft wird zuerst entschieden und es wird grundsätzlich geheim gewählt, selbst bei nur einem Kandidaten. Bei zwei Kandidaten ist dies selbstredend. Dann stellen sich die Kandidaten noch mal kurz vor. Sie erläutern dem Kongress in knapp fünf Minuten, warum sie die jeweils richtige Person sind. Das war auch diesmal der festgelegte Modus. Beide bekamen zudem die Möglichkeit, drei Fragen aus dem Plenum zu beantworten.

Angetreten sind als Amtsinhaberin Ingrid Lauterbach und als Herausforderer Paul Meyer-Dunker aus Berlin. Beide hatten sich vorher bereits mit Antworten von Fragen im „Schachkicker“ kurz vorgestellt. Gab es überhaupt Fragen?

MSL: Es gab klassische Fragen aus dem Plenum. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Wie geht man mit bestimmten politischen Entwicklungen um? Die Fragen brachten für mich keine zusätzliche Erkenntnis. Sie sind aber eine Gelegenheit für die Kandidaten. Ich glaube, dass die allermeisten im Raum aufgrund von Erkenntnissen gewählt haben, die sie im Vorfeld erzielen konnten.

Unabhängig von der Frage, wen ihr gewählt habt, hattet ihr im Schachverband Niedersachsen irgendeine Absprache? Wie viele Delegierte aus Niedersachsen waren dabei?

MSL: Wir haben insgesamt 13 Stimmen, die haben wir auf vier Delegierte verteilt und wir waren zur Vorbereitung des Gesamtkongresses abgestimmt, also sowohl was die Personalien angeht, aber auch bezogen auf die Inhalte. Dafür haben wir zwei ausführliche vorbereitende Sitzungen gehabt, in denen wir die Themen durchgegangen sind, haben uns auf Meinungsbilder und gemeinsame Vorgehen verständigt. Aber wir sind auch demokratisch in letzter Konsequenz, gerade bei geheimen Wahlen, diese sind natürlich freigegeben. Am Ende konnten sich unsere Leute also frei entscheiden. Ich glaube aber, dass sie sich an der Linie entlang verhalten haben, die wir vorher festgelegt hatten.

Zur Präsidentenwahl. Es gab Störgeräusche, direkt am Anfang des Kongresses wurde eine persönliche Erklärung des ehemaligen Vizepräsidenten Verbandsentwicklung verlesen, die zu Reaktionen führte. Es kam heraus, dass die Zusammenarbeit im Präsidium nicht so funktionierte, wie man erwarten sollte. Wie ist deine Einschätzung?

MSL: Nach der Art und Weise, wie diese persönliche Erklärung abgewickelt wurde, hat eine Diskussion darüber kaum stattgefunden. Das ist vielleicht bedauerlich. Zum Vorgang selbst: Wenn ich eine inhaltliche Kritik habe, dann bewege ich meinen Hintern nach Paderborn, trage vor, was ich zu sagen habe und setze mich der Diskussion aus. Ein solches Vorgehen, dass es einen Brief gibt, der dann vorgelesen wurde, habe ich so noch nie erlebt. Die Inhalte deuten darauf hin, dass es zwischen Guido und insbesondere Ingrid alles andere als spannungsfrei zuging. Ich glaube, dass diese Botschaft die wenigsten Delegierten erreicht hat, sondern dass die Leute eher über das Verfahren und den gewählten Weg irritiert waren. Ich selbst nehme diesen Teil des Kongresses verständnislos zur Kenntnis. Hätte man mich gefragt, ob ich diese Erklärung vorlese, hätte ich gesagt: Das tue ich mir nicht an.

Es folgte die Vorstellungsrunde. Dann gab es die Abstimmung, die sehr knapp mit 116 zu 103 für Ingrid Lauterbach ausging. Wie ist das Ergebnis zu interpretieren?

MSL: Wir Niedersachsen können mit dem Ergebnis natürlich leben und umgehen. Wir hätten mit Paul zusammengearbeitet und wir arbeiten auch mit Ingrid zusammen. Sachlich, kritisch, konstruktiv. Ich selber bin in letzter Konsequenz sogar ein bisschen überrascht, dass Ingrid gewonnen hat. Das war nicht wirklich klar. Wenn man zwischendurch immer wieder den Flurfunk hörte, gab es tatsächlich Peaks in die eine oder andere Richtung. Ich selbst habe mich im Vorfeld immer zurückhaltend geäußert und gesagt: Wahlen werden am Freitagabend gewonnen. Und das hat auch in diesem Fall meines Erachtens so stattgefunden.

