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Die in der Ukraine geborene russische Großmeisterin Kateryna Lagno verzichtet auf die Teilnahme am nächsten Frauen Grand-Prix in Indien. Bei der FIDE heißt es lapidar dazu, dass Lagno aus persönlichen Gründen zurück gezogen habe. Dem widerspricht die Spielerin jetzt in einem öffentlichen Statement, das Peter Heine Nielsen bei X, vormals Twitter veröffentlichte.

Von Thorsten Cmiel

Es geht um einen Schönheitspreis, den Jekaterina Alexandrowna Lagno, 35, nicht bekommen hat, sondern Alexandra Konstantinowna Kosteniuk, 40. Wer einen neuen politisch inkorrekten vielleicht sogar frauenfeindlichen Skandal oder gar Zickenkrieg zweier Frauen vermutet, der liegt allerdings falsch. Es geht nicht um das Aussehen der beiden Spielerinnen, sondern um zwei gewonnene Partien im Schach und um Politik.

Das Statement von Lagno erfolgte via sozialen Medien und besteht in einem Schreiben an den russischen Präsidenten Arkadij Dvorkovich. Der steht vor allem bei europäischen Beobachtern ohnehin auf der Beobachtungsliste, er bevorzuge „seine Russen“ heißt es. Tatsächlich bemüht sich Dvorkovich um eine Normalisierung im Spielbetrieb. Russen dürfen bei der FIDE als Einzelsportler antreten, bekommen aber weder Hymne noch Nationalflaggen. Diese Regelung besteht seit dem Beginn des Angriffskrieges der Russen gegen die Ukraine. Bei der letzten Schacholympiade, dem wichtigsten Team-Event in der Schachwelt, in Budapest fehlten die Russen. Kritiker wie der Carlsen-Sekundant und gebürtige Däne und Schachgroßmeister Peter Heine Nielsen (51) kritisieren diese Regelung offen. Nielsen ist mit der Schachgroßmeisterin und heutigen litauischen Politikerin Viktorija Čmilytė-Nielsen (41) verheiratet.

Lagnos Statement

Kateryna Lagno wurde 1989 in Lemberg (Lwiw) in der westlichen Ukraine, damals noch Teil des Sowjetreiches, geboren. Ihre ersten schachlichen Erfolge erzielte Lagno für die Ukraine, wechselte dann aber 2014 zum russischen Schachverband. Ihr damaliger Wechsel der Verbände hatte im Jahr der Annexion der Krim für Unruhe gesorgt zwischen den Schachverbänden. Lagno ist mit dem russischen Schachgroßmeister Alexander Igorewitsch Grischtschuk (1985) verheiratet und hat vier Kinder. Der war vorher mit der Ukrainerin Natalia Zhukova (1979), ebenfalls Großmeister im Schach, verheiratet. Zhukova lebt in Odessa in der Ukraine.

Den Schönheitspreis bekam Alexandra Kosteniuk eine langjährige sportliche Gegenspielerin von Lagno im Spitzenschach der Frauen. Kosteniuk war zwischen 2008 und 2010 Schachweltmeisterin und ist gebürtige Russin (Perm, Ural). Sie hat sich allerdings vom russischen Verband inzwischen losgesagt und ist verheiratet mit dem bei der FIDE angestellten Pawel Wladimirowitsch Tregubow, 54, einem ebenfalls gebürtigen russischen Schachgroßmeister.

Den Schönheitspreis vergaben der Georgier Surab Asmaiparaschwili, 65, ebenfalls Schachgroßmeister und Dana Reizniece, eine lettische Frauengroßmeisterin und ehemalige Wirtschaft- und Finanzministerin ihres Landes. Reizniece ist „Deputy Chair“ des Weltschachbundes FIDE(*) und ihr werden Ambitionen nachgesagt, Dvorkovich einmal zu folgen. Die Gemengelage im Weltschach ist allerdings sehr fragil und bisher hat die Lettin ihren Hut noch nie in den Ring geworfen und pflegt eine Coexistenz bei der FIDE. Ihr fehlender Mut anzutreten liegt vermutlich daran, dass wer Präsident oder Präsidentin des Weltschachbundes werden will, nach bisheriger Lesart Geld mitbringen sollte. Bisher gibt es letztlich eine Abhängigkeit der FIDE von russischem Geld und Sponsoren. Ein Kritikpunkt, den insbesondere Peter Heine Nielsen immer wieder anprangert. Aus diesen vielfältigen persönlichen und landmannschaftlichen Zusammenhängen wird deutlich wie wichtig der Weltschachbund FIDE für die russische Föderation zu sein scheint. Im letzten Jahrhundert dominierte die Sowjetunion das Weltschach und stellte die längste Zeit den Schachweltmeister.

(*) In einer früheren Version dieses Textes hieß es Dana Reizniece sei Vizepräsidentin der FIDE. Der Weltschachbund hat mich darauf hingewiesen, dass das falsch ist: Dana Reizniece ist „Deputy Chair“ der FIDE. Das ist missverständlich übersetzt. Dana ist auch „Deputy President“ der European Chess Union (ECU). Wer mehr über die Titel des Managements der FIDE wissen will, der kann sich hier informieren: FIDE Directory – Member Federations and Officials.

Wer sich ein Bild von den beiden erwähnten Partien machen will, der kann das anhand der folgenden Analysen tun. Beide Partien hatten spektakuläre Phasen und auch ich würde Lagnos Partie für geeigneter halten. Ich hatte selbst mal eine andere Meinung zu einem Schönheitspreis bei einer Seniorenweltmeisterschaft in Bukarest. Da ging es aber um etwas anders gelagerte Frage worauf ein Schönheitspreis achten sollte. Ob das allerdings die wahre Ursache für den öffentlichen Frust von Kateryna Lagno ist, kann nur gemutmaßt werden.

Peter Heine Nielsen ist übrigens der Meinung, dass Lagno gar keine FIDE-Turniere spielen sollte, da sie auch immer wieder bei Propaganda-Turnieren von Großmeister Sergey Karjakin, dem ehemaligen Gegner von Magnus Carlsen im WM-Kampf von 2016 in New York, antritt. Karjakin, ebenfalls wie Lagno gebürtiger Ukrainer, ist inzwischen Politiker und versucht Normalität in eroberten ukrainischen Gebiete vorzuspiegeln. Das ist das noch größere Bild im Weltschach.



Fotos: Niki Riga (FIDE CHESS). Die Fotos sind in Monaco beim diesjährigen Grand-Prix der Frauen entstanden.

Hinweis

Es sei darauf hingewiesen, dass der Text im Original in deutscher Sprache geschrieben wurde. Gelegentlich gelingt es dem automatischen Übersetzer nicht die Details richtig zu übersetzen. Das gilt gerade bei schachspezifischen Kommentaren. So wurde beispielsweise in einem Text über den ehemaligen Weltmeister Ding der Name in das englische Wort „thing“ übersetzt. Oder das Wort für einen schachlichen Zug wird statt mit „move“ mit „train“ übersetzt. Wir haben keinerlei Einfluss auf solche Übersetzungsfehler der automatischen Übersetzung und können es auch nicht korrigieren – in manchen Sprachen ohnehin nicht. Wir empfehlen daher grundsätzlich das Original und etwas Humor.


Update

28. März 2025 Die Geschichte wird inzwischen bei Chess.com weiter erzählt. Es gab ein wertvolle Uhr von Cartier für den Schönheitspreis und einige Spielerinnen haben sich inzwischen geäußert. Alexandra Kosteniuk hätte sich ebenfalls für die Partie von Lagno entschieden und äußerte sich sehr diplomatisch. Einen politischen Hintergrund sieht sie offenbar nicht. Wer sich für die Weiterentwicklung der Geschichte interessiert, dem sein ein Link zum Artikel von Anthony Levin empfohlen.


Die in der Ukraine geborene russische Großmeisterin

Foto: Eric Rosen (FIDE Chess)

Ding Chilling ist während des Wettkampfes eine Art Markenzeichen des Chinesen geworden. Es begann mit einer Frage einer Mitarbeiterin des Deutschen Schachbundes. Inzwischen gibt es sogar einstündige Videos mit unterlegter Musik zur Entspannung.

Note: There is an automatic error using „Ding“ in German language it is „thing“ in English. So I for the moment changed the name in the headline to Liren.



Foto: Eric Rosen (FIDE Chess) Ding Chilling ist

Von Thorsten Cmiel


Leontxo García ist unzweifelhaft der Großmeister im Raum. Leontxo arbeitet als Journalist bei El País. Ich sitze zufällig neben ihm heute während die zwölfte Partie in Singapur läuft. Ding Liren scheint Gukesh früh am Wickel zu haben. Ich frage Leontxo nach Ähnlichkeiten zur Schachweltmeisterschaft 1987 zwischen Garri Kasparov und Anatoli Karpov. Kasparov war amtierender Weltmeister, hatte die 23. Partie verloren und musste die letzte Partie gewinnen. Als Leontxo antwortet, kommt mir die Idee seine Ausführungen aufzuzeichnen, er ist einverstanden. Dann sprudeln die Worte aus ihm heraus und ich erfahre viel mehr von einem, der Schach lebt und liebt.

Leontxo war 1987 Kommentator im Fernsehen

Die Weltmeisterschaft 87. Das war das vierte Match zwischen Kasparov und Karpov. Es war extrem ausgeglichen. Alles hing von der allerletzten Partie, der 24. ab. Also hatte das spanische Fernsehen jeden Abend ein Sonderprogramm. Und weil die Situation so emotional, so angespannt war, beschlossen die spanischen Fernsehbosse, die allerletzte Partie live zu übertragen. Das ganze Spiel. Laut offizieller Statistik hatten wir damals 13 Millionen spanische Zuschauer, die Schach im Fernsehen sahen. Ich bin mir sicher, dass mehr als 90 Prozent dieser 13 Millionen keine Ahnung von Schach hatten, aber sie drückten einem der beiden aus politischen oder anderen Gründen die Daumen. Ich meine, wir müssen bedenken, dass Karpov und Kasparov Symbole für zwei völlig gegensätzliche Lebensauffassungen im größten Land der Welt waren. Karpov war ein Vertreter der alten kommunistischen Garde, und Kasparov repräsentierte die Perestroika, den Erneuerungsgeist Gorbatschows. Deshalb war es möglich, dass 13 Millionen Menschen dem Schach folgten. Und das ist aus schachlicher Sicht sehr wichtig, denn das ist der Schlüsselmoment, warum Spanien seit dem folgenden Jahr, 1988, das Land in der Welt ist, das jedes Jahr mehr internationale Turniere organisiert, denn unter diesen 13 Millionen gab es natürlich viele potenzielle Sponsoren oder Medienredakteure oder Schuldirektoren oder einfach Mütter und Väter. Ich meine, viele Menschen, die mit dem Schach sympathisierten. Seit diesem Moment.

Das Topturnier Linares. Das gibt es nicht mehr. Was ist passiert?

Es gibt nicht zwei verschiedene Realitäten. Spanien ist immer noch das Land in der Welt, das jedes Jahr die meisten internationalen Turniere organisiert. Hunderte. Wenn man Wochenendturniere, Rapid und so weiter mitzählt. Das Linares-Problem ist ein sehr spezifisches. Linares hatte zwei große Probleme zur gleichen Zeit. Zum einen die Wirtschaftskrise, die weltweite Krise im Jahr 2008, und zum anderen die lokale Krise, weil diese allgemeine Krise den Santana-Motor, den größten Industriezweig in Linares und den Schlüsselfaktor für die lokale Wirtschaft, dazu zwang die Fabrik zu schließen. Und das bedeutete, dass die Arbeitslosigkeit in Linares auf über 50 Prozent anstieg. Es war also eine schreckliche Situation eingetreten, und dann mussten sie sich entscheiden, etwas zu ändern. Es tut mir leid, dass sie ihre Herangehensweise an das Schachspiel komplett geändert haben, anstatt Geld zu investieren, um die Stadt in der ganzen Welt berühmt zu machen. Was sie nun seit vielen Jahren tun, ist, dass sie jedes Jahr einige spanische Meisterschaften in verschiedenen Kategorien organisieren, zu denen viele Leute anreisen und die Kosten selbst tragen. Und jetzt lässt das Schachspiel Geld in Linares, anstatt Geld zu nehmen.

Wie beliebt ist Schach in Spanien?

Fußball ist natürlich wie eine Religion in Spanien. Fußball ist also eine andere Kategorie. Schach ist besonders beliebt als pädagogisches Mittel. Am 11. Februar 2015. In unserem Parlament geschah etwas, was ich ein Wunder nenne. An diesem Tag war ich sehr versucht, den Vatikan anzurufen, um ein Wunder zu melden, denn alle spanischen politischen Parteien, ohne Ausnahme, waren sich einig. Dies ist ein Wunder in Spanien. Und ich hatte Schach als pädagogisches Mittel empfohlen. Nach der Empfehlung des Europäischen Parlaments vor drei Jahren hatten wir in Spanien ein föderales System für die Bildung, was bedeutet, dass jede Region, abgesehen von den sehr großen autonom über die Bildung entscheidet. Von unseren 17 Regionen haben zehn bereits Schach in den Lehrplan aufgenommen, wobei Tausende von Schulen, die Schach als außerschulische Aktivität nutzen, nicht mitgezählt werden.

