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Welcher Schwierigkeitsgrad bei Taktikaufgaben ist empfehlenswert?

GM Elisabeth Paehtz beim Problemlösen. Foto Konstantin Shalabov (FIDE Chess).

Von Thorsten Cmiel

Als Taktikaufgaben bezeichnet man beim Schach Spielsituationen, die eine Lösung erfordern. Das sind oft wenige Züge und manchmal längere Sequenzen. Synonym wird von einer Kombination gesprochen. Gemeint ist damit eine Abfolge mehrerer Schachzüge, die ein bestimmtes Ziel auf dem Brett verfolgen. Einfachste Aufgaben suchen beispielsweise nach einem Zug, einem Matt in einem Zug beispielsweise.

Bezüglich des Lerneffektes von Schachaufgaben gilt der Grundsatz: Je komplexer das Problem sich dem Lösenden darstellt, desto größer ist der erwartbare Lerneffekt beim Lösen dieser Aufgabe. Oder kurz: Je schwieriger, desto besser. Aber: Für Einsteiger sollte man mit einfachen Aufgaben starten, um schnelle Erfolgserlebnisse zu erlauben. So lernt man die klassischen Motive wie Grundreihenmatt und ähnliches.

Was bringen kostenlose Internetangebote? Im weltweiten Netz gibt es unzählige Angebote. Beginnend beim kostenlosen Aufgabentraining, das von vielen Online-Jüngern meist als Puzzle Rush bezeichnet wird. Diese Trainingstools von Spielplattformen sind oft nur Fingerübungen, immerhin manchen Spielern mag die wettbewerbliche Herangehensweise an Schachaufgaben helfen. Man kann von Mustererkennung von meist einfachen schachlichen Motiven sprechen. Der Effekt des Erkennens von bekannten Mustern ist begrenzt. Beim Lösen komplexerer Aufgaben spielen diese Grundformen jedoch eine wichtige Rolle.

Aufgabe 1: Weiß am Zuge setzt Matt. 

Das Erkennen eines solchen Motivs ist für jeden Schachspieler leicht erlernbar. Geeigneter für das Erzielen von echten Lerneffekten ist das Betrachten von wirklich gespielten Partien. Dabei kann man die letzte Phase betrachten oder den Weg dahin. Dabei gilt: Je komplexer die Aufgabe und die eigenen Bemühungen eine Lösung zu finden, desto größer dürfte der Lerneffekt ausfallen.

Es beginnt mit einem Schachgebot und geht so weiter. 1.Db3+ Kh8 2.Sf7+ Kg8 3.Sh6+ (Doppelschach) Kh8 4.Dg8+ Txg8 5.Sf7#. Diese Sequenz ist typisch für ein „ersticktes Matt“.

Aufgabe 2: Weiß am Zuge setzt Matt.

Diese Stellung stammt aus einer Online-Partie im Bullet, also mit sehr geringer Grundspielzeit. Die Herausforderung ist nicht allzu groß, da alle Züge mit Schachgeboten erfolgen. Dennoch dürften Anfänger in der Zugfolge bereits eine erste Herausforderung bewältigen müssen.

Weiß setzt schnellstens in vier Zügen Matt. 1.Lh7+ Kh8 2.Lg7+ Kxg7 3.Dg6+ Kh8 (f8) 4.Dg8#. Etwas länger dauerte das gespielte. 1.De6+ Kh8 2.Lg7+ Kxg7 3.Df7+ Kh6 4.Dh7+ Kg5 5.h4+ (5.Dxh5#) Kg4 6.Dxh5# (Lxh5#).

Aufgabe 3: Schwarz am Zuge setzt Matt.

Diese Stellung stammt aus der Analyse zu einer gespielten Partie (Sunye Neto – Kasparow, Graz 1981). Die Lösung ist etwas komplizierter als im letzten Beispiel, aber immer noch recht einfach zu finden. Vor allem wenn man wie der Betrachter weiß, dass etwas funktioniert. Diesen Vorteil hat man in einer Schachpartie nicht.