Was passiert an einem Freitagabend vor so einem Bundeskongress?

MSL: Der Freitagabend und Vorabend eines Kongresses ist ein klassischer Begriff und da wird unfassbar viel bilateral gearbeitet und im Lager der Unsicheren eingesammelt. Das ist der Plan beider Kandidaten und letztendlich aller Kandidaten, die es zur Präsidentschaftswahl bisher gegeben hat. Der Freitag ist prinzipiell nicht geselliges Beisammensein, sondern für die, die was wollen, harte Arbeit.

Mit der Wahl der Präsidentin ist es nicht getan. Es gab noch andere Ämter zu besetzen.Was ist sonst noch passiert?

MSL: Zunächst zur Personalie Vizepräsident Sport.Bei Jürgen Klüners, ebenfalls Amtsinhaber, war das Ergebnis mit 124 zu 95 Stimmen gegen den auf Bundesebene weitgehend unbekannten Carlos Hauser sehr respektabel für den Herausforderer.

Hatten die beiden noch eine Rede gehalten? Und dann Nachfragen beantwortet?

MSL: Ja, tatsächlich. Die Zeitabläufe waren gestraffter und erlaubten nicht mehr die Ausführlichkeit wie bei der Präsidentschaftswahl.

Wie verlief die Wahl des Vizepräsident Finanzen?

MSL: Die Wahl von Alexander von Gleich erfolgte mit einem sehr deutlichen Ergebnis von 225-Ja-Stimmen ohne Gegenstimme.

Danach folgte die Wahl eines neuen Kandidaten Vizepräsidenten Verbandsentwicklung.

MSL: Jannik Kiesel ist bei der Schachjugend stellvertretender Vorsitzender und kommt aus Bad Kissingen, also aus dem Bayerischen Schachbund. Und da ist allen Beobachtern und auch mir aufgefallen, dass er quasi einstimmig gegen Bayern gewählt wurde, mit 165 zu 46 Stimmen.

Er kommt aus Bayern, aber wird von den Bayern nicht unterstützt?

MSL: Genau, Bayern hat komplett gegen ihn gestimmt.

Das war also keine geheime Wahl?

MSL: Die Wahlen sowohl von Alexander als auch Jannik waren offen, weil es keine Gegenkandidaten und auch keinen Antrag auf geheime Wahl aus dem Plenum gab.

Kann Jannik stellvertretender Vorsitzender bei der DSJ bleiben?

MSL: Er selbst hat gesagt, er macht noch die Jugendmeisterschaften in Willingen und tritt dann zurück.

In der Vergangenheit gab es finanzielle Konflikte mit der DSJ. Hat man zu diesem Thema noch etwas gehört?

MSL: Es wurde besprochen, dass es immer noch die Rückforderungsdebatte gibt und die wurde erneut emotional angerissen. Am Samstagabend endete das mit dem Wunsch, dass es vom Tisch kommen sollte. Das war ein Antrag von Andreas Jagodzinsky aus NRW und der führte zu kontroversen Debatten. Ich selber habe mir einen Lösungsvorschlag bis zum nächsten Hauptausschuss gewünscht.

Kommen wir noch einmal zurück zu den Wahlen. Es gab eine weitere Personalentscheidung im Präsidium, die mehr etwas für Feinschmecker ist. Die Wahl des Stellvertreters.

MSL: Diese verlief in der Tat etwas ungewöhnlich. In einem zweiten Wahlgang wird der Stellvertreter des Präsidenten gewählt. Das hat satzungsrechtliche Gründe. Bei mir und in der Vergangenheit hatte man meistens folgende Situation: Der frisch gewählte Präsident schlägt, nachdem er sich mit dem Rest des Präsidiums abgestimmt hat, seinen Stellvertreter vor. In diesem Fall hat Ingrid Jürgen als ihren Stellvertreter vorgeschlagen und aus dem Publikum, ich glaube es war Paul, wurde Alexander von Gleich ins Rennen geschickt. Das war die erste Kampfkandidatur um das Amt des stellvertretenden Präsidenten, die ich erlebt habe. Alexander hat deutlich mit 138 zu 67 gewonnen.

Normalerweise würde man erwarten, dass ein Gegenkandidat vorher abwinkt. Hat Alexander von Gleich sich dazu geäußert?