Leontxo ist nicht nur Journalist


Ganz am Anfang, als ich anfing, als Schachjournalist zu arbeiten, 1983 entdeckte ich, dass Schach sehr interessante Verbindungen zu wichtigen Bereichen des menschlichen Wissens hat: Bildung, Psychologie, Psychiatrie, Neurologie, Mathematik, künstliche Intelligenz, Kino, Literatur, internationale Politik und so weiter. Deshalb ist meine Zeitung, El Pais, diejenige in der Welt mit den meisten Schachinhalten. Einige dieser Schachinhalte sind nur Schach, für echte Schachliebhaber. Meine tägliche Kolumne beispielsweise ist eine kommentierte Partie einer Woche. Mein wöchentliches Video zeigt meist eine der brillantesten Partien der Geschichte, kommentiert von mir. Aber es gibt auch andere Inhalte. Zum Beispiel schicke ich jeden Donnerstag einen Newsletter an die Abonnenten, und nutze das als eine Art Entschuldigung, um über alles zu schreiben. Am interessantesten ist sicherlich der Bezug zum Thema Bildung. Wir haben starke wissenschaftliche Beweise und lange und ernsthafte Erfahrungen in der ganzen Welt. Man kann sagen, dass Schach ein sehr mächtiges Instrument ist oder sein kann.

sondern auch Vortragsreisender


Ich halte viele Vorträge und gebe auch Workshops. Ich habe mehr als 30.000 Lehrerinnen und Lehrer in mehr als 30 Ländern darin geschult, wie man Schach als transversales und interdisziplinäres Werkzeug einsetzen kann. Transversal bedeutet zum Beispiel, dass Schach mit emotionaler Intelligenz kombiniert wird, was transversal für alle Fächer ist und ein sehr wichtiges Feld für innovative Bildung im 21. Interdisziplinär bedeutet, dass zum Beispiel, aber nicht nur, ein großer Teil der Mathematik, Geometrie, Arithmetik, Algebra durch Schach auf eine sehr lustige Art und Weise erklärt werden kann. Die Schüler lernen durch das Spielen und das Spielen durch das Lernen, und für die Lehrer ist das sehr effizient. Und das funktioniert sehr gut in mehreren Ländern.

und internationaler Botschafter


Ich war bisher in vielen Ländern, das am weitesten fortgeschrittene und eines der Länder, das ich als Modell für gute Praktiken empfehlen kann, ist natürlich Ungarn. Die Judit Polgar Stiftung macht das sehr gut. Einige spanische Regionen, fünf davon, nämlich Katalonien, Aragonien, Andalusien, die Kanarischen Inseln und die Balearen. Dann drei argentinische Provinzen Santa Fe, San Luis und Buenos Aires City. Und Uruguay. In Mexiko gibt es einige sehr interessante Erfahrungen an verschiedenen Orten. Die Regierungen von Panama, Paraguay und Costa Rica haben in den letzten Jahren Entscheidungen zugunsten des Schulschachs getroffen. Wir müssen also noch ein wenig auf die Entwicklung warten. Dann im Vereinigten Königreich. Diese Stiftung von Malcolm Pein läuft schon seit einigen Jahren recht gut, mit einem guten Grad an Zufriedenheit unter den Lehrern. In Deutschland, ich glaube in Hamburg, hat man einige interessante Erfahrungen gemacht, und ich spreche hier von einem rein pädagogischen Test. Wenn wir über Schach in Schulen als Sport sprechen, dann müssen wir natürlich auch über Russland, Kuba, die Türkei und einige andere Länder sprechen. Andorra habe ich nicht erwähnt. Andorra ist sehr klein, aber die Qualität dessen, was sie im Schulschach tun, ist sehr hoch. Das ist gut.

Leontxo über den Argentinier Faustino Oro


Natürlich ist ein Wunderkind wie Faustino aus Sicht der Vermarktung von Schach erfreulich. Ich kann Beispiele nennen: Jeder weiß, was Rafael Nadal für das Tennis in Spanien bedeutet. Oder wenn wir über Schach sprechen, Vishy Anand in Indien. Faustino ist ein sehr interessanter Glücksfall, kann ich sagen. Natürlich ist das nicht objektiv, aber ich bin davon überzeugt. Faustino ist der intelligenteste zehnjährige Schachspieler, den ich je gesehen habe. Ich meine, ich kann mich an keinen anderen zehnjährigen Spieler erinnern, der so gut gespielt hat wie Faustino im Alter von zehn Jahren. Aber eine Einschränkung bei historischen Betrachtungen gibt es. Wenn wir vergleichen, wie viele Stellungen pro Tag haben Bobby Fischer oder Judit Polgar jeden Tag auf Papier gesehen? Ich meine Bücher, Zeitschriften, Zeitungen. Und wir vergleichen diese Zahl mit der Zahl an Positionen die Faustino Oro jeden Tag mit der modernen Technologie sieht. Das bedeutet zunächst, dass seine Entwicklung viel schneller voran schreitet. Meine Schlussfolgerung ist, dass Faustino Oros Talent nicht unbedingt ein größeres Talent haben muss als Bobby Fischer. Aber erkennbar macht er größere Fortschritte.

Argentinien oder Spanien?

Sie sind jetzt in Argentinien, weil Faustino die argentinische Meisterschaft gespielt hat und jetzt zur Rapid-Weltmeisterschaft in New York fährt. Aber soweit ich weiß, ist es ihr Plan, nach Badalona zurückzukehren, das ganz in der Nähe von Barcelona liegt. Faustino ist ein sehr liebenswerter Junge. Er ist nicht nur ein Kindergenie, sondern er ist auch sehr nett. Es ist sehr nett, mit ihm zu reden, ich war bei ihm zuhause. Wir sind sehr froh, ihn in Spanien zu haben, natürlich.


Leontxo García (WIKI)

Leontxo Garcia (El Pais)

Leontxo (El Pais) Youtube Kanal


Kurz und Bündig

  • 13 Millionen Zuschauer verfolgten die 24. Partie im spanischen Fernsehen
  • seit 1988 richtet Spanien immer mehr internationale Turniere aus
  • Schach ist in Spanien ein Bildungsinstrument
  • Leontxo hat mehr als 30.000 Lehrer in mehr als 30 Ländern ausgebildet
  • Schachwunderkinder wie der Argentinier Faustino Oro tragen zur Popularität des Sports bei

Fotos: Budapest Kongress 2024 (FIDE Chess)

Von Thorsten Cmiel Leontxo García ist unzweifelhaft der

Von Thorsten Cmiel

Während Gukesh sich während laufender Turniere grundsätzlich von Social Media fern hält, nutzt Ding Diskussionen auf Social Media zum Entspannen. Dabei bekommt der Chinese möglicherweise manche Diskussionen mit, lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen, sagt er. Tatsächlich laufen auf verschiedenen Kanälen manche Diskussionen aus dem Ruder. Kommentatoren und Streamer, selbst mit meinungsstarken Maschinen bewaffnet, kritisieren die Spieler und halten das Niveau für nicht so berauschend. Objektiv betrachtet sieht es anders aus.

Einer, der sich beruflich mit Datenanalysen und deren Interpretation beschäftigt ist Mehmet Ismail, Wirtschaftswissenschaftler und Spieltheoretiker für Norway Chess im Einsatz. Ismail hat über eine Milliarde an Schachzügen einer Analyse unterzogen und seine eigenen Berechnungen angestellt, die über das einfache Interpretieren von Genauigkeitsdaten hinausgehen. Einige seiner spannendsten Erkenntnisse dazu.



Schach Weltmeisterschaften – immer präziser

Die Abbildung von Mehmet Ismail zeigt einen Trend abnehmender Fehlpunkte (zunehmende Genauigkeit) im Laufe der Zeit. Dieser Trend steht im Einklang mit einer unabhängigen Stockfish-Analyse auf Tiefe 20 und mit anderen früheren Studien sowie der allgemeinen Einschätzung führender Großmeister.


Bis zum Match 1921 lag der Durchschnitt der Spieler bei mehr als einem verpassten Punkt pro Spiel, was bedeutet, dass ihre Fehler sich zu mehr als einem bedeutenden Fehler pro Spiel summierten. Im Laufe der Jahre sind die durchschnittlich verpassten Punkte deutlich zurückgegangen.




Schon vor den Schachprogrammen lernten Schachspieler von der vorherigen Generation und die Eröffnungen verbesserten sich. Infolgedessen hat sich die Gesamtgenauigkeit erhöht. Auch Schachprogramme haben zu dieser Steigerung beigetragen.

Mehmet Ismail im Dezember 2024.


Beim Schach geht es Ismail zufolge jedoch nicht nur um Präzision, sondern auch darum, kalkulierte Risiken einzugehen. Hierfür hat der Datenexperte den Game Intelligence (GI)-Score entwickelt, der einen Kompromiss zwischen dem Spielen der Hauptvariante und dem Abweichen davon zum Eingehen von gezielten Risiken erfasst. Um die GI-Werte der Spieler zu messen, hat Ismail mehr als eine Milliarde Schachzüge analysiert. Über eine Million dieser Züge wurden von den weltbesten Schachgroßmeistern ausgeführt. Der durchschnittliche menschliche GI-Wert ist auf 100 standardisiert, mit einer Standardabweichung von 15. Dies bedeutet, dass 68 Prozent der Schachspieler einen GI-Wert zwischen 85 und 115 aufweisen.


PlayerGI scoreMissed pointsTPRGames
Magnus Carlsen160,10,44284856
Viswanathan Anand158,70,43279088
Vladimir Kramnik157,20,54280365
Garry Kasparov157,20,542725197
Veselin Topalov156,40,52273623
Liren Ding156,40,56278926
Anatoly Karpov155,70,612725194
Jose Raul Capablanca153,60,7248
Robert James Fischer153,10,87274920
Tigran V Petrosian150,60,8969

In dieser Tabelle von Mehmet Ismail (Stand: 2024, 12 Partien in Singapur gespielt) sind die Ergebnisse der Weltmeister bei Partien in Schachweltmeisterschaften aufgeführt.


Wie man die Daten interpretieren sollte

Wie die Tabelle zeigt, ist Viswanathan Anand mit einer durchschnittlichen Punktzahl von 0,43 pro Partie der Spieler mit der höchsten Genauigkeit. Magnus Carlsen sticht jedoch mit dem höchsten GI-Wert von 160 heraus, was darauf hindeutet, dass Carlsens Spielstil, der nicht immer dem besten Zug des Computers folgt, dazu neigt, seinen Gegnern im Vergleich zu anderen Spielern mehr Fehler zu entlocken.


WM Match Singapur zwischen Ding Liren und Gukesh

Beide Spieler haben laut der Top-Schachengine Stockfish während des Matches in den ersten 12 Partien auf identischem Niveau gespielt, obwohl es vier entscheidende Partien gab. Ihre durchschnittlichen Fehlpunkte pro Partie lagen bei lediglich 0,4. Das deutet laut Mehmet Ismail darauf hin, dass die Fehler während der Partien insgesamt weniger als einen schwerwiegenden Fehler pro Partie ausmachten. Dieses hohe Maß an Genauigkeit macht das Match zum zweitgenauesten Weltmeisterschaftsmatch der Geschichte, das nur von der legendären Begegnung zwischen Garry Kasparov und Viswanathan Anand im Jahr 1995 übertroffen wird.


Ich kann nicht wirklich glauben, dass es das bisher genaueste Spiel ist.

Herausforderer Gukesh nach der siebten Partie

Vielleicht vor diesem Spiel.

Weltmeister Ding Liren nach der siebten Partie.


Mehmet Ismail

Ich möchte drei kritische Stellungen aus der 11. Partie ansprechen, die entweder kurz vor einem Fehler stehen oder bei denen die Spieler sehr lange (mehr als 15 Minuten) zum Rechnen brauchen.

Zum Beispiel spielte Ding in dem ersten Diagramm in dieser Stellung den Damenzug nach c8. Dies führte zu einem verpassten Punkt von 0,4, was bedeutet, dass Ding, wie oben definiert, von einer fast objektiv ausgeglichenen Stellung in eine Verluststellung geriet. Beachten Sie die Logik, dass 0,5 verpasste Punkte bedeuten, dass man von einer ausgeglichenen zu einer Verluststellung übergeht.

In dem zweiten Diagramm ist die Stellung abgebildet kurz bevor Gukesh laut Engine einen Fehler begeht, indem er Tdb1 zieht. Dies ergibt 0,34 verpasste Punkte, da Weiß zwar einen bedeutenden Vorteil verliert, aber immer noch besser steht. Es handelt sich also um eine geringere verpasste Chance als bei Dings Fehler.

Im dritten Diagramm ist die Stellung vor dem Fehler mit dem Bauernzug auf e7-e6 dargestellt, der mit 0,44 verpassten Punkten erheblich ist.“


Über die Grenzen von Datenanalysen

Was die Analyse der Spielqualität im Schach betrifft, so glaubt Mehmet Ismail, dass nan versuchen sollte, die Qualität des Spiels so genau wie möglich zu messen, denn obwohl Engines viel stärker sind als Menschen, können Standardmethoden wie der Verlust von Hundertstelbauern oder die Genauigkeitsrate zu irreführenden Ergebnissen führen. Zweitens sei die Analyse der Zugqualität zwar nützlich, aber man sollte ihre Grenzen anerkennen.

