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Foto: Maria Emelianova für Freestyle Chess.

Die Schachwelt steht nicht vor der Spaltung wie viele Medien zurzeit immer wieder mutmaßen. Aber für ein neues Drama und eine Machtprobe genügt es wenn der bekannteste Spieler der Welt, Magnus Carlsen, auf Konflikt aus ist. Was ist los und worum geht es?

Von Thorsten Cmiel

Gründung im Juli 2024

Im Februar 2024 organisierte Jan Henric Buettner, ein Hamburger Unternehmer, ein Turnier in Weissenhaus. Gespielt wurde in seinem Luxusressort in Ostholstein. Spieler und Journalisten waren begeistert von der erstklassigen Hospitality. Buettner fand Gefallen an dem Schachevent, das ihn nach eigener Auskunft etwa zwei Millionen Euro gekostet haben dürfte. Er wollte mehr und Magnus Carlsen war ebenfalls dabei. Am 25. Juli gab das Projekt in einer Pressemeldung die Gründung eines neuen Unternehmens, der Freestyle Chess Operations GmbH mit Sitz in Hamburg, bekannt. Angesiedelt ist die Gesellschaft inzwischen an einer erstklassigen Hamburger Adresse. Beteiligt sei die Left Lane Capital, ein Risikokapitalgeber in New York, der zwölf Millionen US-Dollar beigesteuert habe. Angekündigt wurde eine Turnierserie für Spitzenspieler, der Freestyle Chess Grand Slam. Das Startkapital solle für das Etablieren der Turnierserie dienen. Man wolle die Schachwelt revolutionieren und ein neues Kapitel in der Schachgeschichte schreiben, so die Ankündigung. Harley Miller, CEO and Managing Partner von Left Lane Capital, sah sogar das Potential ein Mainstream Sport Event vergleichbar mit der Formel 1 und der ATP Tennis Tour zu schaffen.

Es ist nicht untypisch in der Geschäftswelt und bei Startups sehr laut aufzutreten. In der Schachwelt sind solche Töne allerdings eher selten und werden in der Regel aus Erfahrung ähnlicher Ankündigungen in der Vergangenheit von den meisten Beobachtern mit Skepsis gesehen.

Die weltbesten Spieler stehen im Mittelpunkt dieser neuen, massentauglichen Schachserie, bei der neun Supergroßmeister von Magnus Carlsen handverlesen werden, der sich verpflichtet hat, Freestyle Chess ausschließlich bei der Grand Slam-Serie zu spielen. Alle Turniere werden in exklusiven Veranstaltungsorten mit einer Aura von Luxus und Stil ausgetragen, wobei alle Partien nach den chess960-Regeln gespielt werden. Freestyle Chess hatte bereits ein Turnier im Februar als Blaupause, das die Messlatte hoch ansetzte.“ (Pressemeldung vom 25. Juli 2024)

„Schach muss sich zu einem dynamischeren und fesselnderen Spektakel entwickeln, das es den Spielern ermöglicht, ihr Können vom ersten Zug an unter Beweis zu stellen.

Magnus Carlsen.“


Ankündigung Tour und Auftaktevent im Oktober 2024

Am Rande der Global Chess League in London gab Jan Henric Buettner Sagar Shah von Chessbase India im Oktober 2024 ein kurzes Interview und kündigte einen Showkampf in Singapur an. Magnus Carlsen und Fabiano Caruana sollten vor dem WM-Kampf gegeneinander antreten und für Freestyle Schach werben. Zudem sollte eine Pressekonferenz mit mehr spannenden Informationen stattfinden. Buettner habe die Termine mit der FIDE abgestimmt und kündigte fünf Events für 2025 an.

Inzwischen sind die Termine und Turnierorte bekannt. Gespielt werden sollen 2025 fünf Turniere in Weissenhaus, Paris, New York, Delhi und Kapstadt. Die Termine finden sich auf der Homepage. In der Pressemeldung vom Juli 2024 war noch von sechs bis acht Turnieren pro Jahr die Rede. Der Preisfonds ist üppig und solle 750.000 US-Dollar für die ersten drei Turniere und dann eine Million pro Turnier betragen, so hieß es in der ursprünglichen Pressemeldung.


Eskalation im November 2024

Mit hohem Aufwand präsentierte das Freestyle Projekt seine Pläne in Singapur. Die Location war gewohnt für Buettner-Projekte erstklassig, so wurde auf einer Yacht und aus Sicherheitsgründen in einem Tresor mit einem Tisch aus Gold gespielt. Spektakulär und präsentiert von Sagar Shah und seinem Team. Als Moderatorin war die Inderin Tania Sachdev am Start. Magnus Carlsen und Fabiano Caruana, die Nummer Eins und Nummer Zwei der Weltrangliste spielten ihren Showkampf sogar auf einem Hoteldach und gaben anschließend zusammen mit Buettner im Ritz Carlton Hotel eine Pressekonferenz. Die geriet allerdings trotz allen Aufwands zu einem medialen Nichtereignis. Lag es daran, dass der Weltschachbund sich nicht an Absprachen gehalten hatte und Ex-Weltmeister Vishwanathan Anand die gemeinsame Veranstaltung kurzfristig absagte? So hört man es zumindest aus einem Lager. Ist diese Erklärung plausibel, denn schließlich hatte man den größten Spieler aller Zeiten auf der Bühne und das sollte für Presseaufmerksamkeit eigentlich ausreichen. Erste Irritationen.

Die Nachricht auf X vom 24. November 2024 ist von Magnus Carlsen mit einer Provokation überschrieben. Freestyle Schach sei größer als Klassisches Schach. Die Reaktionen unter dem Tweet sind gespalten. Die Kritik am klassischen Schach kann man auch im Video im O-Ton von Magnus hören und sehen. Solch ein Statement wirkt nicht angebracht angesichts des am nächsten Tag beginnenden Weltmeisterschaftskampfes zwischen dem chinesischen Titelverteidiger Ding Liren und dem indischen Herausforderer Gukesh. Ist das eine Retourkutsche oder eine Provokation?


Hinter den Kulissen kracht es

Inzwischen weiß die Öffentlichkeit mehr über den Konflikt auch wenn die Fakten nicht sicher sind und es davon abhängt welcher Seite man in welchem Detail glaubt. Im Hintergrund deutet sich bereits ein Rechtsstreit zwischen FIDE und dem Freestyle Projekt an, es könnte sich also bei öffentlichen Äußerungen und Durchstechereien um ein taktische Weitergabe von Informationen handeln. Die Freestyler geben Interviews und schreiben Briefe. Emil Sutovsky, CEO der FIDE, schreibt bevorzugt Nachrichten bei X, vormals Twitter. Er ist ebenfalls nicht zimperlich, aber gibt sich öffentlich zumindest zurückhaltender.


Öffentlich wird ordentlich ausgeteilt

Erwähnt werden in einem X-Beitrag der Freestyler vom 21. Dezember 2024 Verhandlungen zwischen den Spielern und der FIDE, die zwei Tage zuvor zu einem friedlichen Ende gekommen seien. Als Verhandler werden Spieler genannt. Für diese sprechen Weltklassegroßmeister Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura, Danny Rensch, Chief Chess Officer der Plattform Chess.com, ist ebenfalls am Start. Die Freestyle GmbH wird von Buettner repräsentiert. Freestyle Chess und Chess.com hatten in Singapur ihre Kooperation angekündigt. Bei der Kooperation geht es vor allem um gemeinsames Marketing.

In dem Brief der Freestyler wird erstmals das Thema Weltmeisterschaft erwähnt. Selbstbewusst, andere werden sagen großspurig, klingt es wenn die Freestyle Organisation bekannt gibt, dass man die Weltmeistertitel gegenseitig anerkennen würde. Für den Weltschachbund, der sich bekanntlich im Besitz der Rechte an Weltmeisterschaften wähnt, kann solch eine Formulierung kaum akzeptabel sein, da sie einen Präzedenzfall schaffen würde. Das muss auch Buettner und seinem Team klar gewesen sein. Der Brief in Form einer Meldung versucht Tatsachen zu schaffen und ist eine Provokation. Vielleicht haben Buettner und Carlsen Dvorkovich unterschätzt. Der widerspricht für den Weltschachbund (FIDE) der Darstellung des Freestyle Projektes in Sachen Einigung. Im Wortlaut zitiert der Weltschachbund seinen Präsidenten:

Ich nehme die vom Freestyle Chess Players Club herausgegebene Pressemitteilung zur Kenntnis. Während mein Zitat korrekt wiedergegeben wurde, möchte ich klarstellen, dass meine Entscheidung als FIDE-Präsident auf einer direkten Kommunikation mit den Spielern beruhte. Die vollständige Pressemitteilung war jedoch nicht mit mir abgesprochen und enthält erhebliche Ungenauigkeiten, die die Situation falsch darstellen.

Die FIDE setzt sich weiterhin für Transparenz und Fairness ein, und wir werden nächste Woche eine Erklärung zu dieser Angelegenheit abgeben.

FIDE-Präsident
Arkady Dvorkovich


Gerüchteküche brodelt

Am 26. Dezember 2024 soll in New York die Schnellschachweltmeisterschaft starten. Gezielt wird zunächst die Information gestreut und dann öffentlich, dass Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura wegen des Streites mit der FIDE nicht mitspielen könnten. Das erweist sich entweder als leere Drohung oder gezielte Information, um den Streit weiter öffentlich zu machen. Man weiß es nicht. Jedenfalls spielen beide Spieler letztlich mit beim Turnier. Bei Magnus Carlsen läuft es nicht rund, diesmal. Am zweiten Tag erscheint Carlsen in Jeanshose, kassiert ein Ordnungsgeld und wird verwarnt. Der Rest geht in die jüngere Schachgeschichte als „Jeansgate“ ein. Es kommt zwei Tage später zu einer Art Burgfrieden. Was Magnus Carlsen, der den Weltschachbund übelst beschimpfte, dazu gebracht hat beim Blitzturnier wieder mitzuspielen weiß man nicht. Die Erzählung geht, dass Arkadij Dvorkovich und Henrik Carlsen auf den Superstar beruhigend eingewirkt haben.


Magnus verspürt Aufwind und legt nach

Es folgte erneut ein bemerkenswert undiplomatisches Interview mit Magnus Carlsen bei dessen Haussender „Take Take Take„. Das Interview ist kaum geeignet die Wogen zwischen FIDE und Freestylern wieder zu glätten. Im Gegenteil. Auch intern dürfte dieser Take nicht jedem im eigenen Team gefallen haben. Carlsen lobt ausdrücklich Dvorkovich und noch überraschender den CEO des Hauptsponsors der Freedom Holding, Timur Turlov, für ihr Bemühen um seinen Wiedereinstieg in das New Yorker Turnier.

Peter Heine Nielsen, Coach von Magnus Carlsen dürfte dieses Lob kaum gefallen haben. Schließlich kritisiert Nielsen beispielsweise, dass die FIDE zu viel russisches Geld einnehme im Vergleich zu anderen Finanzquellen. Turlov ist ein in Russland geborener kasachischer Unternehmer und wird von Nielsen öffentlich schon längere Zeit als russlandnah und mit Börsengerüchten um Fehlverhalten attackiert. Weltpolitik.

Bezogen auf den Konflikt zwischen FIDE und dem Freestyle Projekt erklärt Carlsen alle FIDE Offiziellen in New York uniso für nicht erwachsen. Er nimmt Dvorkovich, der gar nicht in New York anwesend ist, aus. Vishwanathan Anand, Carlsens Vorgänger als Weltmeister und aktueller Vizepräsident der FIDE, versuchte Magnus’s Vater von einer Rückkehr ins Turnier zu überzeugen. Auch den nimmt er nicht aus von seiner Kritik. Anand ist ebenfalls in dem virtuellen Freestyle Spielerklub aufgeführt und soll im Februar in Weissenhaus mitspielen, was später noch eine Rolle spielt. Überflüssigerweise griff er Anand sogar persönlich in seiner Rolle als FIDE-Vizepräsident an. Dieser Aspekt interessiert später indische Medien. Anand gibt sich allerdings nicht die Blöße sich zu Carlsens Verbalattacken zu äußern. Er ignoriert seinen Nachfolger.