MSL: Also wie gesagt, in einer normalen Welt hätte es diesen zweiten Vorschlag gar nicht gegeben. Vielleicht kam die Wahl für das Präsidium überraschend. Es kam jedenfalls zu einer Kampfabstimmung und der Vorschlag der Präsidentin hat sehr glatt verloren. Dann musste Jürgen Klüners ein drittes Mal antreten. Das ist eine Besonderheit des Deutschen Schachbundes, der möchte drei Vertreter, die laut Satzung BGB-Vollmacht haben: der Präsident, also hier die Präsidentin, der Stellvertreter des Präsidenten und der Finanzchef. Wenn wie hier der Finanzchef quasi die stellvertretende Rolle kriegt, dann muss ein weiteres Mitglied aus dem Präsidium gewählt werden. Also musste Jürgen erneut gegen Jannik Kiesel ran. Als Ergebnis dieser überraschenden Abstimmungen kann man sagen, dass beim Deutschen Schachbund zukünftig die Macht mit Alexander von Gleich ist.

Die Präsidentin hat sich eine Blöße gegeben, weil sie offensichtlich das Geschehen auf dem Kongress nicht einschätzen kann. Das erinnert an den Vorschlag einer nicht gelungenen Ehrung des letzten Kongresses, die keine Mehrheit fand…

MSL: Ich würde das Ganze auch als Fauxpas bewerten. Das kann man mit den Zahlen der Wahl zum Präsidium unterfüttern. Wahlen funktionieren in Gremien anders als „Jürgen ist mein Stellvertreter, weil ich das will.“ Das muss ich vorher intern abklären.

Die Präsidentin wollte einen neuen Vizepräsidenten für Digitales und Sicherheit schaffen. Woran ist das gescheitert?

MSL: Die Hürde für das Einführen eines neuen Postens im Präsidium ist eine Zweidrittel-Mehrheit und die wurde knapp verpasst. Für solch eine weitreichend Änderung muss man vermutlich vorher eine Ochsentour bei den Landesverbänden auf sich nehmen und das eigene Vorhaben erklären – das ist aber inzwischen aus der Mode. Ich persönlich denke, dass wir keinen neuen Vizepräsidenten, aber einen Verantwortlichen im Hauptamt für dieses eminent wichtige Thema benötigen.

Es gab noch eine Überraschung im Leistungssport. Der letzte Referent, Gerald Hertneck, ist nicht mehr angetreten. Im Leistungssport gibt es ohnehin viele Köche: Wir haben einen Vizepräsidenten Sport, den erwähnten Referenten, einen Sportdirektor, einen Bundestrainer und wir haben Aktivensprecher.

MSL: Da ist in der Tat viel durcheinander. Diese Struktur der Verantwortlichen ist historisch gewachsen durch neue Ämter, die über die Jahre hinzukamen. Der neue Referent ist Carlos Hauser, der als Bewerber zum Vizepräsidenten Sport ein achtbares Ergebnis gegen Jürgen Klüners erzielte. Als Belohnung gab es eine einstimmige Wahl zum Referenten.

Der DSB fand bei den Wahlen keinen Seniorenreferenten. Der vorgeschlagene Kandidat war im Vorfeld vermutlich nicht mehrheitsfähig. Hätte man nicht erwarten können, dass die Präsidentin für dieses wichtige Amt jemanden vorschlägt, der wahrscheinlich eine Mehrheit findet?

MSL: Es war vor einem halben Jahr bereits klar, dass der zunächst einzige Kandidat keine Mehrheit finden würde. Bei einer so früh absehbaren Vakanz hätte man sich um einen eigenen Kandidaten kümmern müssen. Ohne Etat ist das natürlich nicht einfach. Inhaltlich sehe ich eine Krise bei den Senioren. In den nächsten Jahren wird sich die Erwartungshaltung verändern und dafür benötigt man perspektivisch frisches Personal und neue Ideen. Ich glaube die Boomer, also unsere Generation, stellen andere Ansprüche. In jedem Fall ist es besorgniserregend, dass wir zunächst keinen Verantwortlichen für diese große Zahl an Mitgliedern im DSB gefunden hatten. Inzwischen gibt es einen kommissarisch eingesetzten Seniorenreferenten. Dem ist ein Etat und viel Erfolg zu wünschen.

Zum geplanten Schachgipfel. Dieser soll 2026 in Dresden stattfinden. Das hört sich gut an.