Ein Beispiel dazu: Ein perfektes Spiel zu spielen und zu gewinnen ist etwas ganz anderes als ein perfektes Spiel zu spielen und ein Unentschieden zu erzielen; in beiden Fällen mag das Spiel perfekt sein, aber im ersten Fall macht der Gegner einen Fehler und im zweiten Fall nicht. Der GI-Score zielt darauf ab, die Unterschiede zwischen den beiden unterschiedlichen Spielsituationen zu erfassen. Es gibt laut Ismail noch viel mehr Möglichkeiten, Schachstatistiken aus menschlicher Sicht verständlicher und interpretierbarer zu machen.


Verwendete Definitionen und Methoden

Verpasste Punkte

Die Werte sind durchschnittliche verpasste Punkte pro Partie. 1,00 und 0,50 verpasste Punkte sind gleichbedeutend mit einem spielverlierenden Fehler in einer Gewinn- bzw. Remisstellung. Im Gegensatz dazu bedeuten 0 verpasste Punkte ein perfektes Spiel. Verpasste Punkte messen die Punkte, die ein Spieler in einem Spiel gemäß der Engine verpasst. Jeder Fehlzug wird anhand der Gewinn-Unentschieden-Verlust-Wahrscheinlichkeit des obersten Engine-Zugs und des tatsächlichen Zugs berechnet.

Wenn man beispielsweise in einer Gewinnstellung einen Fehler macht, der zur Niederlage führt, ist das 1 verpasster Punkt, während ein Fehler in einer Remisstellung 0,5 verpasste Punkte bedeutet. 0 verpasste Punkte bedeutet perfektes Spiel.

Was ist mit Spielintelligenz (GI) gemeint?

Der GI-Wert kombiniert die menschliche Leistung mit der Engine-Analyse und misst die Fähigkeit der Spieler, strategische Risiken einzugehen. Die GI-Punktzahl steigt, wenn man mehr Punkte gewinnt und gegen stärkere Gegner punktet, aber sie sinkt bei Fehlern. Der durchschnittliche GI-Wert eines Schachspielers liegt bei 100. Etwa 68 Prozent der Spieler haben einen GI-Wert zwischen 85 und 115. Die Gewinner von Superturnieren erreichen in der Regel einen GI-Wert von 160 oder mehr.

Methodenhinweise


Jeder Fehler wird anhand der Gewinn-Remis-Verlust-Wahrscheinlichkeit des besten Engine-Zuges und des tatsächlichen Zuges des Spielers berechnet. Mit diesem Verfahren ist es möglich, Probleme bei der Interpretation zu vermeiden, die mit den weit verbreiteten durchschnittlichen Bauernverlust-Metriken einhergehen. Für die Engine bedeutet eine Änderung der Bewertung von +9,0 auf +7,0 oder von +2,0 auf 0,0 einen Verlust von zwei Bauerneinheiten; aus menschlicher und praktischer Sicht gibt es jedoch einen großen Unterschied zwischen den beiden Änderungen. Aus diesem Grund liefert die Arithmetik, z. B. das Addieren und Bilden des Durchschnitts von Verlusten in Hundertstelbauern, aus menschlicher Sicht im Allgemeinen keine aussagekräftigen Ergebnisse.

Ebenso sind Ergebnisse mit prozentualer Genauigkeit möglicherweise nicht intuitiv. Beispielsweise hatten die Spieler im aktuellen WCC sowohl in Partie 2 als auch in Partie 7 eine Genauigkeit von etwa 96 %. Allerdings hatten die Spieler in Partie 2 0,07 Punkte, was ein nahezu perfektes Spiel bedeutet, während sie in Partie 7 1,00 Punkte verfehlten, was einem spielentscheidenden Fehler in einer Gewinnstellung entspricht. Spiel 7 war zwar ein ganz anderes Remis als Spiel 2, da Spiel 7 sehr lange dauerte, was jedoch den Genauigkeitswert verzerrt.

Mehmet Ismail berücksichtigt für seine Analysen alle Züge in einer Partie, beginnend mit dem ersten Zug. Er verzichtet auf das Herausnehmen von Eröffnungszügen. Das begründet Ismail so: Ihm sei erstens kein zuverlässiger Datensatz bekannt, der die ersten Züge außerhalb des Buches enthält, und zweitens würde es ohnehin wenig ändern, da verpasste Punkte eine Statistik auf Spielebene sind (sie wird nicht durch die Zuganzahl geteilt).


Über Mehmet Ismail

Mehmet Ismail ist Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der Abteilung für politische Ökonomie des King’s College London. Zu seinem akademischen Hintergrund gehört seine Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Maastricht. Mehmet hat außerdem einen Master in angewandter Mathematik von der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und verbrachte ein Semester an der Universität Bielefeld im Rahmen des Erasmus Mundus QEM-Programms.

Neben seiner akademischen Tätigkeit ist Mehmet ein leidenschaftlicher Schachliebhaber und ehemaliger professioneller Backgammon-Spieler. Seine Leidenschaft für Spiele geht weit über das bloße Spielen hinaus; er ist fasziniert von der facettenreichen Welt der Spiele und erforscht alles von theoretischen Grundlagen und praktischen Anwendungen bis hin zu Spieldesign, Fairness und dem Spiel selbst. Mehmet ist für Norway Chess als Experte für Spieltheorie im Einsatz.

Interessierte Leser können auf GitHub weitere Informationen und Details der Analysen von Mehmet Ismail finden.




Dieser Chart von Mehmet Ismail zeigt den

Google ist Titelsponsor der Schachweltmeisterschaft in Singapur 2024 und hat zur Weltmeisterschaft eine sehr informative Website mit vielen Informationen zum Schach bereitgestellt. Ästhetisch sind die Informationen hochwertig präsentiert. Eine uneingeschränkte Empfehlung

Screenshot Google Culture and Arts

Culture and Arts

Alpha Zero bis Alpha Go bis Google Deep Mind

Bei der Entwicklung von Alpha Zero ging es den Entwicklern darum zu Lernen um zu lernen. Dieser Prozess ging weiter mit Alpha Go und führte zur Gründung von Googles Deep Mind. Zuletzt war ein Nobelpreis in Chemie das Ergebnis an dem der Gründer Demis Hassabis (Jahrgang 1976) und John Jumper (Jahrgang 1985) von Deep Mind entscheidend mitgewirkt haben.

Zu Beginn der Weltmeisterschaft hielt ein anderer Wissenschaftler Nenad Tomasev einen Vortrag und stellte sich Fragen. Wie wird Künstliche Intelligenz unsere Welt verändern? Hier sehen wir erste Erfolge und mit Schach fing alles an.

Nobel Preise 2024

TC

Google ist Titelsponsor der Schachweltmeisterschaft in Singapur

Foto Maria Emelianova (FIDE Chess)

Von Thorsten Cmiel

Ding Liren und Gukesh sitzen in einer Art schalldichtem Glashaus, Cube genannt. Ein solcher Cube kam bei Weltmeisterschaften bereits vorher zum Einsatz: In London 2018 sah das räumliche Szenario ähnlich aus. Zu Beginn führt die Pressebetreuerin der FIDE akkreditierte Fotografen für einen kurzen Moment in den Raum. Die Konstruktion ist erst kurz vor der Weltmeisterschaft zusammengebaut worden, da vorher eine andere Veranstaltung am Spielort stattfand. Von draußen kann man rein, von drinnen nicht raus sehen. Es spiegelt sich.

Zu Beginn müssen die Spieler die üblichen Startrituale über sich ergehen lassen. Maurice Ashley gibt den Ansager wie bei einem Boxkampf und stellt die Spieler und Gäste vor. Den ersten Zug führt Demis Hassabis aus, selbst ein passabler Schachspieler und ehemaliges Wunderkind, aber vor allem ist er das Mastermind hinter Alpha Zero und später Alpha Go, einer selbstlernenden Künstlichen Intelligenz für Googles Deep Mind. Hassabis erhielt jüngst den Nobelpreis in Chemie. Gukesh flüstert ihm 1.e4 als Startzug zu und Gukesh bleibt in der Partie später dabei. Er hätte es ändern können, die Schiedsrichterin hatte den Zug auf dem Brett zurück gestellt. Vermutlich wäre das im Duell allerdings eher ein Zeichen der Schwäche gewesen. So etwas macht keiner. Die Partie beginnt also mit dem Zug des Königsbauern. Es ist nicht ungewöhnlich und strategisch im Match sinnvoll, die Eröffnungen des Gegners gegen die Hauptzüge 1.e4 und 1.d4 frühzeitig auszutesten.

Ding antwortet auf den Königsbauernzug seines Gegners etwas überraschend für die meisten Kommentatoren mit der Französischen Verteidigung. Dabei hat Ding immerhin über 70 Partien mit dieser Verteidigung auf dem Brett gehabt. Häufiger hat er nur klassisch geantwortet und früher war er gefürchtet für seine Angriffspartien in einigen scharfen Varianten nach der spanischen Eröffnung. Häufiger als Französisch hatte der Weltmeister die Caro-Kann-Verteidigung gespielt, wenn er nicht klassisch (1…e5) spielen wollte. In der Pressekonferenz kam später Richard Rapport der Sekundant ins Spiel, Ding lobt ihn als großen Französisch-Experten, was richtig ist, aber Richard spielt vor allem den Zug mit dem Läufer nach b4, die so genannte Winawer-Variante oder typisch Rapport den etwas ausgefalleneren Springerzug nach c6. In der klassischen Variante, die in der ersten Partie auf das Brett kam, findet man keine Partie von Richard Rapport.

Die Eröffnungswahl ging für Gukesh nicht gut aus. Der Inder hatte zuvor bereits mehrfach die Steinitz-Variante mit Vorstoß des eigenen e-Bauern nach e5 gespielt. Den sechsten Zug mit seinem Damenspringer nach e2 hatte Gukesh bisher noch nicht angewandt. Er wird diese Variante nach meiner Einschätzung in diesem Kampf auch nicht wiederholen. Die Partie wurde allerdings nicht in der Eröffnung entschieden. Der erste wirklich kritische Moment in der Partie sah so aus:

In diesem Moment entscheidet sich, ob es Weiß gelingt seine Figuren vernünftig zu koordinieren. Er sollte um das Feld c4 kämpfen und dafür seinen Läufer nach f1 umgruppieren. Dafür hätte Gukesh am besten mit dem Zug seines Läufers nach e1 begonnen, um das Feld f3 für seinen Turm freizumachen. Stattdessen entschied sich Gukesh für einen passiv gedachten Zug mit seinem a-Turm. Danach wurde es zunächst einseitig und Liren überspielte seinen jungen Gegner.

In dieser Stellung sahen beide Spieler einen kleinen taktischen Trick und brachen mit wenig Restbedenkzeit – Gukesh hatte noch etwas mehr als zehn Minuten auf der Uhr – die Berechnungen ab. Nach dem Schlagen des Bauern auf h7 sieht es zunächst gut aus für den Inder, aber Schwarz hat einen Trickzug zur Verfügung. Er gibt das ablenkende Damenschach auf d4. Weiß kann das nicht ignorieren, da der h4-Bauern nach einem Seitenschritt mit dem König mit Schach fällt.

Die Partie war nach dem Damenzugpaar nach c2 und c4 entschieden. Wer mehr wissen will, kann sich die Analyse der Partie anschauen.

Die Fotos zur Partie zeigen wie Gukesh zunächst zusammenbricht. Das erinnerte an die siebte Runde in Toronto nach seiner Niederlage gegen Alireza Firouzja. Ding war natürlich besserer Laune und erlaubte sich die Journalisten auf die eine oder andere falsche Fährte zu locken. Als er eine Frage auf chinesisch gestellt bekam und sehr schnell antwortet, wirkten die Verantwortlichen überrascht, denn eine Übersetzung fand nicht statt. In der Pressekonferenz war das Supportteam von Liren ebenfalls dabei. Sein Vater ist eher ein seltener Gast bei seinen Turnieren. Der Chinese wird normalerweise nur von seiner Mutter begleitet. Gukesh zeigte sich nachdenklich, war aber voll präsent bei der Presskonferenz. Die Schachwelt kann aufatmen. Liren hat sein Lächeln zurück gefunden.

„Das war ein taktisches Versehen von mir. Das kann passieren, es ist ein langes Spiel. Was die Form meines Gegners angeht, habe ich nichts anderes erwartet. Ich habe die beste Version von ihm erwartet, und wir haben ein langes Match vor uns, also ist es jetzt nur noch spannender.“ Gukesh nach seiner Niederlage in Runde 1.

Hintergrund: Via Youtube. Diese interessante Dokumentation stellt Google Deep Mind selbst auf Youtube zur Verfügung.