Schwarz startet mit dem Zug 1…Tdxg2! – das droht Tg1 oder Th2 Matt. Weiß ist gezwungen den Turm zu schlagen. 2.Sxg2 und jetzt folgt der entscheidende Zug 2…Tg3!! und der Weiße kann nichts mehr gegen das Matt auf h3 unternehmen. Wichtig: Nach Springerwegzug folgt das alternative Matt auf g1, das von Kennern Arabisches Matt genannt wird.

Aufgabe 4: Schwarz am Zuge sollte wie fortsetzen?

Wir bleiben bei der gleichen Partie, aber der Brasilianer Sunye Neto machte es seinem Gegner etwas schwieriger. Diesmal steht der König nicht in der Ecke, sondern auf dem Feld f1. Beachten Sie die etwas andere Fragestellung.

Garry Kasparow nahm hier ebenfalls auf e3, etwas schwieriger zu berechnen. Die Partiefolge war: 42…Lxe3!! 43.fxe3 Tdxg2. Also erneut dieser Einschlag auf g2. Diesmal ist die Pointe eine etwas andere, nach Sxg2 folgt das „Familienschach“ mit dem Springer auf d2. Man musste hier nach dem Läuferopfer noch zwei alternative Schlagfälle berechnen: 1.) 43.gxf3 Txf2+ 44.Ke1 Tg1# und 2.) 43.Dxe3 Td1+ 44.Ke2 Te1# (Matt).

5. Wie sollte Schwarz am Zuge fortsetzen?

Wir betrachten hier die Partie in einer etwas späteren Phase. Der weiße König steht gefährdet. Aber wie geht es weiter mit dem Angriff? Die Lösung ist nicht trivial, im Gegenteil, und erfordert etwas mehr als nur eine Abfolge von Schachgeboten wie in der ersten Aufgabe beispielsweise.

Hier spielte Garry Kasparow den antizipativen stillen und sehr starken Zug 45…Kh7!, der das denkbare Dauerschach via c8 – f5 vermeidet. Eigentlich würde Schwarz gerne Tg5-g2 spielen um mit Tf2 Matt zu setzen, aber das wäre hier verfrüht. In der Partie folgte jetzt noch 46.Dc8 Th1+ 47.Kf2 Sd2 und Weiß gab auf, da weiterer Materialverlust unvermeidbar ist. Zunächst droht das Matt mit dem Turmzug nach f1 und nach einem Springerzug als Reaktion darauf folgt das Turmschach auf h2 und der weiße Läufer auf b2 geht verloren.

6. Wie setzte Nihal Sarin kraftvoll fort?

Nihal Sarin Foto: Lennart Ootes

Der Inder Nihal Sarin fand hier eine gefällige Kombination, die nicht allzu schwierig zu erkennen ist, wenn man einige gängige bekannte Motive kombiniert.

Nihal Sarin beginnt diese Kombination mit einem Ablenkungsopfer und schlägt zunächst den Bauern auf e6…

Fazit

Wer besser im Schach werden will, der sollte einen geeigneten Schwierigkeitsgrad aussuchen und nicht auf zu einfache Taktikaufgaben setzen. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben wurde hier zur Illustration etwas gesteigert. Nicht die einfachen Aufgaben erhöhen das eigene Spielvermögen im klassischen Schach – das mag nur bei absoluten Beginnern einen positiven Effekt für die effektive Spielstärke haben. Aber: Natürlich macht es Spaß gelegentlich einfache Aufgaben zu lösen und gerade für Kinder kann das eine geeignete spielerische erste Herangehensweise an das Schachspiel sein. Frühe Erfolgserlebnisse schaden nie, späte aber ebenfalls nicht.

Empfehlenswerter als Puzzle Rushes sind die Aufgaben der darauf spezialisierten Webpräsenz von Chesspuzzle von Martin Bennedik. Aufgaben kann man nach unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden oder Motiven auswählen. Die Datenbank wird aus aktuell gespielten Partien gespeist und listet auch viele klassische Kombinationen auf. Wobei Aktualität bei Taktikaufgaben, wie unsere Beispielpartie zeigt, bei der Auswahl nicht sonderlich wichtig ist. Alternativempfehlung: Es mag heutzutage eher ungewöhnlich klingen, aber vielleicht sollte man gelegentlich einen Blick in ein Buch mit Aufgaben werfen, die von einem didaktisch geschulten Schachpädagogen stammen.

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