Fabianos Sicht im C-Squared Podcast

Fabiano Caruana macht sich nicht die Wortwahl von Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura zu eigen. Die beiden hatten von Erpressung der Spieler gesprochen. Es ging dabei um Klauseln, die von den Spielern bei Turnieren unterzeichnet worden waren und diese für einen längeren Zeitraum an die FIDE bindet. Aus Sicht der Freestyler sind solche Klauseln nichtig oder in jedem Fall wegen des Ausnutzens der eigenen Marktmacht angreifbar. Für Caruana war vor allem wichtig, dass er sanktionsfrei seinen Terminkalender für das nächste Jahr planen konnte. Er hatte sich kurz vorher als erster Spieler für das Kandidatenturnier 2026 qualifiziert. In die Abläufe bei der Freestyle Organisation sei er nicht eingebunden und scheint darauf auch Wert zu legen.

Wörtlich sagt Caruana (hier in deutscher Übersetzung):
Ich möchte nur eine Sache sagen, denn es gab diese ganze Freestyle-Drohung, wo Spieler bedroht wurden oder nicht. Ich meine ich würde nicht sagen, dass ich bedroht wurde. Ich habe keine solchen Worte benutzt, mir wurde es so erzählt und dass ich keine ausgefallenen Adjektive benutzen werde. Mir wurde ganz konkret gesagt, nachdem Freestyle angekündigt hatte, dass sie nächstes Jahr die Weltmeisterschaft ausrichten würden, die Freestyle-Weltmeisterschaft, dass ich aufgrund eines Vertrags, den ich in der Vergangenheit für Kandidaten unterschrieben habe, rechtlich nicht berechtigt sei, an einer Schachweltmeisterschaft teilzunehmen.

Weiter sagt Fabiano im Video, dass er eine Zusage von Arkadij (Dvorkovich) erhalten habe bei Teilnahme nicht bestraft zu werden. Das Statement (vom 21. Dezember 2024) von Freestyle habe er als Erklärung verstanden, die aber noch recht vage klang, ihm aber Sicherheit gab.


Arkady Dvorkovich im Interview (15. Januar 2025)

Der FIDE-Präsident gab Sagar Shah von Chessbase India ein Interview und ging dabei auch auf Fragen zur Situation mit Freestyle Schach ein. Das Statement von Dvorkovich passte zu seinen bisherigen Einlassungen zum Thema. Unter anderem verteidigte er Sutovsky als Teil seines Teams. Man solle ihn stattdessen attackieren. Ein Angebot, das vierzehn Tage später von den Freestylern aufgegriffen wurde.


FIDE Statement vom 21. Januar 2025

Die FIDE hat sich einen Monat Zeit gelassen für ihr nächstes Statement als Reaktion auf die Pressemeldung der Freestyler vom 21. Dezember 2025. Überraschend ist daran allerdings nichts und die Position ist gut nachvollziehbar.

FIDE-Erklärung zum „Freestyle Chess“-Projekt (in deutscher Übesetzung)

Im Hinblick auf die jüngsten Mitteilungen des „Freestyle Chess Players Club“ („FCPC“) erklärt die FIDE Folgendes:

Der Internationale Schachverband (FIDE) ist der einzige international anerkannte Dachverband des Schachs (insbesondere durch das Internationale Olympische Komitee), der alle offiziellen internationalen Schachwettbewerbe regelt. Obwohl wir immer offen für die Zusammenarbeit mit privaten Organisationen und Initiativen innerhalb der Schachgemeinschaft waren, behält die FIDE ihre wichtigste Rolle in Bezug auf die Regeln, Titel und Wertungen. Der Status der FIDE und ihre globale Verantwortung gegenüber der Schachgemeinschaft sind eindeutig und nicht verhandelbar.

Die FIDE hat nichts dagegen, dass kommerzielle Plattformen, Projekte oder privat geführte Vereine wie der FCPC in eigener Angelegenheit mit Spielern in Kontakt treten. Die Versuche des FCPC, sein Projekt als Weltmeisterschaft zu präsentieren, stehen jedoch im Widerspruch zum etablierten Status der FIDE und ihrer Autorität über Weltmeistertitel in allen relevanten Varianten des Schachs – einschließlich Chess960/Freestyle Schach, wie im FIDE-Handbuch dargelegt.

Darüber hinaus bedroht die vom FCPC eingeschlagene Vorgehensweise die Erfüllung der bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der Spieler gegenüber der FIDE. Die vom FCPC-Projekt unternommenen Schritte führen zwangsläufig zu Spaltungen in der Schachwelt – und wir erinnern uns nur zu gut an die unglücklichen Folgen einer ähnlichen Spaltung, die in nicht allzu ferner Vergangenheit stattfand.

Obwohl der formale Status der Freestyle Chess Serie 2025 noch nicht feststeht, möchte die FIDE sicherstellen, dass alle Spieler ihren Zeitplan für 2025 planen können. Aus diesem Grund hat die FIDE aus Kulanzgründen und um den Spielern für die unmittelbare Zukunft ausreichend Sicherheit zu geben, beschlossen, die Freestyle Chess-Serie 2025 in den Kalender aufzunehmen und sich nicht auf einschlägige rechtliche Klauseln in bereits unterzeichneten Verträgen über die Teilnahme von Spielern an Freestyle-Veranstaltungen 2025 zu berufen.

Nichtsdestotrotz behält die FIDE alle ihre Rechte in Bezug auf den Weltmeisterschafts-Titel und wird bereit sein, gegen Organisatoren und Initiatoren von Serien vorzugehen, die beschließen, sich ohne die Zustimmung der FIDE als „Weltmeisterschaft“ zu bezeichnen.

Wir sind offen für einen Dialog und freuen uns darauf, eine für beide Seiten akzeptable Vereinbarung zu treffen, vorausgesetzt, dass die Führungsrolle und die bewährte Autorität der FIDE über die Weltmeisterschaften von den potenziellen Partnern respektiert wird.

Sollte eine solche Vereinbarung nicht zustande kommen, fordert die FIDE, dass die Freistilserie nicht den Status einer „Weltmeisterschaft“ erhält. Die FIDE wird nicht zögern, alle rechtlichen Mittel gegen diejenigen einzusetzen, die ihre Rechte verletzen – seien es die Initiatoren, Organisatoren und/oder Investoren des Projekts.

Da der Weltmeisterschaftszyklus 2025-2026 im Gange ist, wird von allen qualifizierten Spielern erwartet, dass sie einen zusätzlichen Vertrag unterzeichnen, der eine Klausel enthält, die besagt, dass die Teilnahme an alternativen Schachweltmeisterschaften in einer nicht von der FIDE genehmigten Schachvariante (mit Ausnahme der Freestyle-Tour im Jahr 2025) zum Ausschluss aus den beiden aufeinanderfolgenden FIDE-Weltmeisterschaftszyklen führen würde.

Als Teil der Verträge verpflichtet sich die FIDE, die Turniere auf höchstem Niveau und mit wesentlich höheren Preisgeldern auszutragen – die Termine und Orte werden im FIDE-Kalender veröffentlicht.


Buettner bereit zum Krieg

Die Rhetorik entgleitet dem Freestyle Chef zusehends. Der Ton wird rauer und die Angriffe persönlicher. Am 28. Januar 2025 veröffentlicht Chess.com einen Artikel von Tarjei Joten Svensen, einem norwegischen Schachjournalisten in Diensten von Chess.com. Svensen berichtet über Angriffe gegen Dvorkovich, die Jan Henric Buettner gegenüber dem norwegischen Sender NRK und einem anderen Newsoutlet (VG) geäußert habe. Buettner reagiert damit laut Svensen auf die Erklärung der FIDE.


Jan Henric Buettner (zitiert nach Tarjei J. Svensen )

Ich denke, es ist unglaublich lächerlich. Ich habe es kommen sehen, also war es nicht überraschend, aber trotzdem lächerlich.

Wir sind zum Krieg bereit, aber wenn die FIDE bereit ist, etwas Vernunft an den Tag zu legen, sind wir bereit, mit ihnen zu sprechen.

Sie können es nicht urheberrechtlich schützen. Jeder kann es organisieren und sie wissen, dass sie uns nicht aufhalten können.

Ich denke, das wird dazu führen, dass sich die Spitzenspieler gegen sie zusammenschließen. Und es kann dazu führen, dass die gesamte FIDE-Organisation auseinander fällt.

Freestyle Chess habe 100.000 Dollar für die Verwendung des Titels „Weltmeisterschaft“ angeboten. Die FIDE verlangte 500.000 Dollar pro Jahr sagte Buettner gegenüber dem Fernsehsender NRK. Seit dem 9. Dezember habe er, Buettner, keinen Kontakt mehr mit FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich gehabt, so Svensen. (Möglicherweise ist der 19. Dezember gemeint, denn da gab es laut Freestyle eine Einigung mit der FIDE.)


Emils Statements (Auswahl)


Emil Sutovsky reagierte sofort bei X, vormals Twitter, auf die via Chess.com verbreitete mediale Attacke. Zudem erinnert er nochmals an die unhöflichen Worte von Magnus Carlsen an seine Adresse und gegenüber seinem Arbeitgeber.


Der offene Freestyler Brief vom 28. Januar 2025

Der offene Brief vom 28. Januar 2025 in deutscher Übersetzung

Lieber Emil,

im vergangenen Jahr haben du, Arkady und die FIDE einen langen Weg zurückgelegt – von deinen Opernarien, die du mir am Telefon vorgesungen hast, über deine Anfrage, die FIDE-Schach-960-Weltmeisterschaft letztes Jahr in Weissenhaus auszurichten, bis hin zu Arkadys stundenlangen Treffen mit Henrik und mir in London, um die Turnierpläne zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Spieler keine Terminüberschneidungen haben.

Die Zusammenarbeit wird jedoch immer angespannter. Eine bemerkenswerte Ausnahme war die Einladung von Arkady an Magnus und Fabiano, ein Freestyle Summit in Singapur zu spielen, allerdings wurden wir dann bei unserer Ankunft ignoriert und abweisend behandelt. Es scheint, dass die „good cop (Arkady) / bad cop (Emil)“ Taktik der FIDE zum Scheitern verurteilt war. Jetzt scheint die FIDE dieses Spiel völlig aufgegeben zu haben und eine konfrontative Haltung gegenüber den Spielern einzunehmen. Ich halte diese Wende für kontraproduktiv. Anstatt konstruktiv mit uns, den Organisatoren der Freestyle Chess Grand Slam Tour, zusammenzuarbeiten, hat die FIDE genau die Spieler verprellt, die ihr größtes Kapital sind. Nichtsdestotrotz ist Freestyle weiterhin offen für den Dialog und bemüht, mit der FIDE zusammenzuarbeiten, um unnötige Konflikte zu vermeiden.

Um es noch einmal klarzustellen: Unsere Tour ist keine „Weltmeisterschaft“ im traditionellen Sinne, wie ich sowohl Arkady als auch Vishy erklärt habe. Sie trägt den Titel „Freestyle Chess Grand Slam Tour“. Am Ende jedes Jahres krönen wir einen Champion im Freestyle Chess – ein Format, das sich in Zukunft weiterentwickeln könnte, möglicherweise über Chess960 hinaus zu anderen neuen Formaten, aber nicht zum klassischen Schach.

Der Titel „Weltmeister“ spiegelt in diesem Zusammenhang das einzigartige Format unserer Veranstaltungen wider und stellt keinen Versuch dar, den traditionellen Weltmeisterschaftszyklus der FIDE in Frage zu stellen. Wenn die FIDE wirklich ein Problem mit der Verwendung des Begriffs „Weltmeisterschaft“ hat, müsste sie ähnliche Fälle ansprechen, wie die Tandem-Weltmeisterschaft, an der sogar Spieler wie Ding Liren teilgenommen haben. Dennoch hat die FIDE weder Ding noch andere für ihre Teilnahme bestraft. Diese Inkonsequenz offenbart das wahre Motiv hinter den Handlungen der FIDE: Geld.