MSL: In der Tat. Bei der Diskussion zum geplanten Gipfel war ich als einziger Kritiker aufgestanden. Aber ich bin nicht gegen einen Gipfel, sondern gegen die Art seiner Abbildung im Haushalt. Es ist keine zwei Jahre her, da mussten wir nach dramatischen Reden den Beitrag erst um drei und dann um einen weiteren Euro erhöhen. Dann haben wir einen Jahresabschluss 2024, der deutlich besser ist als was geplant war. Gut so. Wir haben deutlich mehr Geld in der Kasse. In den Haushalten 2026 und 2027 sind die Sonderveranstaltungen des DSB eingeplant, 2026 der Gipfel in Dresden, 2027 die Veranstaltung zum Jubiläum. Wir haben den Beitrag erhört, um die Liquiditätsrücklage zu stärken. Und jetzt sind diese zusätzlichen Gelder 2026 und 2027 quasi die Finanzierung der Sonderveranstaltung Gipfel in Dresden und der Jubiläumsveranstaltungen in 2027.

Um wie viel Geld geht es?

MSL: Insgesamt sind es 200.000 in 2026, 160 bis 170.000 in 2027. Klare Entnahmen aus dem eigenen Haushalt. Mit der Aussage, dass diese Veranstaltung im Fokus steht, geht das vor einer weiteren Stärkung der Liquidität. Das erfolgt verbunden mit der Aussage: Wir versuchen externe Einnahmen zu generieren. Aber im Worst-Case-Szenario sind wir bereit, das selber zu bezahlen. Das heißt, wir haben den Gipfel, wir haben die Jubiläumsveranstaltung und wir bezahlen sie im Zweifelsfall aus eigenen Mitteln, ohne den Ursprungsbeschluss, Stärkung der Liquidität im Fokus zu lassen.

Das klingt immer noch ein wenig verärgert.

MSL: Vor anderthalb Jahren war man gefühlt noch pleite. Ich bin an dieser Stelle tatsächlich fast ein bisschen verzweifelt. Viele scheinen gedacht zu haben, was will der alte Mann mit der Glatze von mir? Der Finanzvize Alexander von Gleich hat das Thema geschickt unkommentiert stehen lassen, da er die Stimmung auf dem Kongress richtig eingeschätzt hat. Fakt ist, dass am Schluss die Beschlussvorlage, wie sie war, einfach durchgegangen ist. Nach dem Motto: Passt schon. In unserem Bericht zum Kongress schreiben wir zusammengefasst: Gelder wurden eingesetzt, denn wir haben es jetzt wieder.

Ich verstehe den Einwand. Auf der anderen Seite muss man sagen, es gibt jetzt ein Jubiläum und da muss man etwas Besonderes unternehmen. Niedersachsen hatte letztes Jahr sein Jubiläum. Wie hat der Landesverband Niedersachsen gefeiert?

MSL: Wir hatten eine Jubiläumsveranstaltung und über das ganze Jahr hinweg Aktivitäten, über Turnierfahrten unseres Kaders, über Blitzturniere in Viernheim anlässlich der Schachbundesliga, über ein Bullet-Turnier und Hochschulmeisterschaften, über größer stattfindende eigene Veranstaltungen, also weit über Normalbetrieb hinaus, bis hin zu der großen Feier und dem Turnier in Wolfsburg. Das war über das Jahr gesehen eine Reise durchs ganze Land. Und dafür haben wir im Jahr knapp 85.000 Euro ausgegeben.

Und der Rest war sozusagen mit Sponsorengeldern unterfüttert?

MSL: Nein, brutto. Wir haben tatsächlich aus eigenen Mitteln planmäßig 45.000 entnommen.

Welchen Effekt haben Veranstaltungen in der Wahrnehmbarkeit? Darum geht es am Ende des Tages. Man will Aufmerksamkeit erzielen. Habt ihr dazu ein Feedback erarbeitet?

MSL: Natürlich. In Wolfsburg beispielsweise bekamen wir vielleicht das größte Kompliment. Der Rat der Stadt Wolfsburg hat 20 Minuten online Schach geschaut, während des Turniers. Wolfsburg hatte diese Veranstaltung schon vorher zu „von städtischem Interesse“ erklärt. Die Reputation in den Gazetten war wertschätzend, aber natürlich nicht finanziell bewertbar. Es ist unmöglich das irgendwie hart zu quantifizieren. Die Stellung der Sportart Schach in Niedersachsen hat jetzt ein anderes Gewicht. Die Jubiläumsveranstaltung ist allgemein gelobt worden und wir haben eine Marke gesetzt.

Es gab zuletzt in München auch ein Event mit vielen deutschen Meisterschaften und den besten deutschen Spielern am Start. Was hast du dazu gehört?