Ulrich Stock für Die Zeit

Foto Maria Emelianova (FIDE Chess) Von Thorsten Cmiel Ding

Von Thorsten Cmiel

Eine Schachanalyse ist die detaillierte und nachträgliche Untersuchung und Bewertung einer Schachpartie. Betrachtet werden einzelne Züge, verfolgte Strategien oder einfach bestimmte Positionen. Inzwischen weiß man, dass bei bestem Spiel beider Seiten eine Schachpartie mit Remis enden sollte. Insofern ist es eine wichtige Aufgabe Kipppunkte zu identifizieren, also Momente, bei denen die Bewertung objektiv eine Unwucht bekommt. Sie umfasst das Prüfen von Eröffnungen, Mittelspielstrategien und Endspieltechniken, um die Stärken und Schwächen eines Spiels oder eines Spielers zu erkennen. Dabei werden oft auch alternative Züge und deren mögliche Konsequenzen betrachtet. Schachanalysen können sowohl manuell durch erfahrene Spieler als auch mit Hilfe von Schachcomputern und -software durchgeführt werden. Ziel ist es, das Verständnis für das Spiel zu vertiefen und die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.

Vier Hauptziele einer Partieanalyse

1. Kipppunkt(e) bestimmen

Es ist für die retrospektive Analyse entscheidend ab wann eine Partie von einer ausgeglichenen Stellung in eine schlechtere Stellung oder sogar in eine verlorene Stellung überführt wurde, gekippt ist. Schachengines können da helfen.

Automatische Analyse mit dem Li-Chess-Tool

Der obige Chart zeigt den Verlauf einer zufällig ausgewählten Schachpartie in der Darstellung von Lichess, einem Internetportal bei dem Spieler ihre Partien in einem Schnelldurchlauf mit einer Schachengine prüfen können. Wir erkennen, dass Weiß zu Beginn einen leichten Vorteil hatte und, dass erst im Endspiel wirklich etwas los war. Der Schwarzspieler dieser Partie stand fünfmal auf Gewinn (Zacken nach unten), bekam es aber zunächst nicht hin. Für die Analyse hieße das, dass man die Zacken und die Absturzmomente – die Extrempunkte – genauer untersuchen sollte. Genau auf diese Weise analysieren Charttechniker an der Börse Kursverläufe und hoffen daraus die richtigen Schlüsse für zukünftige Entwicklung vorherzusagen. Beim Schach hat man seine Geschicke weitgehend selbst in der Hand.

2. Fehler entdecken

Am besten kann man nach einer Schachpartie zumindest Vermutungen darüber anstellen, welche eigenen oder gegnerischen Züge nicht sonderlich gelungen waren. Dieser Teil wird heutzutage zu häufig von starken Engines wie „Stockfish“ übernommen, die taktische Überprüfungen anstellen. Wer allerdings glaubt, dass die taktischen Engineanalyse die absolute Wahrheit erzählt, liegt falsch.

3. Verbesserungen suchen

Wenn man etwas Selbstdisziplin aufbringt und ohne Rechnerhilfe nach Lösungen für praktische Probleme sucht, dann verbessert man als Schachspieler sein Verständnis des Spielgeschehens.

4. Eigene Schwächen ermitteln.

Es geht nicht darum sich selbst zu zerfleischen in der nachträglichen Partieanalyse. Aber jede Partie kann Fragen aufwerfen: Was ist in der Eröffnung falsch gelaufen? Warum habe ich im Mittelspiel keinen Plan gefunden? Warum war mein Zeitverbrauch so hoch? Konnte ich im Endspiel bestimmte Stellungen nicht bewerten? Welches Wissen fehlte mir? Und viele weitere Fragestellungen sind denkbar.

Lebenslanges Lernen ist das Ziel

Das Ziel der Partie- oder Stellungsanalysen ist es, Verbesserungsideen für das eigene Spiel zu sammeln und möglichst bei der nächsten Gelegenheit anzuwenden. Dieser Verbesserungsprozess ist für jeden Schachspieler jeder Spielstärke möglich. Weltklassegroßmeister können allerdings als schon gut ausgebildete Spieler nur kleine Schritte machen. Sogar Magnus Carlsen kann besser werden. Allerdings haben mehrere führende Großmeister seine Schwächen nicht wirklich aufdecken können in fünf Weltmeisterschaftskämpfen.


Das AI-generierte Beitragsbild zeigt ein mechanisches Schloss im Stil eines „Da Vinci“-Codeschlosses. Es besteht aus mehreren rotierbaren Ringen mit Buchstaben darauf, die in Reihen angeordnet sind. An den Enden befinden sich dekorative Kappen mit geometrischen Mustern und Symbolen. Die Oberfläche der Buchstabenringe ist metallisch und detailliert mit Gravuren. Das Schloss hat einen antiken und mystischen Charakter und scheint für ein Rätsel oder eine Geheimhaltung konstruiert worden zu sein. Dieses Design erinnert an ein mechanisches Zahlenschloss, jedoch mit Buchstaben anstelle von Zahlen, und wird oft in Abenteuerspielen oder Geschichten verwendet, um eine geheime Botschaft zu entschlüsseln. Schachpartien sind solche Rätsel zumindest für die meisten Schachspieler.

Eine Schachanalyse ist die detaillierte und nachträgliche

Foto: Maria Emelianova (Singapur 2024)

Von Thorsten Cmiel

Im Ecosystem des Schachsports erscheint immer wieder ein neuer Stern, der die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zieht. Manche leuchten besonders hell. Einer dieser aufstrebenden Stars ist der junge indische Schachgroßmeister Dommaraju Gukesh. Mit seinen beeindruckenden Leistungen hat Gukesh nicht nur die indische Schachszene erobert, sondern insbesondere 2024 international für Aufsehen gesorgt. Sein nächstes großes Ziel ist der bevorstehende Weltmeisterschaftskampf in Singapur gegen den chinesischen Titelverteidiger Ding Liren.

Wer ist Gukesh?

Dommaraju Gukesh, so sein vollständiger Name, wurde am 29. Mai 2006 in Chennai, Indien, geboren. Als das Talent sichtbar wurde ging sein Vater, ein Arzt, mit seinem Sohn auf Reisen und förderte so die Karriere seines Sohnes. 2015 steht Gukesh als Candidate Master in den Titelbüchern und drei Jahre später war Gukesh bereits Internationaler Meister. Im Jahr 2019 folgte der Titel eines Großmeisters und war zu diesem Zeitpunkt der zweitjüngste Spieler, dem dies gelang. Mit seinen überragenden Rechenkünsten hat er sich schnell als Topgroßmeister etabliert und 2024 seinen endgültigen Durchbruch im Spitzenschach geschafft.

Der eigene Weg – zunächst Verzicht auf Computerunterstützung

Auf Anraten seines langjährigen Trainers Vishnu Prassana verzichtete der Jungmeister lange Zeit auf den Einsatz von Computern und Schachengines bei der Vorbereitung und Analyse. Diese heutzutage eher ungewöhnliche Herangehensweise stärkte letztlich seine Rechenfähigkeiten und förderte seine Kreativität bei der Suche nach eigenen Lösungen. Gukesh gilt als der rechenstärkste Großmeister seiner Generation. Zudem hat diese Methode den positiven Nebeneffekt erzielt, dass Gukesh seinen Rechenfähigkeiten scheinbar uneingeschränkt vertraut. Selbstbewusstsein.

Rituale

In der Leichtathletik können die Zuschauer am Fernseher beobachten wie sich die Sportler auf anstehende Wettbewerbe innerlich vorbereiten. Die Sportlerinnen oder Sportler gehen dann häufig einen Hürden-Lauf oder Hochsprung beispielsweise vor dem geistigen Auge durch. Das gilt ebenfalls für Slalom-Skifahrer, die sich auf die Wendungen im anstehenden Rennen vorbereiten. Bei vielen Schachspielern ist das ähnlich, wobei hier natürlich die anstehenden Wendungen in einer Partie nicht vorweg genommen werden können. Viele Schachspieler folgen einem Ritual, um sich auf die Partie einzustimmen.

Bei der Schacholympiade in Budapest 2024 konnte man bei Gukesh jeden Tag den gleichen Ablauf beobachten: Nach der obligatorischen Kontrolle am Eingang, die inzwischen an Flughafenkontrollen erinnern, stürmte Gukesh zu seinem Brett. Er hatte offensichtlich keine Lust auf Smalltalk mit seinen Kolleginnen und Kollegen vor den Partien. Er war fokussiert auf die anstehende Partie. Ein Videofilmer von Chessbase India folgte Gukesh jeden Tag mit einem Abstand von ein bis zwei Metern und hatte Probleme dem Tempo von Gukesh zu folgen. Einmal am Brett begann der Inder sein tägliches Ritual, das man bei ihm vor jeder Partie beobachten kann. In Toronto hatte ich es vor jeder Runde beobachtet. Mit verschränkten Armen sitzt der Youngster am Brett, schließt die Augen, fokussiert sich auf die anstehende Aufgabe, vermutlich ist es eine Form der Meditation, die man vor den Partien bei Gukesh beobachten kann.

Sobald die Partie beginnt gibt es den obligatorischen Handschlag für den Gegner und dann kommen die vorbereiteten Züge auf das Brett. Mit dann offenen Augen spielt er seine Partien und steht eher selten vom Brett auf. Steht Gukesh länger sieht es meist gut für ihn aus. Nach einem längeren Endspiel gegen den Aseri Nijat Abasov beim Kandidatenturnier in Toronto beispielsweise beobachteten einige Zuschauer, dass Gukesh aufstand und sich reckte. In Jugendsprache, er „flexte“. Ein vermutlich unbewusstes Signal an den Gegner, dass die Sache entschieden ist.

Auch zum Partieende folgt ein Ritual. Zunächst unterschreibt er wie alle Spieler es müssen die Partieformulare, die dann von einem Schiedsrichter im Original eingesammelt werden. Der Inder falltet seinen Durchschlag akurat und steckt ihn ein. Danach bringt Gukesh das Brett in Ordnung. Er baut die Figuren auf, was nicht jeder Schachspieler macht und was auch nicht vorgeschrieben ist. Danach folgen eingespielte Handbewegungen und ein Tippen an die Stirn sowie auf den Schachtisch. Ein indischer Geschäftsmann und Sponsor von Gukesh bezeichnet das in Toronto im Gespräch als eine Respektsbekundung für das Spiel. Das scheint eine gute Interpretation zu sein.

Spielstil

Gukeshs Weg zur Spitze war von zahlreichen Erfolgen und einem stetigen Spielstärkeaufwuchs geprägt. Er war einer der aktivsten Spieler auf der Tour und nahm an vielen internationalen Open-Turnieren teil. Das war eine Notwendigkeit, um finanzielle Mittel zu generieren und weil Einladungen für Rundenturniere nicht reinkamen. Das stählt. Der Inder ist in der Regel nicht auf den schnellen Punkt aus, sondern er lernte durch Vermeiden von eigenen Fehlern viele Punkte einzusammeln. Insofern ist sein Spielstil vergleichbar mit dem von Spielern wie Magnus Carlsen oder Anatoly Karpov, um ganz oben ins Regal der Vergleiche zu greifen.

Supportsystem

Ich habe kein besonders ausgeprägtes Privatleben. Ich meine, mein ganzes Leben dreht sich um Schach. Um alles andere kümmern sich meine Eltern und mein Team. Mein einziger Job ist es, Schach zu spielen, das ist also ganz nett.

Gukesh in Singapur vor dem Match.

Gukesh wird gecoacht von dem 1985 geborenen polnischen Großmeister Grzegorz Gajewski. Die beiden arbeiten seit fast zwei Jahren zusammen. Das engere Team Gukesh scheint zu harmonieren. Spieler und Trainer wirken introvertiert, ruhig und bedächtig, aber wenn es um Schach geht, dann erwacht sofort die Leidenschaft und beide werden gesprächig. Der zweite Mann und ständige Reisebegleiter des jungen Inders kennt ihn schon etwas länger. Sein Vater, Rajini Kanth. Rajini ist Chirurg und hat seine Karriere aufgeben, um die Karriere seines einzigen Sohnes zu fördern. Während Gukesh meist viel Ruhe ausstrahlt, kann sein Vater die Nervosität kaum ablegen. Während der Pressekonferenz zum Auftakt folgten Gajewski und Rajini dem Geschehen: aufmerksam und vor allem ruhig, noch.

Zum Team Gukesh gehört genau so seine Mutter, Padma. Sie ist Mikrobiologin und ist vor allem als Organisatorin zuständig. Gukesh und sein Vater waren die letzten Jahre oft längere Zeit unterwegs und die Familie kam nur eine Woche im Monat zusammen. Diese Entbehrungen, die offenbar nötig sind, um es in der Schachwelt ganz nach oben zu schaffen, zählen jetzt nicht mehr. Jetzt ist die Familie am Ziel. Gukesh spielt um die Weltmeisterschaft. Das ultimative Ziel ist nah.

Der bevorstehende WM Kampf in Singapur

Der Schach-Weltmeisterschaftskampf in Singapur wird mit klassischer Bedenkzeit ausgetragen und nicht nur in Indien herbeigesehnt. Für Gukesh ist dies seine erste Gelegenheit erneut echte Schachhistorie zu schreiben. Bei seinem Sieg im Kandidatenturnier in Toronto überzeugte der siebzehnjährige Inder bereits das Fachpublikum und bei der Schacholympiade in Budapest erzielte Gukesh eines der besten Einzelergebnisse der Schachgeschichte. Mit neun Punkten aus zehn Partien gewann Gukesh nicht nur ein individuelle Goldmedaille wie zwei Jahre zuvor am ersten Brett. Diesmal blieb der Youngster ungeschlagen und konnte mit dem Chinesen Wei Yi und dem US-Amerikaner Fabiano Caruana zwei schachliche Schwergewichte besiegen. Gukesh geht als die Nummer Fünf in der Welt ins Rennen um den WM-Titel.