Obwohl Freestyle bereit war, der FIDE 100.000 US-Dollar pro Jahr anzubieten – als reine Geste des guten Willens und um Schikanen zu vermeiden – wurde dies abgelehnt. Die Forderung der FIDE nach 500.000 US-Dollar, eine ungerechtfertigte Summe für ein Format, an dem sie nicht beteiligt ist, deutet darauf hin, dass der finanzielle Gewinn der Hauptgrund ist. Unsere Sponsoren, von denen viele es vorziehen, jede Verbindung mit der FIDE zu vermeiden, unterstützen unsere Entscheidung, unabhängig zu bleiben.

Die jüngsten Maßnahmen der FIDE, wie die Androhung von Sanktionen gegen Spieler und die Forderung, Vereinbarungen unter unangemessenem Druck und ohne Rechtsbeistand zu unterzeichnen, sind zutiefst beunruhigend. Das ist weder ethisch noch professionell. Die FIDE versucht, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen, um Spieler unter Druck zu zwingen, sich zu unterwerfen. Solche Taktiken sind inakzeptabel und Freestyle wird weiterhin die Interessen der Spieler gegen diesen Machtmissbrauch verteidigen.

Im Gegensatz zur Vorgehensweise der FIDE stehen bei Freestyle die Spieler im Vordergrund. Deshalb haben wir einen Anwalt eingeschaltet, um sie vor dem überzogenen Vorgehen der FIDE zu schützen. Kein Spieler hat seine Pflichten verletzt, sondern die FIDE hat sich unangemessen verhalten. Freestyle konzentriert sich weiterhin darauf, ein positives Umfeld für die Spieler zu schaffen, damit sie sich ohne unnötige politische Einmischung auf ihre Partien konzentrieren können.

Zusammengefasst:

  • Freestyle konkurriert nicht mit FIDE und behauptet auch nicht, „größer als FIDE“ zu sein.
  • FIDE besitzt nicht die Rechte an allen schachbezogenen Aktivitäten und hat auch keine ausschließliche Autorität über das Wort „Welt“.
  • Freestyle möchte Frieden, keinen Streit. Wir sind weiterhin bereit, jährlich 50.000 US-Dollar an die FIDE zu zahlen, um sicherzustellen, dass die Spieler ungestört bleiben.
  • Sollte die FIDE ihre Schikanen fortsetzen, wird Freestyle die Spieler mit allen Mitteln verteidigen.

Anstatt die Situation eskalieren zu lassen, fordere ich die FIDE auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und konstruktive Gespräche zu führen. Spieler zu belästigen, zu bedrohen oder zu sanktionieren ist nicht nur kontraproduktiv, sondern untergräbt auch die Grundsätze des fairen Wettbewerbs und des Respekts für die Schachgemeinschaft.

Ich stehe dir oder Arkady jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jan

Anmerkung: Diesen Brief mit den am gleichen Tag öffentlich gewordenen Statements gegenüber norwegischen Medien überein zu bringen ist schwierig. Es ist wahrscheinlicher, dass der Brief von Buettners Anwälten formuliert wurde. Bemerkenswert ist, dass an diesem Tag der Zuschuss zur FIDE auf jährlich 50.000 US-Dollar reduziert werden sollte.


Emils Antwort vom 28. Januar 2025

Emils Antwort in deutscher Übersetzung

Ich habe mehrmals mit Herrn Büttner gesprochen und immer meine positiven Gefühle über das Projekt zum Ausdruck gebracht. Das erste Mal in einem zweistündigen Gespräch direkt nach ihrer Auftaktveranstaltung. Es war mehr als freundlich und wir begannen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen, obwohl er offen sagte: „Wir brauchen die FIDE nicht für dieses Projekt und wir müssen es nicht Weltmeisterschaft nennen“. Nichtsdestotrotz hatte ich eine sehr positive Einstellung gegenüber einer neuen, ambitionierten Person in der Schachwelt. Ich lobte Jan öffentlich und erwähnte in meinen Interviews, dass „eine steigende Flut alle Boote anhebt“. Ich freute mich auf mehr Werbung für Schach, mehr Möglichkeiten für Spieler…

Und dann hatten wir ein weiteres Gespräch, und noch eines, und noch eines. Mehrere Monate lang diskutierten wir über eine mögliche Zusammenarbeit: die Einführung von FIDE-Ratings für Chess960, mögliche Qualifikationsturniere, Herausforderungen bei der Ausrichtung weiterer Freestyle-Veranstaltungen im Jahr 2024 („niemand will Geld in die Hand nehmen, und das Einzige, was die Inder angeboten haben, war ein Rabatt auf die Hotelkosten“), die Angleichung des Turnierkalenders im Jahr 2025. Ich teilte die Informationen offen mit und gab bereitwillig Ratschläge, wenn ich darum gebeten wurde.

Um die Bezeichnung Weltmeisterschaft ging es nie.

„Wir brauchen das nicht. Wir sind nicht die FIDE, die sich um alle kümmern muss. Wir machen unsere Tour mit den Besten.“ Schön und gut – und immer noch viel Raum für Zusammenarbeit.

Aber dann hat sich etwas geändert. Wir können nur raten, was oder wer das beeinflusst hat.

Und dann beschloss Freestyle Chess, die Publicity und das Budget der FIDE-Weltmeisterschaft in Singapur zu nutzen.

Und die Veröffentlichungen in den großen Medien wurden am Vorabend der Weltmeisterschaft organisiert und griffen sowohl das WM-Match als auch das klassische/reguläre Schach direkt an.

Und sie legten die Pressekonferenz in Singapur auf den gleichen Tag wie die Eröffnungsfeier des WM-Kampfs, und plötzlich war statt einer Freestyle Tour/Grand Slam plötzlich „Weltmeisterschaft“ angesagt.

Seitdem wurde es immer bitterer.

Ich wundere mich immer noch über diesen Sinneswandel.

Warum startet man die Serie nicht friedlich, sondern zettelt stattdessen einen solchen Kampf an, der die Schachgemeinschaft spalten soll? Ist es persönlicher Ehrgeiz? Oder die Erkenntnis, dass sich „Weltmeisterschaft“ besser verkauft? Oder der Versuch zu beweisen, dass dies DIE Weltmeisterschaft ist? Wenn ja, dann wird es nicht funktionieren.

Die FIDE war immer offen für einen Dialog, aber wir haben Verpflichtungen gegenüber der gesamten Schachgemeinschaft, und wir werden sie erfüllen.

Die Abläufe klingen hier etwas anders als sie von den Freestylern dargestellt werden, die aus ihrer Sicht auf eine unwillige Schachorganisation trafen. Als Außenstehender ist schwierig zu beurteilen ab wann das Gespann Buettner/Carlsen erstmals das Thema Weltmeisterschaft aufbrachte. Die Version von Sutovsky klingt jedenfalls genauso plausibel wie die Version der Freestyler.


Bisher unterschätzt: Der indische Take

Der indische Sportskanal Sports Today mit 559.000 Abonnenten und Teil eines indischen Mediaoutlet erklärt in dem ersten Video den 3. Februar 2025 zu einem Entscheidungstag und in einem weiteren Video wird das Risiko für Gukesh beschrieben, der Weltmeister ist. Der Moderator sieht allerdings die FIDE im Nachteil, indem er das Thema Geld in den Vordergrund stellt und den US-Streamer Nakamura zitiert. Der Moderator in Sports Today spricht von einem Bürgerkrieg.


Vishwanathan Anand ist im Januar aus dem Turnier in Weissenhaus ausgestiegen. Die Freestyler haben das nicht weiter kommentiert, sondern Anand durch den jungen Usbeken Javokhir Sindarov ersetzt. Der Hintergrund könnte der schwelende Streit zwischen dem Weltschachbund und der Freestyle-Organisation sein. Zudem hatte Magnus Carlsen sich über Anand am Tag seines Widereinstiegs in die Blitzweltmeisterschaft und dessen Rollenverständnis in der FIDE negativ geäußert. Jetzt greifen größere indische Medien das Thema auf und erklären ihren Take, die indische Sichtweise. Erwartungsgemäß wird das Thema größer aufgezogen als nur ein schnöder Kampf um Geld. In diesem Beispiel geht es nicht um FIDE gegen Freestyle, sondern Anand gegen Carlsen. In indischer Perspektive wird der Titel des Schachweltmeisters angegriffen. Die Moderatorin von Firstpost weist auf das Highlander-Motto hin. Es kann nur einen geben. Und der ist momentan ein Inder.


Litigation Kampagne

Als Teil ihrer Kampagne im Rahmen des heraufziehenden Streites hatten die Freestyler Journalisten und andere Influencer im Vorfeld immer wieder gebrieft. Das ist nicht ungewöhnlich in einem öffentlich vorbereiteten Rechtsstreit. In einer Litigation Kampagne geht es darum, die öffentliche Meinung auf die eigene Seite zu ziehen und die eigenen Interessen möglichst umfänglich durchzusetzen. Ein Ziel dieser Kampagne war es beispielsweise, der interessierten Öffentlichkeit zu verkaufen, es ginge der gierigen FIDE nur um Geld. Dem hatte Dvorkovich bereits früh widersprochen.

Ein anderer Versuch bestand darin, öffentlich Zweifel an den Erfolgsaussichten eines Rechtsstreites zu streuen. In einem Beitrag für die FAZ hinter einer Bezahlschranke erinnert Stefan Löffler am 28. Januar an frühere ähnliche Streitigkeiten:


„2022 änderte die Plattform Chess.com eine angekündigte WM in „Global Chess Championship“. Inoffizielle Weltmeisterschaften in mehreren Schachvarianten duldet die FIDE aber ebenso wie von der deutschen Firma Amateur Chess ausgerichtete Amateurweltmeisterschaften.“

Für Buettner sei eine auf Sportrechte spezialisierte Kanzlei tätig. Löffler fasst seine Recherchen im Sportrecht so zusammen:
“ Die Rechtsprechung scheint Buettners Sicht zu bestätigen. Der Deutsche Ringerverband musste Sperren in einer unabhängigen Liga aktiver Ringer aufheben. In zwei Urteilen zeigte der Europäische Gerichtshof Ende 2023 auf, wie UEFA, FIFA und der Eislaufverband ISU ihre dominante Position missbrauchten. Einen einschlägigen Erfolg im Profisport kann die von Buettner beauftragte Kanzlei Quinn Emanuel vorweisen. 2022 brachte sie Sperren der PGA Tour gegen Golfer, die bei der saudisch finanzierten Konkurrenz LIV Tour antraten, zu Fall.“  FAZ vom 28. Januar 2025: „Das steckt hinter dem Streit um die Schach-WM“.

Einen interessanten Aspekt einer möglichen Kompromisslinie arbeitet Löffler allerdings nicht weiter heraus: Die ACO, die Amateur Chess Organisation, nennt ihre Turniere ACO Weltmeisterschaften. Vielleicht wäre eine ähnliche Lösung eine Möglichkeit gewesen den eskalierenden Streit zu vermeiden. Der Veranstaltungstitel wäre dann „Freestyle World Championship“ und der Bezug zum Schach wäre im Namen der Organisation verschwunden. Die Freestyler wollen aber ihr Turnier anders nennen: Die Freestyle Chess World Championship (FCWC) soll es sein und das haben sie so in ihre Regularien geschrieben. Ein anderer Fall: 2022 hatte ein kurzer Streit der Schachplattform Chess.com noch einen Rückzieher gemacht. Man konnte das Turnier analog auch Freestyle Global Chess Championship nennen. Aber das hat möglicherweise einem nicht zugesagt, wie Sutovsky in einem seiner zahlreichen Tweets spekuliert?


Einen Tag vor dem angekündigten Showdown am 3. Februar 2025 meldet Tarjei J. Svensen, ein Journalist auf der Gehaltsliste von Chess.com, dass die Angelegenheit wohl bereinigt sei und Freestyle sich durchgesetzt habe. Dieses Gerücht erweist sich erneut als gezielte Fehlinformation oder zu frühe interne Erfolgsmeldung der Freestyler.