MSL: Gute Kritiken. Also das ist der Punkt. Ich bin nicht wegen der Ansage, dass der Gipfel mit einem aus meiner Sicht zu hohem Etatansatz an Eigenmitteln unterfüttert ist gegen diese Art der Veranstaltungen. Ich finde Events im Schach im geeigneten Maß wie München oder wie nächstes Jahr in Form eines Gipfels in Dresden absolut richtig. Ich hätte nur einen sportlicheren Ansatz im Etat gewählt. Es geht mir eher um die Denke, weil tatsächlich, falls mir jemand sagt, ich brauche 50.000 Euro und ich kriege die nicht zusammen und man erklärt es mir, dann bin ich nicht derjenige, der jemandem sprichwörtlich den Kopf abreißen will. Aber ich möchte anhand des Haushaltsansatzes erkennen, dass man bereit ist, die Ziele und Liquidität nicht gegeneinander auszuspielen.

Es ist immer die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit dem Geld? Woher kommt das Geld? Ihr seid in Niedersachsen erfolgreich von außen betrachtet. Was bekommen Sponsoren für ihr Geld?

MSL: Ich kann es relativ nüchtern umreißen. Ich musste sowohl mit dem Sportmarketingunternehmen peak zone und macron, das ist unser italienischer Sportartikelhersteller, als auch mit Volkswagen Sponsoringverträge unterschreiben. Da steht genau drin, was die Sponsoren von uns erwarten. Alles ist in einem Vertrag fixiert.

Das hört sich professionell, transparent und fair an.

MSL: Das ist es tatsächlich. Letztlich kann man zusammenfassen: Wenn du Geld aus der Wirtschaft nimmst, unterschreibst du Kooperationsverträge.

Kommen wir am Schluss zu einem kurzen Ausblick auf den Deutschen Schachbund und das deutsche Schach. Können wir vom neuen Team kreativere und frische Ideen erwarten?

MSL: Von den gewählten jungen Leuten verspreche ich mir neuen Esprit für die Struktur. Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass meine Befürchtungen, die ich rund um den Gipfel genannt habe, nicht eintreten. Wir haben mit Alexander von Gleich einen starken Finanzer, der durch sein Wahlergebnis gestärkt im Präsidium auftreten kann, anders als das vielleicht in der Vergangenheit bei seinen Vorgängern der Fall war. Alexander wird mögliche Schieflagen, wenn sie denn entstehen, viel früher bemerken und gegensteuern. Ich glaube, dass er den DSB sehr viel klarer und selbstbewusster über die Finanzen mitsteuert als seine Vorgänger.

Zum Schluss bitte noch einen Ausblick auf die Entwicklung des organisierten Schachs in Deutschland. Wir hatten zuletzt eine leicht positive Mitgliederentwicklung.

MSL: Ich sehe die nähere Zukunft leicht positiv. Wir werden weiter, also bis ungefähr 2035 leichte Wachstumszahlen sehen. Danach macht sich wie im gesamten organisierten Sport in Deutschland der demografische Wandel bemerkbar. Eine Hoffnung gibt es allerdings: Wir überzeugen ab sofort ganz viele Frauen, werden also im bisher nicht erfolgreichen Segment erkennbarer tätig. Dadurch wäre zahlenmäßig noch ein ordentlicher Aufwuchs denkbar.


Weitere Informationen, Meinungen und Quellen

Wikipedia-Eintrag Michael Sebastian Langer.

Interview mit Michael S. Langer (André Schulz für Chessbase)

Bericht zum Bundeskongress. Deutscher Schachbund. (1.6.2025)

Weiter so!“ Deutscher Schachbund. (31.5.2925)

Meldung zum Schachgipfel 2026 in Dresden.

Bericht der Niedersachsen zum Bundeskongress (2.6.2025).

Pressemeldung NSV mit dem Sportausrüster peak zone (18.8.2024).

Der unterlegene Kandidat Paul Meyer-Dunker am Tag nach dem DSB-Kongress 2025 in Paderborn in einem Beitrag auf Facebook.


Der ehemalige Leistungssportreferent Gerald Hertneck zum Thema Senioren. In einem weiteren Beitrag erläuterte er warum vier Jahre genug sind.

Eine Schilderung des Bundeskongresses in Paderborn im Schachkicker von Heinz Brunthaler in Kooperation mit Gerald Hertneck.

Nach dem Kongress: Neuer Seniorenreferent – kommissarisch eingesetzt.

Interview mit Alexander von Gleich (André Schulz für Chessbase)

Fotos: Henning Lüders, Niclas Prahl, Frank Binding, Matthias Wolf (DSB), DSB, NSV, privat.



No comments

Sorry, the comment form is closed at this time.