Vorbereitung

In Vorbereitung auf den Kampf in Singapur absolviert Gukesh wie vor dem Kandidatenturnier in Toronto ein intensives Trainingsprogramm mit seinem Team. Er arbeitet mit einigen erfahrenen Spieler zusammen. Das Team ist im Vorfeld der Weltmeisterschaft natürlich nicht bekannt, man will dem gegnerischen Team keine wertvollen Informationen geben. Lediglich war sein Headcoach Grzegorz Gajewski gesetzt. In einem Interview im Vorfeld der Weltmeisterschaft sagte Gukesh: “Was mein Team betrifft, kann ich sagen, dass Gajewski mein Trainer für das Match sein wird, aber darüber hinaus kann ich nicht viel verraten.“ In solchen Trainingscamps wird nicht nur Schach gespielt und Eröffnungsvorbereitung betrieben. Von Gukesh ist bekannt, dass er mit Gajewski gerne und regelmäßig Tennis spielt.

Matchstrategie

Es ist nicht zu erwarten, dass Gukesh seine sehr geduldige Spielstrategie ändert und übermäßig aggressiv zu Werke geht. Das würde auch nicht zu seiner Person passen. Gukesh ist für sein Alter bereits ein sehr reflektierter junger Mann, der in Interviews seine Worte mit Bedacht wählt. Gukesh liest gerne Sportlerbiographien und sucht so bei anderen erfolgreichen Sportlern Inspirationen. Im Vorfeld wurde jetzt bekannt, dass Gukesh mit einem Mental-Coach zusammengearbeitet hat, der vor allem indische Cricketsportler gecoacht hat. In einem Interview mit Sagar Shah für Chessbase India erfährt man mehr über den geborenen Südafrikaner Paddy Upton. Er erläutert seinen Zugang zu einem Spiel, das neu für ihn war. Schach unterscheidet sich laut Upton aus seiner Sicht von den anderen 19 Sportarten in denen er vorher Leistungssportler gecoacht hat. Schach findet nur im Gehirn statt, anders als bei anderen Sportarten bei denen es letztlich um körperliche Fähigkeiten geht. Homepage Paddy Upton

Favoritenrolle für den Herausforderer

Dommaraju Gukesh überzeugte nicht nur beim Kandidatenturnier in Toronto, sondern ebenfalls im September 2024 am ersten Brett des indischen Teams bei der Schacholympiade in Budapest. Seine herausragende Leistung unterstrich seine gute Form im Vorfeld des bevorstehenden WM-Kampfes in Singapur. Gukesh gewann nicht nur individuelles Gold am ersten Brett, sondern die indische Mannschaft gewann souverän das wichtigste Teamevent im Schach. Aber Gukesh hat bereits mehrfach in Interviews erwähnt, dass er sich nicht auf einen Gegner außer Form vorbereitet, sondern einen starken Gegner erwartet.

Es wird ein Massaker.

Arjun Erigaisi, indischer Schachgroßmeister.

Es gibt nur zwei vernünftige Vorhersagen. Es wird knapp oder Gukesh wird mit deutlichem Vorsprung gewinnen. Die meisten haben auf beide Möglichkeiten gesetzt. Ich werde nicht feige sein und sage einen klaren Sieg mit +2 oder +3 für Gukesh voraus, der sich nie wie ein Wettkampf anfühlt. Ich erwarte auch, dass Ding nach dem Spiel zurücktritt, falls er verliert. Es ist traurig zu sehen, wie ein Mann so sehr darum kämpft, dass seine Träume wahr werden.

Jacob Aagaard, dänischer Schachgroßmeister, Trainer und Verleger.

Wie groß ist der Druck, der auf dem Teenager lastet?

Gefragt nach dem Druck vor dem Wettkampf sagte Gukesh: Es ist immer ein Privileg, für Indien auf so hohem Niveau zu spielen, und ich genieße diese Erfahrung. Ich denke, dass ich mit Druck vor allem durch Erfahrung umgehen kann. Ich habe schon in vielen Situationen mit hohem Druck gespielt, wenn auch nicht bei einer Weltmeisterschaft, natürlich. Aber ich freue mich auf die neue Erfahrung.

Quelle: Take Take Take via Youtube.

Pressekonferenz vor dem Match

Gukesh zeigte sich glücklich in Singapur zu sein, zumal er einen WM-Kampf herbeisehne, seit er mit dem Schachspielen begonnen hat. Er habe alle Chancen der Welt, wenn er weiterhin gutes Schach spiele und in jeder Partie die beste Version seiner selbst zeige.

„Ich bin sicherlich etwas nervös, aber ich fühle mich gut dabei. Der einzige Gedanke, den ich habe, ist, mein Bestes zu geben und zu sehen, was passiert. Es ist eine Ehre und ein Privileg für mich, für Indien bei irgendeiner Veranstaltung zu spielen, besonders bei einer Veranstaltung wie der Olympiade oder der Weltmeisterschaft. Es ist ein so großes Ereignis, mein Land zu vertreten und die Hoffnungen der Inder zu tragen: Das ist eine Ehre für mich. Ich nehme das sehr ernst. Ich werde gegen Ding Liren antreten, der seit mehr als einem Jahrzehnt zu den besten Spielern der Welt gehört.

Die offizielle Homepage zum Weltmeisterschaftskampf

Interviewauszüge 10.11.2024 (FIDE)

Im Ecosystem des Schachsports erscheint immer wieder

Foto: Lennart Ootes (FIDE Chess)

Von Thorsten Cmiel

Die Entscheidung über die Vergabe der Goldmedaille bei der Schacholympiade in Chennai fiel in einer Partie: im Duell zwischen dem Inder Gukesh und dem Usbeken Nodirbek Abdusattorov. Der 16-jährige Inder stand nach der Eröffnung besser und schließlich auf Gewinn. Doch dann glitt Gukesh die Partie nach und nach aus den Händen und Usbekistan gewann in der Folge die Goldmedaille und das indische B-Team landete auf dem dritten Platz.

Anatomie eines schachlichen Unfalls

Chennai. In der zehnten Runde kam es bei der 44. Schacholympiade 2022 zum Kampf der zwei Überraschungsmannschaften. Die Youngster von Indien 2 spielten endlich gegen Usbekistan. Die Usbeken lagen zu diesem Zeitpunkt mit einem Matchpunkt vorne. Damit war klar, dass dieser Wettkampf eine Vorentscheidung für die Goldmedaille in der offenen Klasse bringen würde. Es lief zunächst hervorragend für die Inder, die mit Schwarz zwei Remis erreichten. Kurz vor der Zeitkontrolle war klar, dass Praggnanandhaa, Pragg, seine Partie gegen Sindarov gewinnen würde. Am ersten Brett spielten die zwei überragenden Spieler am Spitzenbrett gegeneinander. Gukesh für Indien und Nodirbek Abdusattorov für Usbekistan.

Der Verlauf der Partie ist einfach erzählt: Gukesh hatte erneut einen hervorragenden Tag erwischt. Nodirbek stand hinten drin und nach 32 Zügen sah es nach einem klaren Sieg für Indien aus. Gukesh musterhafte Partieführung hatte zu der folgenden Stellung geführt.


Der Bauer auf c5 geht verloren und die einzige Aufgabe von Weiß besteht darin, das Eindringen der gegnerischen Dame zu verhindern. Gukesh kann den Bauern hier schlagen, aber sein Zug mit dem f-Bauern von f2 nach f3 ist ebenfalls bestens geeignet. Der Usbeke weiß nicht wie er überhaupt weiterspielen soll, zieht seine Dame nach d6 und nimmt das Feld g3 ins Visier. Nach diesem Zug kann der Inder mit dem Springer auf c5 nehmen, den Läufer angreifen und mit dem Springer zurück nach d3 ziehen. Es kann nicht mehr lange dauern und Indien jubelt, denkt man.


Statt den Bauern auf c5 zu schlagen spielt Gukesh zunächst seinen König nach f1, vermutlich um mit seinem König von e2 oder e1 das Eindringen auf der eigenen Grundreihe zu verhindern und erst dann auf c5 mit dem Springer, oder mit einem König auf e2 mit der Dame auf c5 zu nehmen. Diese Methode wirkt etwas umständlich, sollte aber ebenfalls funktionieren.


Zeitkontrolle geschafft. Weiß steht klar auf Gewinn. Der Usbeke hatte seinen Läufer kurzzeitig auf f5 eingesetzt und Gukesh den a-Bauern gegen den e-Bauern seines Gegners getauscht. Aber erstmals stört eine gegnerische Drohung, wäre Schwarz hier am Zuge, er würde ein Schach auf g1 geben. Gukesh wehrt mit einem Springerzug nach c5 die Drohung seines Gegners ab und arbeitet weiter an der Verwertung seines Vorteils. Dennoch ahnt man als erfahrener Spieler, dass der weiße König langfristig ein sicheres Versteck benötigt, um gegnerischen Schachgeboten auszuweichen. Nach dem Springerzug nach c5 und Zug der gegnerischen Dame nach a5, antwortet Gukesh hier mit dem Zug seines Königs nach d1. Erstmals bekommt man als Beobachter kleine Zweifel an einem zweiten Sieg heute für Indien. Der König wäre gefühlt auf h2 sicherer, besser dorthin unterwegs und würde nebenbei den eigenen Bauern auf g2 verteidigen. Aber Gukesh ist ein hervorragender Rechner und wird schon wissen was er macht, beruhigen sich erstmals zweifelnde Beobachter.


Einzig die weiße Königsstellung ohne Schutz gibt Schwarz hier noch etwas Hoffnung auf ein Remis. Aber der weiße König steht auf c2 so postiert, dass der gegnerischen Dame auf der d-Linie keine Einbruchsfelder verbleiben. Läuft gut. Der nächste Zug von Gukesh überrascht, verblüfft, erschreckt den Zuschauer. Es ist der erste Zug ohne erkennbaren, nachvollziehbaren Hintergrund in dieser Partie, vermutlich in diesem Turnier. Der Inder zieht seinen König nach b2. Stand dieser König nicht auf c2 besser? Teamkollege Praggnanandhaa am Nebenbrett kennt die entscheidende Hürde in seinem Endspiel mit Turm und h-Bauer gegen Läufer offensichtlich und insofern wäre ein Unentschieden kein großer Verlust. Beruhigungspillen.

Einige Züge später sieht die Situation auf dem Brett so aus.


Die gegnerische Dame ist auf g1 eingedrungen und Weiß kann hier seine Dame erneut nach c2 ziehen und Nodirbek bleibt vermutlich nichts anderes als mit dem Damenzug nach c5 und nach erneutem Seitenstep der Dame nach d2 den Gegner zu fragen, ob er nach Damenzug nach g1 weiterzuspielen gedenkt. Falls er das will, weil er muss, kann Gukesh und damit Indien einen kleinen Erfolg melden. Die angedrohte Stellungswiederholung wäre in jedem Fall eine sichere Testmethode, die nichts kostet. Gukesh versucht es nicht einmal, sondern zieht seinen König nach c2. Das ist typisch für die junge Generation, aber kritikwürdig. Peter Svidler versteht es nicht und die Fans von Indien müssen weiter zittern, denn die Partie geht weiter in objektiv etwa gleicher Stellung. Es kam dann wie es häufig kommt in solchen Situationen Gukesh verlor nach einem groben Fehler.

Das Drama

Gukesh verschmähte das wahrscheinliche Remis und wird vom amtierenden Schnellschachweltmeister aus Usbekistan zunächst gekontert. Die Bewertung schwappt hin und her zwischen Ausgleich und Vorteil für Nodirbek. Bis dann der plötzliche Tod durch ein grobes Versehen eintritt. Gukesh sackt in sich zusammen.

Lennart Ootes (FIDE Chess)

Die Fotos fangen eine für das Schachspiel typische Situation ein, einem Spieler unterläuft ein grober Fehler, und man weiß weder als Betroffener noch als Glückspilz wie man reagieren soll. Gukesh fällt in sich zusammen, lässt seine Bedenkzeit ablaufen und bleibt zunächst konsterniert sitzen. Der Usbeke ist ebenfalls erkennbar geschockt über die Situation, vermutlich fühlt der Usbeke einen kurzen Moment mit seinem Gegner mit. Ein Lächeln kann ihm erst sein Team-Captain Ivan Sokolov aufs Gesicht zaubern.

Solche Situationen kommen vor im Schach, oft. Selten ist der Einsatz allerdings so hoch wie hier. Vergleichbar ist diese Wucht der Emotion für die Beteiligten vermutlich nur mit einem Weltmeisterschaftskampf oder einer finalen Runde in einem Kandidatenturnier oder einer WM-Partie.