Die Antwort der FIDE

Der Weltschachbund reagiert scheinbar auf Svensens voreilige Wasserstandsmeldung und vermeldet morgens, dass es erneut zu keiner Einigung gekommen sei. Eine vollständige Erklärung wird für einen späteren Zeitpunkt am gleichen Abend angekündigt. Im Wortlaut heißt es zunächst: (hier in deutscher Übersetzung)

FIDE und Freestyle Chess Tour: Keine Einigung über die Anerkennung der Weltmeisterschaft

Trotz intensiver Verhandlungen gibt der FIDE-Rat an, dass es derzeit keine Einigung bezüglich der Freestyle Tour gibt. Dies liegt daran, dass die andere Partei den Status der FIDE als alleiniger Regulierer der Schachweltmeisterschaften und ihre Befugnis, einen Weltmeistertitel zu vergeben, nicht anerkennt. Eine vollständige Erklärung der FIDE zu dieser Angelegenheit wird heute nach 19:00 Uhr MEZ veröffentlicht.


FIDE Präsident Arkadij Dvorkovich

Dvorkovich erklärt kurz, dass er keine Vereinbarung mit der Freestyle Organisation unterschreiben wird. Er nimmt dabei Bezug auf persönliche Angriffe gegen sich selbst und sein Team. Das würde seiner Erziehung und seinen Werten widersprechen.



Antwort bereits vor dem Statement

Es wird immer schmutziger. Bevor die FIDE mit ihrem Statement herauskommt, gibt es wieder einen offenen Brief von den Freestylern. Jan Henric Buettner zitiert ohne Kontext aus einer privaten Whatsapp Konversation zu den Einigungsversuchen mit Dvorkovich, dem er den Rücktritt anrät aufgrund eines Mangels an Führungsstärke. Auf sein Wort sei kein Verlass, so Buettner. Es klingt so als haben hier zwei aneinander vorbei geredet. Im weiteren Text erläutert Buettner wie er den Verlauf der Gespräche bewertet und sieht Dvorkovich als unzuverlässigen Verhandlungspartner. Die gleiche verfahrene Situation ereigne sich bereits zum dritten Mal. Im Auftrag der Spieler hätten die Freestyler um eine Verlängerung der Frist bis zum 15. Februar gebeten, heißt es. Damit die Spieler sich auf das Turnier in Weissenhaus konzentrieren und eventuell Rechtsanwälte konsultieren können. In den laut Buettner bereits vereinbarten Regelungen stehen mehrere Aspekte auf die man sich geeinigt habe. Eine angemessene Kommunikation und Respekt gegenüber der FIDE steht ganz oben. Weiter unten findet sich ein Hinweis auf das Sponsoring eines von der FIDE ausgewählten Turniers in Höhe von 300.000 US-Dollar. Sowie die Teilnahmemöglichkeit für die Hälfte der Teilnehmer ermittelt in einer Qualifikation.

Dann zeigen die Freestyler Nerven, trotz der aus ihrer Sicht eindeutigen Rechtslage. Aus Angst um ihr Turnier in wenigen Tagen in Weissenhaus gibt Buettner einer Forderung der FIDE nach. Am 3. Februar habe man entschieden, man verzichte auf den Titel Weltmeisterschaft, vorerst, für zehn Monate. Dadurch dürfte das Durchführen des Turniers in Weissenhaus in vier Tagen gesichert sein. De facto erkennt Buettner damit eine Teilniederlage an, auch wenn er es als Rettungsaktion für die verunsicherten Spieler verkauft. Buettner will die Regeln anpassen. Anmerkung: Beim Abrufen der Offiziellen Regeln am 3. Februar 2025 um 17.49 Uhr deutscher Zeit, steht dort immer noch das Regelwerk zur Freestyle Chess World Championship. Das dürfte sich allerdings bald ändern, auch wenn Buettner auf seine Website selbst verweist und das noch einen nicht unerheblichen Widerspruch darstellt. Zum Schluss weist Buettner erneut auf einen anstehenden Rechtsstreit hin, er werde jetzt seine Anwälte einschalten, da weitere Verhandlungen nutzlos seien.



UPDATE (04.02.2025): Inzwischen steht in den Regularien Freestyle Chess Grand Slam Tour. Das genügt der FIDE.



FIDE Statement vom 3. Februar 2025

In den letzten Tagen hat die FIDE ausführliche Gespräche mit der „Freestyle Chess Tour“ über die mögliche Anerkennung ihrer Veranstaltung als Weltmeisterschaft geführt. Trotz unserer Bereitschaft zur Zusammenarbeit – einschließlich eines Verzichts für die Teilnehmer des geplanten Wettbewerbs 2025, eines Verzichts auf die Gebühr für die Ausgabe 2025 und der Forderung nach einem Ende der unbegründeten Anschuldigungen gegen die FIDE und der Untergrabung des klassischen Schachs – wurde keine Einigung erzielt.

Die „Freestyle Chess Tour“ hat sich entschieden, die bestehende Autorität der FIDE in Bezug auf den Weltmeistertitel nicht anzuerkennen, und hat sich dafür entschieden, ein privat organisiertes Turnier zu bleiben, an dem hauptsächlich handverlesene Elitespieler teilnehmen, anstatt einen offenen und transparenten Qualifikationsprozess durchzuführen.

Eine echte Weltmeisterschaft muss inklusiv sein, mit transparenten Qualifikationswegen, die den Regeln und Vorschriften der FIDE folgen, die mit dem Konsens der globalen Schachgemeinschaft festgelegt wurden, wie im FIDE-Weltmeisterschaftszyklus zu sehen ist. Ohne diese Grundsätze ist die Integrität des Titels in Gefahr.

In Anbetracht dessen müssen Spieler, die an der Freestyle Chess Tour 2025 teilnehmen möchten, die Verzichtserklärung bis zum 4. Februar 2025, 18:00 Uhr MEZ, unterzeichnen, um für den offiziellen FIDE-Weltmeisterschaftszyklus zugelassen zu bleiben. Wir weisen darauf hin, dass dieses Dokument den Spielern keine neuen Anforderungen auferlegt, sondern ihnen eine einmalige Ausnahme von ihren bestehenden vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der FIDE gewährt. (Deutsche Übersetzung)

In dem Statement der FIDE klingt manches anders als bei den Freestylern. Zwei Punkte sind herauszuheben: Die Freestyler wollten die FIDE nicht anerkennen. Die Veranstaltung ist aus Sicht der FIDE gegen die klassische Weltmeisterschaft, das größte Asset des Weltschachbundes, konzipiert.


Carlsen mit direkter Attacke auf Dvorkovich

Der neue Standard im Weltschach scheint es zu sein, interne Diskussionen und ohne wirklichen Kontext öffentlich zu machen. das soll die Glaubwürdigkeit des Gegenüber erschüttern. Carlsen will einen Wortbruch beweisen, man kann die Hinweise aber auch so sehen, dass Dvorkovich sein Versprechen, in 2025 keinen Spieler für die Teilnahme am Freestyle-Turnier zu bestrafen, einhält. In der Diskussion hatte er ausdrücklich eine Einigung als noch nicht sicher bezeichnet. Die Freestyler scheinen anzunehmen, dass Dvorkovich das Gremium der FIDE falsch informiert hat.


„Ich kenne keine Kompromisse. Wenn ich etwas machen will, dann muss es perfekt sein. Da ist es wirklich egal, was es kostet. Wenn es nicht perfekt ist, mache ich es nicht“, sagt Jan Henric Buettner, die treibende Kraft hinter den Freestyle Chess Events. Zitiert aus einem Porträt Artikel über Buettner

von TJ Svensen vom 29.1.25.



UPDATE
Am 4. Februar 2025 kamen diese TAKE TAKE TAKE Clips heraus.


UPDATE

5. Februar 2025. Am Freitag soll das gesamte Interview mit Magnus Carlsen bei TAKE TAKE TAKE herauskommen. Derweil ein weiterer Auszug als Appetithappen sozusagen.


Foto: Maria Emelianova für Freestyle Chess. Die Schachwelt

Historisches Foto (Berlin 1918)

Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.


1. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?

Diese Stellung stammt aus dem Social Media Kanal von Jan Timman. Das sagt schon alles. Schwierig, denn es handelt sich um den Teil einer Studie. Ich wünsche freudiges Lösen. Sonntage sind überschätzt.


2. Aufgabe: Wie sollte Schwarz hier fortsetzen?

Diese Stellung stammt aus einer Partie zweier Isländer und wurde von dem Schwarzspieler in seinem Social Media Kanal veröffentlicht. Er scheiterte daran den besten Zug zu spielen und die Partie endete Remis. Ich habt natürlich mehr drauf.


3. Aufgabe: Was kann man Weiß am Zuge hier empfehlen?

Die Idee für diese Stellung stammt aus dem Social Media Kanal von Igor Smirnov. Viel Erfolg.


4. Aufgabe: Weiß ist am Zuge. Findet den besten Zug.

Ein Fund auf Social Media im Kanal von Maurice Ashley. Was kann Weiß noch unternehmen? Und wie ist die Stellung nach dem besten Zug zu bewerten? Die Lösung ist nicht allzu schwierig zu entdecken, aber schick und lehrreich allemal.

Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Historisches Foto (Berlin 1918) Von Thorsten Cmiel Die Idee

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit

Praggnanandhaa (19) war der erste Führende im Turnier. Dann hagelte es eine Niederlage gegen Anish Giri und der Inder verlor etwas den Kontakt zu Gukesh und Nodirbek Abdusattorov. Es folgten Siege gegen Vladimir Fedovseev, Fabiano Caruana und Alexey Sarana. Nach 12 Runden ist Pragg wieder dran.

Nach einem Blitzstart mit 3.5 aus vier hatte Pragg in der ersten Hälfte überzeugt. Lediglich sein Unentschieden gegen Nodirbek zu Beginn war etwas wackelig. Dann folgte eine Phase mit vier Remispartien in denen der Inder einiges versuchte, aber letztlich nicht erfolgreich war. In den Runden neun bis zwölf kamen vier entschiedene Partien hinzu.

(Ergebnisse: Chess-Results )

Anish Giri – Praggnanandhaa 1 – 0

Die Partie verlief lange Zeit entlang strategischer Bahnen. Der Inder hatte positionell einen nicht ganz einwandfreien Aufbau gewählt und sein Stellung krankte etwas an seinem eingemauerten Läufer auf b7 und weniger Raum. Bis dann der Niederländer eine radikale Lösung wählte und die Situation auf dem Brett sich verschärfte.


In dieser Stellung im 27. Zug konnte Weiß geduldig seinen Vorteil weiter ausbauen und seinen Springer nach d3 beordern. Weiß verfügt auf der Habenseite neben dem Raumvorteil über das Läuferpaar und der Bauer auf e3 fällt kaum ins Gewicht. Anish Giri wählte stattdessen eine radikale Lösung und nahm zunächst mit dem Springer auf d5 und rückte seinen c6-Bauern vor, um die geopferte Figur zurück zu gewinnen. Das hat allerdings den Nachteil, dass Weiß damit auf seine langfristigen strukturellen Vorteile verzichtet, um die c-Linie zu öffnen für ein vorteilhaftes Endspiel. Man könnte sagen, die Entscheidung ist zweischneidig gewesen.


Erst in dieser Stellung kippt die Partie endgültig. Nach anderthalb von zehn Minuten spielt der Inder hier den hässlichen Zug f7-f6 und es kommt zu einem schlechterstehenden Endspiel nach späteren Damentausch auf der c-Linie. Giri gibt seinem Gegner danach keine Chance mehr. Pragg sollte in der hier dargestellten Stellung den Druck des Gegners auf der langen Diagonalen ignorieren und selbst zum Gegenangriff übergehen. Schwarz konnte entweder hier seinen Springer nach b6 überführen, um diesen später nach c4 zu stellen mit Angriff auf e3 und b2. Oder er ignorierte die Bauerngabel des Gegners und zieht seinen a-Turm nach e8 und nimmt den Bauern auf e3 direkt ins Visier.


Praggnanandhaa – Vladimir Fedoseev 1 – 0

Pragg hatte in den zurückliegenden Jahren festgesellt, dass seine Physis nicht ausreichte, um das Turnier in Wijk aan Zee auf dem gleichen Level zu beenden. Besonders 2023 war das auffällig gewesen. 2024 lief es dann schon besser mit elf Remispartien und zwei Siegen blieb zumindest der Einbruch in der Schlussphase aus. Als Vorbereitung für das Kandidatenturnier hatte der Junge aus Chennai auch daran gearbeitet. In der neunten Partie wählte sein Gegner bereits früh das Chaos und der Inder bekam eine ordentliche Stellung und baute seinen Vorteil zunächst sukzessive aus. Fedoseev allerdings gelang es mit findigem Spiel sich bis zum dreißigsten Zug im Spiel zu halten. Mehr als knapper Ausgleich war aber nie drin.


Vladimir Fedoseev gilt als unkonventioneller Spieler. Aber nach dem Abtausch des Läufers auf f6 mit dem g-Bauern zurück zu nehmen ist doch etwas zu viel der Kreativität. Fedoseev ist gebürtiger Russe und spielt inzwischen für Slowenien, da er den Krieg mit der Ukraine ablehnt. Er gehört damit zu mehreren ehemaligen russischen Großmeistern, die das Land verlassen haben. Bei der Schacholympiade war es ihm gelungen Magnus Carlsen zu besiegen und in Wijk hatte Fedoseev gegen Fabiano Caruana voll gepunktet. Zuletzt war hinzugekommen, dass er sich für das Freestyle Turnier qualifizieren konnte. Dort wird mit ausgelosten Stellungen begonnen, die zumindest in der Eröffnungsphase kreative Lösungen erfordern.


In dieser spannenden Stellung schlägt der Maschinenraum für Pragg als Alternative vor, zunächst auf g4 zu schlagen, also die Dame zu geben. Das ist freilich keine einfache Entscheidung und man kann verstehen, dass der Inder stattdessen seine Dame nach f1 zurück zog. Tatsächlich markiert diese Situation den letzten Moment in der Partie zu dem Fedoseev die Stellung wieder ins Gleichgewicht bringen konnte. Danach verhedderte sich Fedoseev allerdings zusehends und Pragg gab ihm keine zweite Chance.


Fabiano Caruana – Praggnanandhaa 0 – 1

Der Inder inszeniert an diesem Tag einen Faustkampf und gewinnt. Fabiano Caruana musste mit Plus Eins in der elften Runde unbedingt gewinnen, um noch eine Chance auf die vorderen Plätze zu haben, vielleicht ließ er sich deshalb darauf ein. Die beiden Kontrahenten bekamen eine Carlsbader Struktur mit asymmetrischen Bauern im Zentrum auf das Brett. Die lange Rochade ist für den Anziehenden eher eher seltene Entscheidung. In den taktischen Verwicklungen dieser Partie fand sich der jüngere Spieler jedenfalls besser zurecht und heftete einen der seltenen 2800er Scalp an seinen Gürtel.


Fabiano Caruana stand hier vor seinem 13. Zug. Sein Gegner hatte am Damenflügel seine Bauern nach vorne getrieben und es war an der Nummer Zwei der Welt dagegen zu halten. Die richtige Antwort dürfte Schachtrainer und Lernende begeistern, denn genau das lernt man im Training. Allerdings suchen im Spitzenschach auf höchster Ebene die Spieler oft die Ausnahme und nicht die Regel bestätigt zu finden. Die Antwort findet sich in der ausführlichen Analyse.

Beide Spieler hatten nur noch wenig Bedenkzeit für acht Züge, wobei der US-Amerikaner mit etwas mehr als anderthalb Minuten sogar etwas weniger hatte. Zuletzt hatte er seine vom Springer c5 attackierte Dame von d3 nach nach e3 gezogen. Warum war das ein Fehler? Pragg ließ sich jedenfalls nicht zweimal bitten.


Praggnanandhaa – Alexey Sarana 1 – 0

Es kommt nicht so häufig vor, dass im Meisterschach auf der höchsten Ebene ein Spieler drei Partien hintereinander gewinnt. Pragg gelingt dieses Kunststück gleich zweimal in diesem Turnier. Nach der Partie hatten die Spieler noch Zeit die wichtigsten Momente durchzugehen.


Der entscheidende Moment. Zuletzt hatte Alexey seinen Springer nach b5 gezogen und dachte die Stellung ausreichend befestigt zu haben. In Wirklichkeit war sein letzter Zug der spielentscheidende Fehler. Pragg zertrümmerte die gegnerische Deckung durch das Springeropfer auf a6. Bemerkenswert ist wie er in der Folge seinen scheinbar toten Springer h4 in den Angriff mit einbezog. Ein modernes Lehrbuchbeispiel für einen effektiv vorgetragenen Angriff.


Wijk 2025: Gukesh oder Pragg?

Vor der dreizehnten, der letzten Runde im Tata Steel Masters 2025 führen Praggnanandhaa und Gukesh punktgleich mit achteinhalb Punkten die Tabelle an. Gukesh spielt mit Weiß gegen seinen Landsmann Arjun Erigaisi, der in Wijk arg gerupft wurde, aber zuletzt gegen Nodirbek den indischen Erfolg durch seinen ersten Sieg in turnierübergreifend 25 Partien im Masters sicherte. Pragg hat es in der letzten Runde mit dem deutschen Topspieler Vincent Keymer zu tun, der mit seinem Turnier insgesamt nicht zufrieden sein dürfte. Für Spannung ist gesorgt. Wieder einmal zeigt sich warum Wijk aan Zee bei Fans so beliebt ist.


Fotos: Jurriaan Hoefsmit und Lennart Ootes für Tata Steel Chess.

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Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit Praggnanandhaa (19) war der erste

Titelfoto: Lennart Ootes

Die Jugend übernimmt und zwar nicht weil starke ältere Spieler fehlen, sondern weil die Jungen ambitionierter sind und Spaß an Leistung haben. Einige grandiose Momente der jungen Garde aus dem Tata Steel Masters 2025 begeistern. Diesmal Nodirbek Abdusattorov.

Von Thorsten Cmiel

Wir zeichnen zunächst die Turnierentwicklung der drei führenden Spieler im diesjährigen Masters Turnier in Wijk aan Zee nach. Das sind der amtierende Schachweltmeister Gukesh, 18, Nodirbek Abdusattorov, 20, Praggnanandhaa, 19, diese führen in dieser Reihenfolge das Feld im Masters nach zehn Runden an.


Nodirbek Abdusattorov (Usbekistan)

Nodirbek Abdusattorov ist der bislang jüngste Schnellschachweltmeister aller Zeiten. Nodirbek lebt in Tashkent in Usbekistan und gewann die Schnellschach-Weltmeisterschaft 2021 in Warschau mit 17 Jahren. 2022 legte er mit seinem Team bei der Schacholympiade in Chennai nach und holte die Goldmedaille im Team und Silber am ersten Brett, hinter dem Inder Gukesh, der die wichtigste Partie der beiden Gladiatoren allerdings verlor, die Entscheidungspartie. Bei der Schacholympiade in Budapest 2024 lag Abdusattorov erneut auf dem zweiten Platz in der Einzelwertung, erneut vor Magnus Carlsen und wieder hinter Gukesh. Dass sich der Usbeke 2024 nicht für das Kandidatenturnier qualifizierte war für manche Beobachter eine Überraschung. In Wijk war der Usbeke bereits zweimal nah dran zu gewennen. 2023 lag er nach einem Sieg gegen Magnus Carlsen vorne und verlor erst in der letzten Runde gegen Anish Giri und den Turniersieg. 2024 war Nodirbek einer der vier Co-Sieger. Letztlich gewann der Chinese Wei Yi. 2025 macht Nodirbek erneut viel Druck. Bisher kann nur Gukesh mithalten.

Kalkulationen

Wenn sogar einer der besten Rechner auf der Tour nicht alles ganz exakt hinbekommt, dann ist das ein Zeichen für eine extrem komplizierte Angelegenheit. Im ersten Beispiel aus der Startrunde scheitert Nodirbek vermutlich an seiner Ungeduld, da sein Gegner in rasender Zeitnot war. Der Usbeke übersah ein Qualitätsopfer seines Gegners und entschied sich in der Folge dafür, keine Experimente mehr zu versuchen.


Erneut stand Nodirbek mit Schwarz auf Gewinn und fand zunächst nicht den präzisen Weg zum vollen Punkt. Als ihm aber sein Gegner mit einem Damenzug nach c3 eine zweite Chance offerierte griff er zu…


Der usbekische Signature-Zug

Wir hatten bereits den Sieg von Abdusattorov im Franzosen gegen Leon Luke Mendonca angesehen. Der junge Usbeke ist offenbar bereit in anderen Stellungen ebenfalls seinen a-Bauern früh ins Spiel einzubeziehen. Die Idee solcher früher Randbauernzüge ist es oft, der Eröffnungsvorbereitung des Gegners aus dem Weg zu gehen und einfach eine Partie Schach zu spielen. Das war in Kurzform die übergeordnete Strategie des Teams Gukesh in Singapur. Gegen den Turnierfavoriten Fabiano Caruana war es der dritte Zug von Nodirbek und die Kontrahenten hatten diese Stellung auf dem Brett.


Nodirbek hatte keine Schwierigkeiten aus der Eröffnung heraus und glich recht komfortabel aus gegen die Nummer Zwei der Welt. Es gab nur einen kurzen Moment der Sorge in einer späteren Phase. Bemerkenswert ist das unbändige Selbstbewusstsein, das Nodirbek Runde für Runde erneut aufbringt. um so früh wie möglich auf eigenen Eröffnungsbeinen zu stehen.


Der usbekische Wanderkönig

In Wijk zeigte Abdusattorov seine hervorragend trainierten Rechenfähigkeiten und endete in zwei Partien mit einem Wanderkönig. Auch die Bereitschaft diese Extrameilen bei der Kalkulation zu gehen, ist ein starkes Indiz für ein stark ausgeprägtes Selbstvertrauen. Nodirbek hat bekanntermaßen mit dem Verleger und Buchautor Jacob Aagaard zusammengearbeitet. Der ist sozusagen spezialisiert auf diese Art Unterstützung von Spitzengroßmeistern. Zu seinen langjährigen Partnern gehören Sam Shankland und Boris Gelfand. Inzwischen arbeitet Nodirbek mit Rustam Kasimdzhanov zusammen, der lange Zeit Sekundant von Fabiano Caruana war, bis die Zusammenarbeit in einer Art Rosenkrieg endete.


In seiner Partie gegen den niederländischen Großmeister Jorden Van Foreest schlug Nodirbek hier im zweiunddreißigsten Zug den weißen Läufer auf f4. Acht Züge später stand sein König auf d5, weil das der einzige Weg zum Erfolg war. Sieben Züge später gab sein Gegner auf. Wer will kann die Varianten möglichst ohne Ansicht des Brettes berechnen. IM Vidoe erklärt der Usbeke dann warum er Glück hatte.



Diese Stellung ist aus der zehnten Runde. Nodirbek steht mit Weiß bereits auf Gewinn. Im 43. Zug zog der Jungstar hier seinen König nach g3. Zehn Züge später wird sein König auf c6 stoppen und Schwarz gab auf.


Nach der zehnten Runde geht es in den letzten Ruhetag. Nodirbek wird sicherlich versuchen Gukesh zu jagen. Diese zwei Junggroßmeister sind inzwischen vermutlich etwas vorne dran bei den ehemaligen Wunderkindern. Praggnanandhaa hatte nach dem Kandidatenturnier nicht mehr zulegen können, ist aber einer der Spieler, die vielleicht als nächstes aufschließen können. Arjun Erigaisi ist ein Jahr älter als Nodirbek und macht in Wijk eine schwere Zeit mit. In jetzt dreiundzwanzig aufeinander folgenden Partien gelang dem Inder bisher noch kein Sieg. Ein anderer glänzt meist durch Abwesenheit und das mag unterschiedliche Gründe haben. Der französisch-iranische Großmeister Alireza Firouzja versagte zweimal in Kandidatenturnieren und wird erst wieder in der Grand Chess Tour zu sehen sein, die er in den Jahren der Kandidatenturniere gewann. Mit Nihal Sarin scheint ein anderer ehemaliger Jungstar den Anschluss verpasst zu haben. Für den deutschen Hoffnungsträger Vincent Keymer läuft es in diesem Jahr erneut nicht in Wijk. Auch für ihn wird sich wie für alle Topspieler die Frage stellen, wie er sich für das Kandidatenturnier 2026 qualifizieren kann.


Die Fotos von Jurriaan Hoefsmit und Lennart Ootes in diesem Beitrag wurden gemacht für Tata Steel Chess.

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Titelfoto: Lennart Ootes Die Jugend übernimmt und zwar

Historisches Foto

Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.