Über den Tag hinaus

Gukesh wird einen Tag später sagen, dass seine Entscheidung unverantwortlich war. Tatsächlich ist dies der Kippmoment dieses Turniers, welcher Indien die Goldmedallie gekostet haben könnte, wobei man so nicht argumentieren darf in der Retrospektive, aber es fühlt sich so an. Vishy Anand erklärt die Situation ausführlich in seiner täglichen Kolumne zur Schacholympiade im The Hindu. (Kolumne von Anand) Gukesh habe auf Autopilot geschaltet und bekam den bisherigen Verlauf der Partie bei einer objektiven Bewertung nicht mehr aus dem Kopf. Aufmunternd schreibt er, dass das ihm selbst schon öfters passiert sei. Er, Anand, habe auf das Unentschieden gehofft, denn es komme unweigerlich sonst ein Punkt ohne Umkehr. Später wurde bekannt, dass Anand nachts im Hotel bei Gukesh vorbei schaute und mit ihm ein längeres Gespräch führte. Gukesh trat am nächsten Tag an und remisierte problemlos mit der deutschen Nummer 1 Vincent Keymer. Die zweite indische Mannschaft gewann souverän mit drei zu eins Punkten. Gukesh gewann die Goldmedaille am ersten Brett. Sicher kein Trost.

Bei der Siegerpressekonferenz der Schacholympiade in Budapest 2024 – diesmal gewann Indien Gold – wird Gukesh nach dieser einen Partie, der Entscheidungspartie 2022, gefragt. Die verpasste Chance wurmte den Inder offenbar noch immer. Gukesh formulierte es so:

Ich musste eine Schuld begleichen.

Gukesh in Budapest 2024.


Dieser Text wurde erstmals am 09.08.2022 bei Chessbase veröffentlicht. Leichte Änderungen und Ergänzungen.

Foto: Lennart Ootes (FIDE Chess) Von Thorsten Cmiel Die

Foto: Lennart Ootes (Tata Steel India 2024)

von Thorsten Cmiel

Divya Deshmukh ist eine der talentiertesten jungen Schachspielerinnen Indiens. Schon früh zeigte sie außergewöhnliche Fähigkeiten und machte sich in der internationalen Schachszene einen Namen. Mit großem Talent und einem Ehrgeiz, der kaum zu bremsen ist, hat Divya bereits als Kind und Teenager Titel gewonnen.

Kaum eine andere Schachspielerin sammelt internationale Erfolge wie die am 9. Dezember 2005 geborene Inderin Divya Deshmukh. Nach zahlreichen nationalen und internationalen Titeln im Kindesalter ist der Teenager aus Nagpur, einer Stadt im zentralindischen Bundesstaat Maharashtra, im Jahr 2024 zu einem internationalen Superstar im Schach aufgestiegen.

Viele Schachspieler folgen einem Ritual zu Beginn und manche sogar nach dem Ende jeder Partie. Nach ihren Schachpartien unterschreibt Divya Deshmukh in Budapest die Partieformulare und baut die Figuren wieder in der Grundstellung auf. Immer. Lediglich die Könige werden in der Mitte positioniert, um zunächst der Elektronik und damit der Schachwelt das Ergebnis der Partie mitzuteilen. Nicht jeder Schachspieler ist so gut erzogen wie Divya. Das Aufbauen der Figuren bezeugt vor allem Respekt gegenüber dem Spiel. Ähnlich verhält sich ein anderer indischer Superstar, Gukesh, der sogar noch eine Art Bekreuzigungsritual anfügt.

Frühe Erfolge im Mädchenschach

Divya begann mit fünfeinhalb Jahren das Schachspiel. Zunächst wollte sie vor allem ihren Vater im Schach besiegen, also eine recht typische Motivation unter Schachspielern. Früh stellten sich erste Erfolge ein und oft war Divya die Erste, die bestimmte Leistungen erreichte. Beispielsweise war die Inderin die erste Frauen-Fidemeisterin im Alter von sieben Jahren. 2014 gewann Divya im südafrikanischen Durban die U10-Weltmeisterschaft der Mädchen und in 2017 folgte im brasilianische Poços de Caldas der WM-Titel in der Altersklasse U12. Im April 2019 gelang es Divya erstmals eine Ratingzahl von über 2400 Punkten zu erzielen, das repräsentiert einen Spielstärkelevel, der für das Erringen des zweithöchsten Titels im Schach, dem Titel eines Internationalen Meisters, notwendig ist. Dieses hohe Spielniveau konnte Divya zunächst nicht halten und ging mit einer Wertzahl von 2305 Punkten in die pandemiebedingte Zwangspause.

Partieende durch Stromausfall

2020 spielte Divya mit 14 Jahren für Indien am Frauenbrett bei der online ausgetragenen Schacholympiade, die mit gemischten Sechserteams ausgetragen wurde. Angeführt wurde das Team vom fünfmaligen Weltmeister Viswanathan Anand. Divya wurde für beide Finalpartien am Frauenbrett eingesetzt und bestand gegen die damals deutlich höher eingeschätzte Russin Polina Shuvalova. Die erste Partie endete Remis und dann in der zweiten Partie passierte aus indischer Sicht ein Drama. Es gab einen Stromausfall. Fans sahen auf dem Brett von Divya die folgende Situation.


Finale Online-Schacholympiade Divya Deshmukh – Polina Shuvalova nach 25….Kg8

Shuvalova ist komplett überspielt und hat kein Gegenspiel, da sie am Damenflügel unvorsichtig agiert hat. Gegen den heraufziehenden weißen Angriff am Königsflügel gibt es keine ausreichende Verteidigung mehr. Die Inderin wollte hier mit 26.Th2 fortsetzen Aber: Divya verlor offiziell zunächst ihre Partie, da jegliche Übertragungsfehler dem betroffenen Team angerechnet werden. Divya weinte vor laufender Kamera, fand aber wieder die Fassung. Der Leitungsausfall betraf allerdings nicht nur drei Partien der Inder an ihrem Spielort, sondern ein ganzer Kontinent war abgehängt. Der Weltschachbund fand ein nicht unumstrittenes gleichwohl salomonisches Urteil, beide Teams, Russland und Indien, wurden zu Goldmedaillengewinnern ausgerufen.

Bei der Schacholympiade 2022 in Chennai (Indien) gewann die damals 16-jährige Divya mit sieben Punkten aus neun Partien die Bronzemedaille am Reservebrett. Sie nannte diesen Erfolg zunächst „surreal“. Divya spielte für das zweite indische Team. Am ersten Brett von Indien B spielte Vantika Agrawal, die 7,5 aus elf Partien holte, ebenfalls ihre Mannschaftskameradin in Budapest 2024. Das zweite indische Team landete auf dem achten Platz. In der offenen Klasse sorgte ebenfalls Indien B für Aufregung und landete letztlich auf dem dritten Platz, einen Platz vor der ersten indischen Mannschaft.

(Foto: Lennart Ootes for Fide Chess)

2023 – überraschender Turniersieg als Ersatzspielerin

Erfolgreiche Sportler unterschiedlicher Disziplinen berichten immer wieder darüber. Es gibt Momente, die scheinbar einen Schalter umlegen und Sportlern einen Schub in ihren Karrieren verleihen. Vielleicht war der 2. September 2023 solch ein Tag in der Karriere von Divya Deshmukh. In der indischen Nationalbibliothek Bhasha Bhawan in Kalkutta gewann Divya das Tata Steel Frauen Schnellschachturnier vor der Favoritin und Weltmeisterin Ju Wenjun aus China. Dabei war die 17-jährige Inderin für das Turnier gar nicht vorgesehen. Divya sprang kurzfristig ein, da ihre Landsfrau Vaishali aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Divya war ohnehin gut in Form und hatte im Monat zuvor bei einem Openturnier in Abu Dhabi, also in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ihren Titel als Internationaler Meister klar gemacht.

Von Beginn an lief es gut für Divya, die mit der geringsten Elozahl im Feld und damit als krasse Außenseiterin startete. Nach einem Auftaktsieg gegen Harika Dronavalli und einem Unentschieden gegen die Weltmeisterin gab es scheinbar kein Halten mehr und nach fünf Siegen und zwei Remis in den ersten sieben Runden legte die Inderin ordentlich vor. Gegen die unter neutraler Flagge teilnehmende Russin Polina Shuvalova verlor Divya dann in der achten Runde nach einem unnötigen Bauernopfer, das ihre Gegnerin geschickt nutzte. Der Turniersieg schien in Gefahr, zumal Ju Wenjun zur Inderin aufschließen konnte. Divya musste mit Schwarz erstmals gegen die indische Spitzenspielerin Koneru Humpy ran und die Chinesin hatte Weiß gegen die Ukrainerin Anna Ushenina, die scheinbar einfachere Aufgabe. Dann wurde jüngere indische Schachgeschichte geschrieben und Divya erzielte ihren ersten größeren Erfolg bei den Frauen.


Humpy – Divya Tata Steel Rapid Kalkutta – Diagramm nach 39.Le2 von Weiß

Divya erkannte in dieser Stellung, dass sie eine taktische Chance hatte. Nach einem Rechenfehler ihrer Gegnerin streute die junge Inderin einen Zwischenzug ein, gewann die Partie und das Turnier. Ihr erster großer Erfolg im Frauenschach.


Pressekonferenz der Siegerinnen. Tata Steel India Rapid 2023.

Medaillen sammeln als Hobby

Divya sammelte, Stand Oktober 2024, bereits 23 Goldmedaillen bei 40 internationalen Events für Indien ein. Die Zahl der nationalen Titel kennt sie nicht einmal selbst. International ragen ihre drei Weltmeistertitel der Frauentitel in Asien 2023 heraus. Im Mai 2024 gewann Divya das Sharjah Challenger Turnier, ein Mixed-Event. Es fehlten ihr 16 Punkte bei der Performance und ein Gegner mit einem Großmeistertitel zu ihrer ersten GM-Norm. Im Monat danach gewann die Inderin in Gandhinagar, der Hauptstadt im indischen Bundesstaat Gujarat, die Weltmeisterschaft der Juniorinnen mit zehn von elf möglichen Punkten. Sie war haushohe Favoritin, aber diesem Druck, zumal im eigenen Land, muss man erst einmal standhalten. Es gelang der Inderin überzeugend. Im August 2024 übernahm Divya erstmals die Spitzenposition in der Weltrangliste der Juniorinnen. Im September kamen zwei Goldmedaillen bei der Schacholympiade hinzu im Team und am dritten Brett. Die gemischte Teamwertung nach der Schachlegende Nona Gaprindashvili benannt, gewann Indien ebenfalls. Ihre Elozahl schraubte die Inderin von 2420 im Januar 2024 auf 2490 in der Dezemberliste

Divya und ihre Mutter. Fide Chess GP Shymkent Foto: Konstantin Chalabov (Fide Chess)

Trotz harten Schachtrainings seit ihrer Kindheit absolvierte Divya ihre Schulprüfungen und in 2024 kamen ihre Examina in der Oberprimarstufe 12 hinzu. Ihre Eltern sind Doktoren, was in Indien kein seltener Background bei Schacheltern zu sein scheint. Ihre Mutter Namratha gab ihren Job auf als Divya etwa fünf Jahre alt war, um die Schachkarriere ihrer jüngsten Tochter zu fördern, als Chess Mom. Sie begleitete seither meist ihre Tochter. Divya wurde von der Schule ebenfalls unterstützt, indem ihre Ausfallzeiten für die Teilnahme an Schachturnieren und Trainings toleriert wurde. In einer Frühphase ihrer Karriere war Divya jeden Monat für eine Woche in Chennai in der Schachakademie von Ramesh RB und seiner Frau Aarthie Ramaswamy. Mit 14 Jahren sagte Divya in einem Interview mit Sagar Shah, dem Gründer von Chessbase India, dass ihre Karriereplanung wie die von Hou Yifan aussieht: Zunächst will sie Weltmeisterin werden und dann ein Studium starten.

Foto: Lennart Ootes (Tata Steel India 2024) von

Das Titelfoto zeigt eine AI-generierte Enigma

Jeder Spieler gerät gelegentlich in Schwierigkeiten. Dann zeigt sich eine Eigenschaft, die unterschätzt und nicht gut trainiert werden kann: Widerstandsfähigkeit zeigen. Anhand von Big-Swing-Partien kann man oft bei starken Spielern noch nachvollziehen wie sie eine schlecht stehende Partie noch zum Kippen gebracht haben.

Von Thorsten Cmiel

Meine Definition

Big-Swing-Partien sind Schachpartien, die für eine Seite bereits objektiv gewonnen waren, aber am Ende noch kippen oder zumindest im Verlauf gekippt sind, also in der Bewertung einen Big-Swing beinhalten (Gewinnstellung wird Ausgleich und geht im idealen Fall sogar noch verloren). Das passiert in der Praxis natürlich gelegentlich durch einen groben Fehler. Aber analytisch interessanter sind Partien in denen starke Spieler durch harte Gegenwehr solche Swings „erzwingen“. Grobe Fehler sind dabei gar nicht notwendig. Ein Vorteil kann sich auch nach mehreren Ungenauigkeiten verflüchtigen.

Kunst der Verteidigung

Natürlich muss der Gegner irgendwie mithelfen, damit eine eigentlich verlorene Partie noch remisiert oder sogar noch gewonnen werden kann. Aber wer glaubt das sei Glück, der unterschätzt den psychologischen Effekt, den Hartnäckigkeit bei der Verteidigung auslösen kann. Während starke Spieler darauf setzen sich im Verlauf zu wehren, versuchen manche Spieler einen „letzten“ Trick. Falls der nicht gut genug verpackt ist, ist das eher eine Strategie, die zur unweigerlichen Niederlage führt.