Die Aufgaben dieser Serie beruhen auf einer der bekanntesten Studien der Schachgeschichte. Der Autor ist der Tschechoslowake Richard Rèti (1889 – 1929), einer der stärksten Schachspieler seiner Zeit.

1.Kg7 h4 2.Kf6 (Kb6 3.Ke5) h3 3.Ke5 =

Der König nähert sich durch Ziehen entlang einer Diagonalen and und verfolgt zwei Ziele. Dadurch erzwingt er das Erreichen von einem der beiden. Das Manöver beruht auf der Eigenheit der Schachbrettgeometrie. Veröffentlicht am 21. September 1921 in der Niederösterreichischen Tages-Zeitung.


1. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?


2. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?


3. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?


4. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Historisches Foto Von Thorsten Cmiel Die Idee der Lasker

Titelfoto: Lennart Ootes

Vor dem zweiten Ruhetag hat sich das Feld im Challengers Turnier in Wijk 2025 weiter aufgespalten in Spielerinnen und Spieler, die über 50 Prozent aufweisen und denen darunter. Bei den vier weiblichen Teilnehmerinnen gab es tragische Momente. Stabile Ergebnisse weisen die Inderin Vaishali und Lu Miaoyi auf.

Von Thorsten Cmiel

Wir hatten uns das bisherige Abschneiden der Frauen in den ersten fünf Runden angesehen. Nach der achten Runde sieht es immer noch so aus als würden die Chinesin Lu Miaoyi, die im Februar fünfzehn Jahre alt wird, und Vaishali gut im Feld mithalten können. Divya Deshmukh muss den zweiten Ruhetag nutzen, sich zu konsolidieren. Nach der Pause musste die Inderin dreimal hinter sich greifen. Ihre Situation ist vregleichbar mit der von Arjun Erigaisi in der Tata Steel Meisterklasse, der bis zur achten Runde dreißig Ratingpunkte eingebüßt hat und turnierübergreifend keine seiner 21 bisher gespielten Partien in Wijk gewinnen konnte. Wenn es nicht gut läuft will man als Spieler oder Spielerin das Turnier meist ganz schnell hinter sich bringen. In Wijk stehen jetzt noch fünf weitere Runden an. Das ist brutal wie jeder weiß, der einmal ein Rundenturnier absolviert hat, das nicht den gewünschten Verlauf genommen hat. Zumal Spieler mit ohnehin schlechter Form von den anderen Teilnehmern gerne als mögliche Punktelieferanten ausgeguckt werden. Somit ist klar: Für Divya und Irina stehen noch fünf schwierige Runden an.

Punkte nach 5 RundenRunde 6Runde 7Runde 8GesamtPerformance
Vaishali3.00.50.50.54.52563
Lu Miaoyi3.010.50.04.52575
Deshmukh1.50.00.00.01.52321
Bulmaga0.50.50.00.01.02231

Nach den ersten fünf Runden hatten wir uns die Partien von Divya Deshmukh genauer angesehen. Diesmal betrachten wir die Partien einer Spielerin bei der es bisher besser läuft. Die vierzehnjährige Lu Miaoyi begann in der ersten Runde mit einer gut vorgetragenen Partie gegen den kazachischen Großmeister Kazybek Nogerbek. Nach einem soliden Remis gegen Vaishali mit den schwarzen Steinen folgte ein weiterer GM-Scalp. Lu gewann gegen die deutsche Nummer Zwei, Frederik Svane. Der musste sich mit der französischen Abtauschvariante der Chinesin auseinander setzen und kam damit nicht gut zurecht. Gegen Irina Bulmaga remisierte Lu erneut mit den schwarzen Steinen. Erst in der fünften Runde musste die Chinesin das erste mal hinter sich greifen als sie gegen den Niederländer Benjamin Bok verlor.


Runde 1: Lu Miaoyi (CHN) – Kazybek Nogerbek (KAZ) 1 – 0

Der Partieverlauf war deutlich zugunsten der jungen Chinesin verlaufen. Allerdings hatte sie etwas ängstlich in Gewinnstellung die Damen zum Tausch angeboten und damit einen Teil ihres Vorteils eingebüßt. Mit den zwei Springern für den Turm steht Lu allerdings immer noch klar vorteilhaft. Der Kazache kann allerdings noch hoffen. Er sollte die Beweglichkeit der gegnerischen Springer reduzieren und zunächst mit seinem Turm nach c5 ziehen. Er droht dann den Springer e5 durch Vorrücken seines g-Bauern weiter zu entwurzeln. Der Kazache begann mit dem g-Bauern Lu verzichtete auf den Bauern zog ihren f-Bauern vor und stand klar auf Gewinn.

Dieses Foto zeigt Frederik Svane unmittelbar vor dem entscheidenden Fehler.


Runde 3: Lu Miaoyi (CHN) – Frederik Svane (GER) 1 – 0

Vermutlich hatte Frederik den Steinitz-Aufbau in der klassischen französischen Verteidigung vorbereitet, so hatte die Chinesin vorher schon gespielt. Lu reagiert diesmal legitim und wählt die französische Abtauschvariante, die es ihrem Gegner erschwert auf Gewinn zu spielen. Am Ende kam es noch dicker für den Deutschen. Frederik (Jahrgang 2004) selbst war bereits in jungen Jahren ein hervorragender Taktiker. In der Ausgangsstellung steht die Chinesin sicher etwas angenehmer. Auf den Vormarsch des schwarzen g-Bauern folgt vermutlich ein aussichtsreiches Figurenopfer mit dem Springer auf g5. Weiß verbleibt nach der Annahme mit den besseren Chancen. Entschieden ist dann nichts. Stattdessen zog Frederik seinen Läufer nach f5. Lu nahm mit dem Läufer auf f6 und gewinnt eine ganze Figur. Ein typischer Fall von Schachblindheit.

Die Fotos zeigen die Gegner von Lu in den Runden vier und fünf. Gegen Irina Bulmaga folgte eine wenig ereignisreiche Partie bis zu dem folgenden Moment. Die Chinesin hatte ihre Züge ohne Nachdenken aufs Brett gestellt und sollte ihren achtzehnten Zug ausführen.


Runde 4: Irina Bulmaga – Lu Miaoyi 0.5 – 0.5

Für ihren nächsten Zug nahm sich die Chinesin 55 Minuten Zeit und spielte in der Tat den besten Zug. Solche Momente nach langen Vorbereitungen sind oft gefährlich für Turnierspieler, die sich erst in eine Partie hineinfinden müssen. Hier ist der naheliegende Zug der Zug mit der Dame nach e4. Weiß wird mit seiner Dame nach d5 gehen und Schwarz bleiben zwei Antworten, die aber nicht ausreichen. Die erste Möglichkeit besteht in einem doppelten Schachgebot mit dem Springer auf h4. Danach wird Weiß den König zunächst nach g1 ziehen. Nach dem erneuten Schach mit dem Springer auf f3 folgt diesmal der Zug des Königs nach h1 und Weiß stünde vorteilhaft. Die zweite Möglichkeit sieht ebenfalls auf den ersten Blick attraktiv aus. Schwarz opfert seinen Läufer auf h3 mit Schachgebot. Greift der weiße König dann zu, folgt ein Schach mit dem Springer auf g1 zur Ablenkung und Weiß kann dem Dauerschach durch Schachgebote mit dem Springer nicht entkommen. Aber Weiß kann den Läufer verschmähen und erneut seinen König nach h1 ziehen. Danach stünde die Rumänin auf Gewinn. Lu vermied diese Varianten und zog zunächst ihren c-Bauern ein Feld vor und nahm ihrer Gegnerin dadurch das Feld d5. Die Partie endete danach in einem absehbaren Remis.


Runde 5: Lu Miaoyi (CHN) – Benjamin Bok (NED) 0 – 1

Lu Miaoyi stand hier mit den weißen Steinen vor ihrem 27. Zug. Sie wählte letztlich eine zu langsame Fortsetzung. Aber wer ihre Leistung mit Maschinenhilfe locker bewerten möchte, der versuche sich vorher selbst an dieser Stellung. Wie sollte sie hier fortsetzen? (Kalkulationsaufgabe) Mehr als nur ein Zug ist hier notwendig. Viel mehr.


Runde 7: Lu Miaoyi (CHN) – Divya Deshmukh (IND) 1 – 0

In der Partie zwischen Lu und Divya war hier die Chinesin am Zuge. Der schwarze Königsflügel ist geschwächt und Weiß sollte seine Kräfte optimal auf eine weitere Expansion am Königsflügel vorbereiten. Lu Miaoyi zog hier ihren Turm nach f1, um den anderen Turm nach e1 zu stellen. Aber es gab eine deutlich stärkere Fortsetzung, die an die Spielweise von Anatoly Karpov erinnert.


Runde 8: Thai Dai Van Nguyen (CZE) – Lu Miaoyi (CHN) 1 – 0

Die Partie verlief bis hierhin recht ruhig. Der Großmeister stand weite Teile der Partie etwas besser, konnte sich aber keinen größeren Vorteil erspielen. Die Struktur haben die Spieler schon 16 Züge auf dem Brett und in dieser Stellung war die Chinesin dran. Weiß hat einen pseudoaktiven König auf c6, der wird aber vom verankerten Turm auf b5 wirkungsvoll und dauerhaft vom a-Bauern fern gehalten. Lu überlegte hier 21 ihrer 28 Minuten restlichen Bedenkzeit und ihr unterlief ein fürchterlicher Fehler. Schwarz kann hier den Läufer nach d2 ziehen und ein komfortables Remis erreichen. Aber offensichtlich hatte die Chinesin einen Knoten in ihren Berechnungen. Der könnte so aussehen: Weiß antwortet auf den Läuferzug mit einem Schach des Läufers auf d6, der König zieht weg nach g8 und Weiß schwenkt mit seinem Turm nach a1. Schwarz nimmt nun auf b4 mit dem Läufer und bei mangelnder Visualisierung könnte man annehmen, dass Schwarz hier Material verliert, da der Turm auf b5 kein Feld zur Verfügung hat, um den Läufer b4 gedeckt zu halten. Aber Schwarz hat kann als Antwort seinen Turm nach a5 ziehen und ausgleichen. Lu zog stattdessen ihren Läufer nach c5, die Idee ist ähnlich, aber der Läufer auf c5 verhindert das Schachgebot auf der Diagonalen mit dem schwarzen König. Nguyen nahm den Läufer weg und nachdem Schwarz den weißen Turm auf b1 geschlagen hatte, zog der Tscheche seinen König nach d7 und der weiße c-Bauer ist unaufhaltbar. Dieses abrupte Ende erinnert an die dritte Runde in der Frederik Svane ein ähnliches Malheur unterlaufen war.

Großmeisternorm noch drin

Die Chinesin zeigte bislang vor allem mit den weißen Steinen starke Angriffsleistungen. In den letzten fünf Runden stehen für die Chinesin allerding noch schwierige Aufgaben an. Immerhin hat sie noch drei Weißpartien (gegen Aydin Suleymanli, Erwin L’Ami und Nodirbek Yakuboeev). Mit Schwarz spielt sie noch gegen Ediz Gurel und Faustino Oro. Für eine Großmeisternorm muss sie auf siebeneinhalb Punkte kommen, also noch drei Punkte sammeln. Schwierig, aber nicht unmöglich.

Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.


Titelfoto: Lennart Ootes Vor dem zweiten Ruhetag hat

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit

Die Partien zwischen den beiden Indern Praggnanandhaa und Gukesh haben immer eine besondere Brisanz. Geht es doch um die Vormachtstellung im eigenen Land und in Chennai. Zurzeit hat Gukesh klar die Nase vorn, denn er gewann im letzten Jahr Kandidatenturnier und Weltmeisterschaft. In der achten Runde 2025 kam es zum Prestigeduell beim Tata Steel Masters in Wijk.

Von Thorsten Cmiel

Die beiden indischen Supergroßmeister leben wie der Übervater des indischen Schach, Viswanathan Anand, in Chennai. Bei jedem Aufeinandertreffen geht es also nicht nur um die Vorherrschaft in Indien, sondern auch darum wer im Lokalen vorne liegt, wer Stadtmeister in Chennai ist sozusagen. Für Pragg ist das Duell nichts Besonderes, sagt er. Erinnert sei trotzdem daran wie manche Duelle in der Vergangenheit abliefen. Dramen war oft und mit normalen Maßstäben kaum zu erklären. Schauen wir kurz zurück.