Beginnen wir mit einem Beispiel von der Schacholympiade 2022 in Chennai. 2022 hatte ich mich beim Covern auf die zweite indische Mannschaft spezialisiert und lag nicht ganz falsch mit meiner Wahl. In der indischen Presse gab es zu der folgenden Partie sogar eine eigene Nachricht. Der Volksheld Praggnanandhaa, Pragg, hatte die längste Zeit der Partie auf Verlust gestanden. Irgendwann zahlte sich sein Widerstand aus und er konnte die Stellung wieder ausgleichen. Am Ende verlor sein Gegner, der schweizerische Großmeister Yannik Pelletier, sogar auf Zeit. Pragg gelingt durch Geschick den Gegner immer wieder vor neue Aufgaben zu stellen. Beide Spieler begehen Fehler. Letztlich wird dem schweizerischen Großmeister zum Verhängnis, dass er oft viele gute Optionen hatte und die Auswahl ihn viel Zeit kostete. Es kommt unweigerlich eine Erschöpfungsphase, die beide Spieler erfasst zu haben scheint.


Die Fotos stammen von der Schacholympiade. Yannick vor der Partie und Pragg zwei Tage später.

Die Entscheidungspartie

Eine andere Partie von der Schacholympiade ist mir ebenfalls gut in Erinnerung geblieben, die sogar großen Einfluss auf die Schachgeschichte genommen hat. Nodirbek Abdusattorov verteidigt sich stoisch und auch in dieser Partie gibt der Weiße seinem Gegner Hoffnung, weil der gegnerische König lange etwas luftig steht.

Frauen Grand-Prix in Pune 2025

Es gab manche bemerkenswerte Comebacks im Turnier. Einige wollen wir uns hier kurz anschauen. Oft sind Fehler das Ergebnis hartnäckiger Verteidigung vorher und haben natürlich genauso etwas mit der Unsicherheit der Spielerinnen während der Partie zu tun. Betrachten wir zwei Partien der Bulgarin Salimova, die zwei große Vorteile letztlich nicht verwerten konnte.


Die folgende Partie ist sogar der ultimative Bewertungsswing. Beide Spielerinnen hatten Chancen einen vollen Punkt zu kassieren. Es sollte allerdings nicht sein. Solche Partien machen Zuschauern sicher mehr Spaß als Siege, die nach kleinen Ungenauigkeiten stetig aufsteigende Bewertungen zeigen und letztlich fehlerlos über die Bühne gehen. Vielleicht ist das auch der Grund weshalb Mikhail Tal so beliebt und Anatoly Karpov so unterschätzt wird. Karpovs Spielstil ist aus Sicht des Spielers sicherlich weniger emotional aufwühlend. Im Englischen spricht man von Spielstil oder einzelnen Zügen, die „karpovian“ sind.


Das Titelfoto zeigt eine AI-generierte Enigma Jeder Spieler

Die unkommentierten Partien im indischen Grand Prix der Frauen zum Nachspielen und herunterladen.

In der zweiten Hälfte ging es spannend weiter. Zhu Jiner sah lange Zeit wie die souveräne Führende aus. In der fünften Runde hatte sie nur mit Glück gegen Nurguyul Salimova einen halben Punkt erreicht und konnte so ihre Führung beibehalten. Bis sie in der siebten Runde gegen Koneru Humpy verlor, die gegen ihre beiden direkten Konkurrentinnen in diesem Turnier, Divya und Zhu, zwei volle Punkte erzielen konnte. In der achten Runde sah es nach einem erneuten Führungswechsel aus als Zhu Jiner die jüngste Inderin im Feld besiegte und Koneru Humpy lange Zeit auf Verlust stand. Die Partie ging allerdings Remis aus und in der Schlussrunde gewannen beide Führende ihre Partien souverän.

Runde 6

Die führende Chinesin Zhu Jiner gewann genau wie die Inderin Koneru Humpy, die erneut eine starke Partie ablieferte. Divya remisierte gegen ihre Landsfrau Harika Dronavalli und konnte das Tempo vorne nicht mehr mitgehen. Dramatisch verlief erneut die Partie der Bulgarin Nurgyul Salimova, die letztlich erneut nicht erfolgreich war, aber zwischendrin einen großen Vorteil bereits verspielt hatte.







Runde 7

Führungswechsel. In dieser Phase ging es vorne nur noch um die Frage, ob Zhu Jiner das Turnier ungeteilt gewinnen würde und damit ihre Chancen für die Qualifikation zum Turnier der Kandidatinnen verbessern könnte. Die direkte Begegnung zwischen den zwei Führenden im Turnier konnte insofern eine kleine Vorentscheidung bringen. Die Partie nahm einen dramatischen Verlauf und die Inderin übernahm die Führung. Divya konnte zur Chinesin durch einen schicken Sieg aufschließen und verblieb mit einer Chance auf eine Großmeisternorm.







Runde 8

Zhu Jiner schlägt in dieser Runde Divya und lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich zurück kämpfen will an die Spitze. Ein Drama ereignete sich in der Partie von Alina Kashlinskaya und Koneru Humpy. Die Inderin stand klar auf Verlust, aber ihre Gegnerin wickelte mit Turmtausch in ein ausgeglichenes Endspiel ab.







Runde 9

Während bei manchen Spielerinnen die Luft bereits erkennbar raus war, kämpften Koneru Humpy und Zhu Jiner um den Turniersieg. Und beide lieferten. Bemerkenswerterweise hatten beide Spielerinnen nach der Zeitkontrolle ein Turm-Springer-Endspiel auf dem Brett mit ähnlicher Bewertung, die eine Gewinnstellung andeutete. Zuerst gewann die Chinesin.







Schlussbetrachtung


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Fotos: Abhilash Shinde, Chaitanya (FIDE CHESS)


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Die unkommentierten Partien im indischen Grand Prix

Titelgrafik: Mehmet Ismail

Der Wettkampf von Ding Liren und Gukesh Ende 2024 in Singapur und der aktuellen WM-Kampf um die Frauen-Weltmeisterschaft zwischen den Chinesinnen Ju Wenjun und Tan Zhongyi sind objektiv auf ähnlich hohem Niveau gewesen. Es gab aber auch Unterschiede.

Von Thorsten Cmiel

Leider haben moderne Engines im Schach nicht nur die Objektivität der Analysen gestärkt, sondern auch die Bereitschaft Spielerinnen und Spieler verstärkt zu kritisieren. Dabei meine ich nicht in erster Linie Journalisten und Trainer, sondern Zuschauer in den sozialen Medien, die mit den stärksten Bewertungstools aller Zeiten bewaffnet sind und das Geschehen weder historisch noch praktisch einschätzen können. Wenn eine Frauenweltmeisterschaft gespielt wird, dann kommt ein anderer, ärgerlicher Faktor hinzu mit dem sich die Schachwelt schon länger auseinander setzen muss: Frauen wird oft nicht der erforderliche und verdiente Respekt gezollt. Dennoch muss man sie kritisieren dürfen, dann aber mit Fakten und Argumenten. Es folgt ein Versuch einer ausgewogenen Analyse der Frauen-Weltmeisterschaft.


„Selten verlief eine Frauen-Weltmeisterschaft so einseitig wie diese, obwohl hier mit Ju Wenjun und Tan Zhonqui die Zweite und die Dritte (…der Weltrangliste bei der…) Frauenweltmeisterschaft aufeinandertreffen.“

André Schulz (Chessbase-Redakteur) nach acht Runden.

Gerald Hertneck ist Großmeister und Leistungssportreferent des Deutschen Schachbundes, zitiert Schulz und geht zumindest in der Überschrift einen gefühlten Schritt weiter, indem er provokant fragt: „Weltmeisterschaft oder Farce?“ Leider geht Gerald der Frage nicht weiter auf den Grund. So bleibt die gestellte Frage offen und lediglich ein Eindruck, der falsch interpretiert werden könnte. Die Überschrift sollte vermutlich vor allem Aufmerksamkeit erzielen. Bevor ich der aus meiner Sicht legitimen Frage der Qualität nachgehe, seien zur besseren Einordnung einige historische Wettkampfergebnisse erwähnt.

Historisch deutliche Siege

In der Schachgeschichte gab es in einigen Wettkämpfen deutliche Resultate auf dem Weg zum Weltmeistertitel und bei den Wettkämpfen selbst. Erinnert sei zunächst an die spektakulären Siege von Robert James, genannt Bobby Fischer (1943 – 2008). Fischer deklassierte Taimanov und Larsen mit Sechs zu Null und gewann gegen Tigran Petrosjan im Finale der Kandidatenkämpfe mit 6.5 zu 2.5. Genau wie jetzt Ju Wenjun. Den Weltmeisterschaftskampf 1972 in Reykjavik gewann Fischer trotz einer kampflosen Niederlage mit 12.5 zu 8.5 deutlich nach allerdings 21 Partien. In der jüngeren Historie kann noch der letzte Weltmeisterschaftskampf von Magnus Carlsen erwähnt werden, der 2021 in Dubai gegen Ian Nepomniachtchi mit 7.5 zu 3.5 ebenfalls vorzeitig seinen Weltmeisterschaftskampf gewann. Als entscheidend für den Erfolg wurde nach ausgeglichenem Start die sechste Partie angesehen, die 136 Züge dauerte und durch die Carlsen erstmals in Führung ging. Sein Gegner war geknackt.

Singapur 2024: Gukesh – Liren

Einer, der sich beruflich mit Datenanalysen und deren Interpretation beschäftigt ist Mehmet Ismail, Wirtschaftswissenschaftler und Spieltheoretiker für Norway Chess im Einsatz. Ismail untersucht regelmäßig Top-Events im Schach und verfeinert seine Analysemethoden. So hatte Ismail den Weltmeisterschaftskampf 2024 in Singapur, den letztlich der Inder Gukesh gewann, einer historischen Analyse unterzogen. Ismail bescheinigte dem Geschehen eine historisch betrachtet hervorragende Qualität. Es mag sein, dass das Wissen um Eröffnungsvarianten und Endspiele beispielsweise Einfluss auf diesen generellen Trend im Schach genommen hat. Aber auch bei Top-Spielern kommen Fehler weiterhin vor. Wer mehr wissen will, der sei auf den Artikel hingewiesen.


Shanghai/ Chongqing: Ju Wenjun – Tan Zhongyi

Was Ju Wenjun auszeichnet

Ju Wenjun gewinnt mit diesem Wettkampf zum fünften Mal die Weltmeisterschaft der Frauen im Schach. Trotz einer frühen Niederlage hatte sie es nach eigener Aussage geschafft sich in ihre Komfortzone zu spielen. Zu den wichtigsten Stärken von Ju Wenjun gehört ihr positionelles Verständnis und ihr Endspielverständnis. Von beiden Eigenschaften profitierte die Chinesin während des Wettkampfes.

„Vielleicht hängt mein Spielstil in gewisser Weise mit meiner Erziehung zusammen – ich bin eher solide und vergleichsweise nicht so aggressiv“.

Ju Wenjun nach dem Wettkampf.

Was bei Tan Zhongyi schief lief

Die chinesische Herausforderin hatte ihre Chancen zu Beginn des Wettkampfes. Mit fortschreitendem Verlauf wurde deutlich, dass sie auf ein eingeschränktes Repertoire setzte mit Weiß und mit Schwarz. Das muss kein grundsätzliches Problem sein, aber stellte das gegnerische Team nicht vor allzu große Herausforderungen. Gerade in Situationen, die einen Strategiewechsel in einem Zweikampf erfordern, könnte es hilfreich sein, wenn man die Gegnerin vor neue Aufgaben stellen kann. Nach dem Auftaktsieg in der zweiten Partie hatte Tan eine solche Chance den Charakter des Wettkampfes zu bestimmen. Auf den Überraschungsfaktor in der Eröffnung verzichtete Tan während des gesamten Wettkampfes. Erst in der achten Partie wechselte Tan ihren Aufschlagszug (1.c4) erstmals und zu spät, um die Vorbereitung des gegnerischen Teams noch zu testen.

Was man bei Wettkämpfen von Spielerinnen, die bereits häufig gegeneinander angetreten sind, genauer betrachten sollte, sind vorherige Begegnungen, um die Dynamik besser zu verstehen. Tan und Ju Wenjun hatten bereits 2018 einen Weltmeisterschaftskampf gegeneinander gespielt. Diesen Wettkampf hatte Ju Wenjun damals als Herausforderin gewonnen. In dem Wettkampf hatte Ju Wenjun früh mit zwei Siegen die Führung übernommen, Tan kam heran, verlor erneut, kam heran und versuchte zum Schluss des Wettkampfes in vier Partien erneut auszugleichen. In der letzten Partie hatte Ju Wenjun großen Vorteil nachdem ihre Gegnerin die Hippopotamus-Eröffnung, in deutschen Schachkreisen auch als Feustel-Eröffnung bekannt, spielte, begnügte sich aber mit einem Remis.