Beim Rejkjavik Open 2022 spielte Gukesh (15) mit Weiß in der letzten Runde gegen Pragg (16). Er musste gewinnen, um sich den Turniersieg zu sichern. Dem älteren der beiden Inder reichte ein Remis. Was jetzt folgte war dramatisch. Gukesh steht offensichtlich klar besser, objektiv sogar auf Gewinn. Der Damentausch auf d4 kommt natürlich für Pragg nicht in Betracht. Er fand noch einen letzten Schwindel und zog seine Dame nach f5. Falls Weiß dann den ungedeckten Springer auf c3 nehmen würde, folgt der Einschlag auf g2 und das Zurückschlagen mit dem König würde zum Dauerschach führen. Soweit so verständlich. Gukesh konnte an der Stelle seinem König etwas Luft verschaffen indem er seinen h-Bauern ein Feld vorrückt und der gegnerischen Dame das Feld g4 verwehrt. Stattdessen zog Gukesh seine Dame nach e5 und erneuerte das Angebot zum Damentausch. Dieser Zug kostete ihn bereits seinen entscheidenden Vorteil. Pragg sagte erneut nein, zog seine Dame nach g4 und drohte selbst direkt Matt auf g2. Es war jetzt an Weiß mit dem Läuferzug nach e4 die Partie noch knapp auszugleichen. Gukesh zog stattdessen seinen Turm nach g1 und deckte damit den Läufer auf g2. Pragg fand dann einen schicken Gewinnzug. Wird nicht aufgelöst.


Beim Tata Steel Masters 2024 hatte Gukesh seinen Gegner überspielt. Erneut stand er auf Gewinn und musste seinen vierzigsten Zug, den Kontrollzug, ausführen. Die beiden hatten zuvor bereits mit wenig Bedenkzeit die Züge des weißen Läufers nach d6 und die Antwort mit der Dame nach f7 gespielt. Gukesh erneuerte die Stellung und zog seinen Läufer nach d6. Pragg nutzte seine Chance, kündigte seinen Zug mit der Dame nach f7 and und reklamierte dreimalige Stellungswiederholung. Was war passiert? Die ursprüngliche Stellung war nach dem Turmzug nach g8 entstanden und das scheint Gukesh übersehen zu haben. Später wird er sein Malheur als dumm bezeichnen, da praktisch jeder andere Zug als sein Zug mit dem Läufer gewonnen hätte. Das stimmte zwar nicht, aber irgendwie dann doch.


Wenige Tage nach dem Drama in Wijk trafen Pragg und Gukesh erneut aufeinander und zwar im Prag Masters. Der ältere der beiden, Pragg, stand mit Weiß auf Gewinn und musste zunächst das Schachgebot parieren. Pragg blieben zwei Optionen, er konnte seinen König nach f5, also nach vorne schicken, oder er geht auf Nummer sicher und deckt den g2-Bauern und beordert den König nach g3 zurück. Pragg entschied sich für die sichere Variante, was objektiv den Gewinn verspielte. In der Folge gelang es Gukesh die Partie durch weiterhin präzises Spiel zu remisieren.


Die bislang wichtigste Partie von Pragg und Gukesh gewann bekanntlich Gukesh in der zweiten Runde beim Kandidatenturnier in Toronto 2024. Pragg hatte zwei Bauern in der Eröffnung geopfert und seinen Gegner damit früh unter Druck gesetzt. Gukesh verbrauchte viel Bedenkzeit, fand aber eine gute Verteidigung. Die Partie verblieb zunächst objektiv betrachtet gleich. In der hier betrachteten Stellung konnte Weiß im Einundzwanzigsten einen sehr kreatives Opfer seines Turmes anbieten, indem er mit seinem Turm auf d5 nimmt. Pragg spielte nicht so, sondern stellte seinen Läufer nach g5, was weniger gut war. In der Folge ging es noch etwas Hin und Her, aber Gukesh schien immer alles weitgehend unter Kontrolle zu haben. Am Ende reichte es für ihn zu einem wichtigen Sieg mit den schwarzen Steinen. Die Dramatik der Partie ist selbst eine eigene Erzählung wert, aber nicht unser Thema heute.

Diesmal blieb das ganz große Drama in der Begegnung aus. Aber es gab einen lehrreichen Moment, den wir festhalten wollen.


Runde 8: Praggnanandhaa – Gukesh

Gukesh steht hier vor seinem dreiunddzwanzigsten Zug. Pragg hatte zuletzt seinen Turm von d1 nach b1 gezogen und so den Gegner daran gehindert, mit dem Turm auf b2 einzusteigen. Auf den Springerzug nach a3, der Turm und Dame attackiert, kann Weiß auf b8 zunächst einen Turm tauschen. Der schwarze Springer auf c4 hemmt die weiße Stellung und ist eine Augenweide. Zu den Stellungsmerkmalen gehört, dass der Bauer auf a4 dem gegnerischen Turm auf b3 ein wichtiges Feld nimmt. Gukesh hatte zuvor alles getan, um den Bauern auf c6 mit seiner Dame von e8 aus zu attackieren. Jetzt konnte er mit seinem Turm nach d8 ziehen, dieser war von e8 gestartet und auf d8 verblieb Schwarz das wichtige Feld e8. Nicht einfach zu sehen, aber ein bemerkenswerter Moment. Gukesh ist ein Spieler, der vor allem durch seine Rechenfähigkeiten hervorsticht. Hier allerdings fand er die beschriebene positionelle Lösung nicht und zog seinen Bauern nach a3, was als ein konkretes Vorgehen bezeichnet werden kann. Die Partie wäre auch danach weiter im Gleichgewicht gewesen, aber Pragg stünde weiter hinten drin.

Die Partie verflachte nach einigen präzisen Zügen und die Spieler einigten sich letztlich auf Remis. Da auch der dritte Spitzenreiter Nodirbek Abdusattorov über ein Remis nicht hinaus kam, blieb das Trio mit fünfeinhalb Punkten weiter vorne.





Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.

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Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit Die Partien zwischen den beiden

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Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.


1. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?

Wer eine der berühmtesten Studien der Schachgeschichte kennt, kommt schnell auf die Lösung. Der Autor ist übrigens identisch. Mehr Hilfen gibt es allerdings nicht. Rechnen ist angesagt, selbst wenn man schnell auf die richtige Idee kommt.


2. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?

Wer die erste Aufgabe gelöst hat, der hat hier sicher keine großen Schwierigkeiten. Oder?


3. Aufgabe: Kann Weiß am Zuge Remis halten?

Aus der gleichen Aufgabenfamilie. Jetzt aber.


4. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Endspielwissen ist gefragt. Angenommen ihr spielt eine Blitzpartie und packt versehentlich ohne Nachzudenken den König an. Auf welches Feld zieht ihr ihn? Das ist eine gute Chance, denn schließlich hat der König nur drei Felder.

Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Historisches Foto Von Thorsten Cmiel Die Idee der Lasker

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit

Die Schlagzeilen beherrscht ein ehemaliger Weltmeister, der sich langweilt, rumnörgelt und anderen seinen Willen aufzwingen will. Gleichzeitig zeigt die junge Generation wie es wirklich um Schach steht. Hervorragend. Die Partien zwischen Nodirbek Abdusattorov und Gukesh sind längst moderne Klassiker zweier Gladiatoren, die Bock auf klassisches Schach haben.

Von Thorsten Cmiel

Die bislang wichtigste Partie der beiden Junggroßmeister fand vor etwa zweieinhalb Jahren statt. Gukesh hatte die weißen Steine. Gespielt wurde in Chennai 2022 bei der Schacholympiade. Dem Inder versagten die Nerven und sein Team verlor die Goldmedaille. Das B-Team Indien für das Gukesh, Pragg und Nihal Sarin antraten wurde Dritter und die Usbeken gewannen sensationell die Goldmedaille. Das ist die Kurzform.

Bei der Schacholympiade 2024 in Budapest gewannen bekanntlich diesmal die Inder und die Usbeken kamen auf den dritten Rang. Die Teams tauschten die Plätze. Gukesh und Nodirbek einigten sich in ihrer Partie Ende September nach 32 Zügen auf eine Punkteteilung durch Zugwiederholung. Die Partie verlief eher ereignislos. Gukesh überragte am Ende mit neun Punkten aus zehn Partien (Performance 3056) am ersten Brett. Abdusattorov musste elfmal ran und gewann die Silbermedaille mit ebenfalls neun Punkten (Performance 2884). Auf dem dritten Rang lag der Norweger Magnus Carlsen (Performance 2810), der die Siegerehrung schwänzte. Immerhin Carlsen war zur sechsten Runde auf dem Live-Youtube-Kanal von Chess24 zugeschaltet und kommentierte die Partie von Gukesh und Abdusattorov einige Minuten lang. Er lobte vor allem die Rechengewaltigkeit des Usbeken, der hatte am Tag zuvor gegen den Niederländer Jorden Van Foreest, einen ehemaligen Sekundanten von Carlsen, eine grandiose Rechenleistung hingelegt und war bei vollem Brett von b8 nach d5 in die Brettmitte marschiert, um eine Gewinnstellung zu reklamieren.

Die Partien der zwei Junggroßmeister in dieser Partie sind für Schachfans echte Highlights und beide profitieren von den harten Kämpfen den sie sich liefern. Bisher galt meist: Bei jedem Aufeinandertreffen spielen die beiden mit besseren Elozahlen gegeneinander als zuvor. Auch in diesem Jahr wurde niemand enttäuscht, der die Partie in der sechsten Runde verfolgte. Spannung und Dramatik sind möglich wenn zwei Spieler wollen.

Runde 6: Abdusattorov (UZB) – Gukesh (IND)


Es sind die unscheinbaren Randbauernzüge, die Gukesh zum Weltmeister gemacht haben. Kleine Nuancen entschieden über den Verlauf mancher Partien, die vom Team Gukesh unter der Leitung von Grzegorz Gajewski immer wieder ausgeheckt wurden. Erinnert sei an die Schwarzpartien des amtierenden Weltmeisters beim Kandidatenturnier gegen seinen Landsmann Vidit und den Azeri Nijat Abasov. Nodirbek kann das auch. Er hält diesmal dagegen mit seinem neuen Signature Zug, einem frühen a2-a4. Bereits zuvor in diesem Turnier hatte der Usbeke gegen den Inder Mendonca diesen Zug gespielt, allerdings in einer anderen Eröffnung. Der Erfinder ist der usbekische Toptrainer Rustam Kasimdzhanov, der inzwischen in Deutschland lebt und lange für Fabiano Caruana als Sekundant tätig war. Der Aufzug des a-Bauern ist oft ein typischer Zug im langsamen Italiener, nimmt dem Gegner Möglichkeiten am Damenflügel weg und droht selbst mit Expansion. Neu ist das frühe Konzept nur auf höchster Ebene. Immerhin können beispielsweise zwei Partien des starken tschechischen Großmeisters David Navara, der auch schon in Wijk dabei war, in der Datenbank gefunden werden. Schaut man im weiteren Verlauf nach, dann gab es die entstehenden Stellungen also schon häufiger, sogar auf höchster Ebene.


In dieser Situation muss Gukesh seinen achtzehnten Zug ausführen. Nodirbek hat zuletzt seinen Springer nach f1 gezogen und plant ganz offensichtlich seinen Springer nach h2 zu ziehen. Sollte dann der Läufer ziehen, käme die schwarze Dame auf h5 in Bedrängnis. Gukesh machte daher Platz für seine Dame und zog seinen Springer nach e7. Stattdessen hatte er an dieser Stelle eine sehr gute Möglichkeit und konnte seinen Springer nach f4 ziehen. Der darf nicht genommen werden, da Schwarz zu starken Angriff bekommt. Einen Springer nach vorne statt zurück zu ziehen ist oft ein Erfolg und hier konnte der Weltmeister mit etwas mehr Mut und der richtigen Eingebung etwa ausgleichen. Die Folgen sind freilich komplex und es bedürfte noch einiger Ausführungen das zu erläutern. Wer will kann in die Analyse unten in diesem Text schauen.


Hier verpasste Nodirbek eine gute Möglichkeit seine bis dahin einwandfreie Partieleistung weiter zu krönen. Er zog im Achtundzwanzigsten seine Dame nach a4 und gab dem Inder dadurch eine Chance, die dieser sich nicht entgehen ließ. Gukesh zog seinen Springer nach d8 und konsolidierte seine Stellung. Aber was war falsch am vorhergehenden Damenzug gewesen? Von b5 erfüllte die Dame zuvor eine wichtige Funktion. Sie fesselte den b-Bauern. Der konnte sich wegen seiner Deckungsfunktion für den Springer c6 nicht von der Stelle bewegen. Mit seinem Zug mit dem Springer drohte Gukesh also seinen b-Bauern zu ziehen. Dieser kleine Moment der Unaufmerksamkeit genügte dem Inder zum Ausgleich. Stattdessen sollte der Usbeke hier seinen Turm von f3 nach d3 ziehen und den Gegner vor schwierige Aufgaben stellen. Insbesondere der Bauer e5 könnte danach weiter unter Druck geraten. Sollte Schwarz dann beispielsweise wie in der Partie seinen Springer nach d8 ziehen, wird der weiße Springer nach f3 gestellt und der Bauer e5 attackiert – eine weitere Leistung einer Dame auf b5, den sie von a4 nicht mehr erfüllt. Versucht Schwarz dann das Problem durch eine Fesselung mit dem Läufer auf g4 zu lösen, nimmt Weiß trotzdem auf e5 zunächst mit der Dame und opfert eine Qualität. Weiß dominiert dann das Brett.


Gukesh steht vor seinem fünfundvierzigsten Zug. Er hatte sich zuvor für eine aktive Verteidigung entschieden und einen Bauern geopfert. Jetzt war er auf einen Trick angewiesen. Er plante mit einem Sidestep des Königs nach f8, den gegnerischen Turm zu attackieren und zwischenzeitlich einen weiteren Bauern zu opfern, um den gegnerischen Springer zu erobern. Die Idee konnte Schwarz auf zwei Arten realisieren. Er konnte entweder sofort seinen König nach f8 ziehen oder ein Zugpaar einschieben, indem er seinen Turm zunächst nach b3 zieht. Sein Gegner würde typischerweise seinen Königs nach g2 ziehen. Was es damit auf sich hat, ist schwierig zu verstehen und Gukesh konnte das Problem nach fünf Stunden intensivem Fight nicht lösen. Er entschied sich für den falschen Zug und zog sofort seinen König nach f8. Wer will kann anhand der Analysen den Unterschied herauszufinden versuchen. Wer es zunächst selbst herausfinden will, der sollte sich die Stellung genauer anschauen und jetzt mit dem Wissen des richtigen Zuges bewaffnet auf Spurensuche gehen.


In dieser Stellung war diesmal Weiß am Zuge. Die drei weißen Freibauern sind natürlich eine Macht gegen den Springer. Aber wie soll man die Partie konkret entscheiden? Nodirbek lässt an dieser Stelle für einen kurzen Moment nach, Gukesh ist erneut sofort da und rettet die lange Zeit verloren geglaubte Partie. „Push them baby“ ist eine Formulierung, die der US-amerikanische Schachgroßmeister und Moderator Yasser Seirawan gerne verwendet. Tatsächlich ist es oft ein guter Ratschlag seine Freibauern voran zu schicken, um die gegnerischen Kräfte mit Verteidigungsaufgaben zu beschäftigen, damit diese nicht anderweitig Ärger machen können. Der Ratschlag ist hier zumindest dann sinnvoll wenn die Freibauern nicht sofort verloren gehen oder der gegnerische Springer sie wirksamer blockieren kann. Hier war der Ratschlag jedenfalls goldrichtig. Aber man sollte loben wie Gukesh nach dem von Nodirbek gespielten Zug des Turmes nach e8 in der dargestellten Stellung seine Figuren koordiniert und das Remis sichert. Insgesamt sahen die Zuschauer eine hochklassige Partie wie sie wohl nur die besten Spieler der Welt zeigen können. Gladiatoren im Schach stellen ihre Gegner immer wieder vor neue Aufgaben und erst so passieren Fehler auf höchster Ebene, die andere dann mit Hilfe der Maschine entziffern können. es gibt noch einiges mehr zu entdecken in dieser Partie.

Nach der sechsten Runde führten weiterhin Praggnanandhaa (Jahrgang 2005) und Abudsattorov (2004) mit 4.5 Punkten (+3). Weltmeister Gukesh (2006) lag mit vier Punkten dahinter in Lauerstellung. Die Jugend übernimmt immer sichtbarer die Führung im Weltschach. Für die achte Runde sieht die Auslosung die Paarung zweier Jungs aus Chennai vor. Das wird für Schachfans ebenfalls ein Augenschmaus auf dem Brett. Ich garantiere es.



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Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.

Titelfoto: Jurriaan Hoefsmit Die Schlagzeilen beherrscht ein ehemaliger

Foto: Jurriaan Hoefsmit

Die neunzehnjährige Divya Deshmukh will ihre erste Großmeisternorm erzielen. 2024 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die Inderin. Ihr Start in Wijk 2025 war nicht gelungen. Wir schauen bei den Frauen im Challengers genauer hin und beginnen mit der Inderin.

Von Thorsten Cmiel

Der Spielermix im Challengers in Wijk aan Zee verspricht jedes Jahr das Aufscheinen junger Talente. In 2025 nehmen vier spielstarke Frauen und Juniorinnen im Challengers teil. Von diesen Spielerinnen konnte bisher nur Vaishali den Großmeistertitel erringen. Die anderen drei Spielerinnen sind Internationale Meister und zumindest die zwei Jüngeren wollen den Großmeistertitel. Wie in jedem Jahr gibt es überzeugende Ergebnisse und Enttäuschungen. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass Spielerinnen und Spieler völlig unterschiedliche Turnierhälften spielen. Nach der fünften Runde stand der erste Ruhetag an und damit die erste Möglichkeit etwas genauer hinzusehen.

Runde 1Runde 2Runde 3Runde 4Runde 5ErgebnisPerformance
Deshmukh
(2490)
0.0 (w)0.5 (w)0.0 (s)1.0 (w)0.0 (s)1.5 aus 52489
Lu Miaoyi
(2429)
1.0 (w)0.5 (s)1.0 (w)0.5 (s)0.0 (w)3.0 aus 52597
Vaishali
(2476)
1.00.501.00.53.0 aus 52615
Bulmaga
(2386)
0.00.00.00.50.00,5 aus 52160

Runde 1: Divya – Yakuboeev 0-1

Das Turnier begann für Divya mit einer Niederlage gegen einen der Topfavoriten im Challengers. Nodirbek Yakuboeev ist derzeit der drittstärkste Usbeke mit einer Elozahl von 2659 Punkten. In Chennai 2022 war er Teil des usbekischen Teams, das Olympiasieger wurde. Nach der folgenden Fehlentscheidung der Inderin mit Weiß in der folgenden Stellung bekam sie keine Chance mehr auf Ausgleich.


In dieser Stellung hatte der Usbeke zuletzt seinen Springer nach f4 gezogen. Weiß kann nicht gut zweimal auf f4 schlagen, weil Schwarz seinen a-Bauern vorzöge und damit in der Folge auf b2 Material verloren geht. Die Frage, die sich Divya stellte war also, ob sie überhaupt auf f4 ihren Läufer geben sollte. Positionell ist der Tausch auf den schwarzen Feldern eine Katastrophe wie Königsindisch-Spieler beispielsweise wissen sollten. So wäre auch hier ein Entwicklungszug mit dem Springer nach c3 richtig gewesen, zumal der Läufer e2 in dieser Maroczy-Struktur tendenziell ein „schlechter“ Läufer ist. In der Folge gelang es Nodirbek seinen Läufer nach e5 zu befördern, er verbesserte seine Stellung stetig und spielte eine hervorragende und sehenswerte Partie.

Runde 2. Divya – Nguyen 0.5 – 0.5

Divya hatte zum Start zwei Partien mit Weiß. In der zweiten Runde folgte ein weiterer Turnierfavorit. Thai Dai Van Nguyen ist Großmeister aus Tschechien und wie Divyas Gegner am Tag zuvor ebenfalls Anfang Zwanzig. Die beiden begannen mit einer bekannten Sizilianischen Variante im Najdorf und Divya zögerte nicht lang und ließ sich auf entgegengesetzte Rochaden ein. Der Partieaufbau wirkte gefährlich für Weiß, aber im Nachhinein scheinen beide Seiten sehr präzise gespielt zu haben. Zum Schluss bot der Großmeister Remis an und nutzte, dass seine Gegnerin in größerer Zeitnot war. Die Schlussstellung war eher etwas besser für die Inderin.


Die kritische Stellung war nach dem achtzehnten Zug von Schwarz entstanden. Der Tscheche hatte in seinem letzten Zug den Turm von a8 nach c8 gezogen und ein Qualitätsopfer angeboten. Bis hierhin war die Partie einer Vorgängerpartie gefolgt. Tatsächlich bietet die Annahme Weiß die etwas besseren Perspektiven. Alternativ konnte Divya den Bauern auf a6 schlagen, aber das wirkt weniger attraktiv, zumal der Gegner sich freiwillig auf diese Stellung eingelassen hat. Die Inderin fand eine dritten Zug und zog ihren Doppelbauern auf der c-Linie vor. Das erwies sich aber als nicht zielführend und die Partie nivellierte sich zusehends.

Runde 3: Suleymanli – Divya 1 – 0

In der dritten Runde wurde Divya als Nachziehende mit dem Londoner System konfrontiert und es sah zunächst gut aus, aber dann kam es in der folgenden Stellung doch zu einem Problem, das die Inderin nicht ausreichend lösen konnte. Der aserbaidschanische Großmeister Aydin Suleymanli wurde 2005, also im gleichen Jahr wie Divya, geboren und befindet sich in seinem letzten Jahr als Junior. Er hatte zuvor zwei Remis gespielt und wechselte den Eröffnungszug.


Bis hierhin hatte Aydin konkret wenig erreicht, aber immerhin hatte er Divya „hängende“ Bauern angedreht. Im letzten Zug hatte er den Springer von d2 nach b1 gezogen, um den Springer nach c3 zu ziehen und mehr Druck auf das gegnerische Zentrum auszuüben. Jetzt sollte Divya am besten mit dem Vormarsch ihres f-Bauern reagieren und nach dem Zug des Springers nach c3 mit ihrem a-Bauern vorpreschen und dem Gegner einen wertlosen Doppelbauern andrehen. Danach konnte Schwarz mit dem eigenen g-Bauern angreifen und am anderen Flügel für Betrieb sorgen. Mit ungefähr gleichen Chancen. Divya verhinderte die gegnerische Springeraufstellung physisch und zog ihren eigenen Springer nach b5. Der Springer hatte allerdings Deckungsfunktionen und stabilisierte das Zentrum. Nach dem Antwortmanöver des Gegners – die weiße Dame zog zunächst nach e2 und danach nach c2 mit Doppelangriff gegen die Bauern a4 und c5 – ging ein Bauer verloren und später die Partie.

Runde 4: Divya – Gurel 1 – 0

In der vierten Runde folgte dann Divya’s Comeback gegen einen anderen Jungstar, den sechzehnjährigen türkischen Großmeister Ediz Gurel (16). Divya war wie immer in der Eröffnung gut vorbereitet und gewann in dieser vierten Runde eine von ihr gut gespielte Partie, die wir hier etwas genauer betrachten.


Runde 5: L’Ami – Divya 1 – 0

Wijk aan Zee ist wegen der traditionell langen Dauer mit dreizehn Runden für viele Teilnehmer eine Achterbahn der Gefühle und oft wechseln sich Siege und Niederlagen hintereinander ab. Für Divya ging es gegen den niederländischen Großmeister und Veteranen Erwin L’Ami genau so weiter. Die Entscheidung fiel früh in einer bekannten Stellung.



Partien zu den Diagrammen

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Mehr Informationen zum Turnier findet man auf der offiziellen Homepage des Tata Steel Turniers in Wijk aan Zee 2025. Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.

Foto: Jurriaan Hoefsmit Die neunzehnjährige Divya Deshmukh will