Wie der Kampf 2025 kippte

Beginnen wir mit einer eher qualitativen Betrachtung des Geschehens und was aus Sicht eines menschlichen Beobachters zum Wettkampf festzuhalten ist: Bekannt war bereits vor dem Wettkampf, dass Tan Zhongyi tendenziell dazu neigt weniger solide zu spielen als ihre Gegnerin. Dazu gehören gelegentlich in ihren Partien positionell anrüchig wirkende Entscheidungen und positionelle Ungenauigkeiten in ihrem Spiel. Ähnlich wie Gukesh neigt Tan zu einem eher konkreten Spielstil.

Der Zweikampf kippte zwischen der dritten und fünften Partie, die letztlich die Wende im Wettkampf brachten. Betrachten wir diese Entwicklung chronologisch. Die dritte Partie verlor Tan erst spät im Endspiel nachdem es lange Zeit nach einem Remis ausgesehen hatte.


Tan hatte zuvor bereits etwas ungenau agiert, indem sie ihren Läufer statt nach d7 nach d5 stellte. Dabei ging es vor allem um die Möglichkeit dem Eindringen des gegnerischen Königs mit dem Turmtausch via a4 zu begegnen. In der betrachteten Situation war es für diese Idee bereits zu spät. Tan erkannte das nicht und zog im 60. Zug ihren Läufer nach c6. Stattdessen konnte sie mit ihrem Turm nach e2 ziehen und das Gleichgewicht halten. Das war allerdings nicht einfach zu erkennen und mehr eine Art Folgefehler, der letztlich zum Verlust führte.


Eine bekannte Schwäche von Tan ist, dass sie gelegentlich zu schnell oder impulsiv zieht. Auch beim Kandidatenturnier in Toronto, das Tan letztlich klar gewann, gab es solche Situationen. In der hier betrachten vierten Partie hatte Ju Wenjun im 19. Zug eine zweifelhafte Entscheidung getroffen und Tan stand vor ihrem 24. Zug mit Weiß.


Tan Zhongyi zog trotz einer Restbedenkzeit von mehr als einer Stunde flott ihren Läufer nach d6. Mit der Kontrolle des Feldes b8 kam allerdings das sofortige Schlagen mit der Dame auf b6 stark in Betracht und die Instanz im Schach, also der Maschinenraum, sieht großen Vorteil für Weiß. Ein erneuter Sieg für Tan hätte dem Wettkampf mit großer Wahrscheinlichkeit eine völlig andere Dynamik verpasst. Die Partie endete schließlich mit Remis.

(Wer sich für ausführlichere Betrachtungen der dritten und vierten Partie interessiert, der klicke bitte hier.)


Die Entscheidung brachte nach meiner Einschätzung letztlich die fünfte Partie im Wettkampf. Tan war bei ihrem e6-Sizilianer geblieben und spielte diesmal einen Paulsen-Aufbau. Psychologisch geschickt hatte Ju Wenjun eine Spielweise gewählt die ihrer Gegnerin hier eine scheinbare Konzession abverlangte.


Tan steht mit Schwarz vor ihrem 11. Zug. Der eigene Läufer ist durch den weit vorgerückten c-Bauern der Gegnerin auf a7 eingesperrt. Schwarz sollte den gegnerischen Bauern sofort befragen und das funktioniert am besten mit b7-b6. Aber: So hatte Tan bereits einen Zug zuvor nicht gespielt, insofern überraschte ihre Entscheidung gegen diese Befreiungsidee nur teilweise. Stattdessen zog die Chinesin ihren b-Bauern zwei Felder vor, um sich ein Feld für den Springer zu sichern. Das Problem des Läufers auf a7 verschärfte sich dadurch jedoch und auf c4 stand der Springer wackelig, weil Weiß dessen Deckung mit seinem a-Bauernzug nach a4 untergraben konnte.


Ju Wenjun hatte im weiteren Verlauf der Partie ihre Chancen nicht optimal genutzt. Hier stand erneut Tan vor ihrem 17. Zug. Angesichts der Fesslung des c-Bauern auf der Diagonalen a7-g1 bot sich der kurze Bauernzug mit dem d-Bauern an. Tan zog stattdessen ihren f-Bauern nach f5 und schwächte ihre eigene Stellung entscheidend.

(Wer sich für eine ausführlichere Analyse der fünften Partie interessiert klicke bitte hier).

Es gibt noch mehr Gründe zu suchen oder zu erforschen über die allerdings nur die Teams oder die Spielerinnen Auskunft geben können, warum was im Wettkampf nicht wie gewünscht gelaufen ist. Wir wollen diesen Teil mit dem Gesagten bewenden lassen und folgen einer Datenanalyse, um eine objektivierte Meinung über den Wettkampf und dessen Qualität zu erhalten.


Quantitative Betrachtungen

Beim Schach geht es Mehmet Ismail zufolge nicht nur um Präzision, sondern auch darum, kalkulierte Risiken einzugehen. Hierfür hat der Datenexperte den Game Intelligence (GI)-Score entwickelt, der einen Kompromiss zwischen dem Spielen der Hauptvariante und dem Abweichen davon zum Eingehen von gezielten Risiken erfasst.

Betrachten wir die Ergebnisse von Ismail um Weltmeisterschaftswettkampf 2025. Vor allem die Siegerin bringt einen sehr hohen GI-Score von etwa 160 auf die Waage und hat nur relativ wenige Chancen verpasst. Das mag auch an den unterschiedlichen Spielstilen der beiden Spielerinnen liegen, aber zeigt sich natürlich auch im Resultat des Wettkampfes. Ismails Fazit lautet:

„Obwohl es in beiden Wettkämpfen große Unterschiede in den einzelnen Partien gibt, zeigt sich, dass das durchschnittliche Spielniveau gemessen nach den Stockfish-Fehlern mehr oder weniger gleich ist.“


Was die Genauigkeit des Spiels war in beiden Wettkämpfen ähnlich hoch. Das zeigen die Durchschnittswerte der verpassten Punkte. In den Wettkämpfen Liren – Gukesh und Ju – Tan lag der Durchschnitt der verpassten Punkte bei 0,43 bzw. 0,46. Das bedeutet, dass im Durchschnitt in jeder Partie jeder Spieler in einer ausgeglichenen Stellung fast einen Fehler machte, der zum Partieverlust führte.

Wie aus den blauen Balken in der Abbildung ersichtlich ist, stiegen die verpassten Punkte im Wettkampf der Frauen bis zur vierten Partie allmählich an und gingen dann langsam zurück, als Ju Wenjun eine Siegesserie von vier Partien hinlegte. Das Match zwischen Ding und Gukesh war volatiler im Verlauf mit Höhen und Tiefen.


Wer mehr über die Analysen wissen will


Über Mehmet Ismail

Mehmet Ismail ist Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der Abteilung für politische Ökonomie des King’s College London. Zu seinem akademischen Hintergrund gehört seine Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Maastricht. Mehmet hat außerdem einen Master in angewandter Mathematik von der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und verbrachte ein Semester an der Universität Bielefeld im Rahmen des Erasmus Mundus QEM-Programms.

Neben seiner akademischen Tätigkeit ist Mehmet ein leidenschaftlicher Schachliebhaber und ehemaliger professioneller Backgammon-Spieler. Seine Leidenschaft für Spiele geht weit über das bloße Spielen hinaus; er ist fasziniert von der facettenreichen Welt der Spiele und erforscht alles von theoretischen Grundlagen und praktischen Anwendungen bis hin zu Spieldesign, Fairness und dem Spiel selbst. Mehmet ist für Norway Chess als Experte für Spieltheorie im Einsatz.

Interessierte Leser können auf GitHub weitere Informationen und Details der Analysen von Mehmet Ismail finden.

Fotos: Anna Shtourman (FIDE CHESS), privat.

Hinweis

Der Text wurde in deutscher Sprache erstellt. Wer die Übersetzungen in anderen Sprachen nutzt, muss manchmal mit bemerkenswerten Übersetzungen rechnen. So wird aus dem Zug, gemeint ist natürlich der Schachzug, im Englischen gelegentlich ein „train“, also Eisenbahnzug. Leider haben wir keinen Einfluss auf solche Fehler und können sie auch nicht korrigieren. Daher empfehlen wir Lesern etwas Humor beim Nutzen der modernen Möglichkeiten von automatischen Übersetzungen.




Dieser Chart von Mehmet Ismail zeigt den

Die unkommentierten Partien im indischen Grand Prix der Frauen zum Nachspielen und herunterladen.

Bei den Grand-Prix-Turnieren der Frauen wird in der Regel sehr kämpferisch gespielt. So auch hier. Von 25 Partien endeten nur elf Partien mit Remis. Und manche Remispartien waren ausgekämpft.

Runde 1

In der ersten Runde gab es bereits vier entschiedene Partien. Der Kampfgeist war bei allen Spielerinnen groß. Die längste Partie spielte die Mongolin Munguntuul gegen die Newcomerin im Grand-Prix-Circuit die Georgierin Salome Melia. Heraus kam ein tolles Endspiel, das man sich gesondert anschauen sollte.







Runde 2

Der Aufreger der Runde war sicherlich das grobe Versehen in der Eröffnung von Vaishali in ihrer Partie gegen Divya. Die Mongolin war erneut in ein Endspiel verwickelt. Diesmal ging es aber nicht gut aus, zumindest aus ihrer Sicht. Das Turmendspiel gegen Zhu Jiner bietet gutes Anschauungsmaterial.







Runde 3

Erneut bringt die Partie von Batkhuyag Muntunguul eine Entscheidung. Diesmal kommt es aber nicht erst zu einem Endspiel. Gegen die Gewinnerin des ersten Grand Prix, Alina Kashlinskaya, gewinnt die Mongolin zum Schluss diesmal im Mattangriff.







Runde 4

Die vierte Runde brachte erneut vier entschiedene Partien hervor. Besonders überzeugend gewannen die Chinesin Zhu Jiner und Koneru Humpy, die auch die Tabelle anführten. Lediglich Divya konnte sich von der Niederlage am Tag zuvor erholen und gewann bereits ihre dritte Partie.







Runde 5

Vaishali holte in dieser Runde ihren ersten vollen Punkt. Der Aufreger der Runde war jedoch die Partie von Nurgyul Salimova gegen die Führende Zhu Jiner, die Partie sollte die Bulgarin eigentlich nach dem „Damenopfer“ gewinnen, aber dann gab es mit wenig Zeit einige Wirrrungen und die Partie endete friedlich, weshalb die Chinesin weiterhin die Führung behaupten konnte. Die Mongolin Batkhuyag Muntuguul hatte schon in der Runde zuvor unglücklich verloren und dürfte den Ruhetag am meisten benötigen.







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Fotos: Abhilash (FIDE CHESS)


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Die unkommentierten Partien im indischen Grand Prix

Die Frauenweltmeisterschaft 2025 ist entschieden. In der letzten Partie geht es erwartungsgemäß schnell. Die Spielerinnen finden in der neunten Partie einen Weg zum Remis. Damit regiert Ju Wenjun mindestens zwei weitere Jahre bei den Frauen.

Von Thorsten Cmiel

Der zweite Teil des Matches in Chongquing ging bereits nach drei Partien zu Ende. Letztlich zeigten sich im Gesamtverlauf des Wettkampfes immer positionelle Schwächen der Herausforderin Tan Zhongyi, die aber im Verlauf durchaus immer wieder Chancen hatte, aber typisch für ihre Herangehensweise immer wieder zu schnell spielte. Eine generelle Schwäche war in diesem Match vermutlich ihre fehlende Flexibilität mit Schwarz auf Remis spielen zu können. Insbesondere in der dritten Partie gab Tan ihrer Gegnerin mit der erneuten Wahl der sizilianischen Eröffnung die sofortige Chance zum Comeback.

Match 2025123456789Gesamt
Ju Wenjun1/2011/211111/26 1/2
Tan Zhongyi1/2101/200001/22 1/2

Fotos: Anna Shtourman (FIDE CHESS)


Die Frauenweltmeisterschaft 2025 ist entschieden. In der

Diesmal wurde die Mongolin Munguntuul aus einem damenlosen Mittelspiel in ein Doppel-Turmendspiel verwickelt. Allerdings war es in der zweiten Runde in Pune ihre Gegnerin, die alle Trümpfe hielt und schließlich deutlich gewann.

Von Thorsten Cmiel

Auch komplexe Endspiele sollte man meines Erachtens abschnittweise analysieren. Das Endspiel aus der zweiten Runde in Pune zwischen Batkhuyag Munguntuul und Zhu Jiner entstand aus einer typischen sizilianischen Struktur und bietet viele Wendungen. Wir steigen ein in einem Moment, den man vermutlich als ausgeglichen bezeichnen sollte.



Die beiden Spielerinnen haben eine typische Bauernstruktur in einer sizilianischen Eröffnung auf dem Brett. Schwarz übt Druck auf der halboffenen c-Linie aus. Auffällig ist, dass der e-Bauer und der h-Bauer „fehlen“. Der weiße Springer auf d5 ist dominant im Zentrum postiert, greift aber keine gegnerische Schwäche beispielsweise an. Schwarz wiederum hat einen blockierten und schwachen Bauern auf d6, der aber zumindest noch nicht von einer weißen Leichtfigur angegriffen werden kann und zuverlässig vom Läufer auf f8 gedeckt wird. Der weiße Läufer auf f2 zielt ebenfalls ins Leere. Auch der Schwarzspieler hat Aktiva, die zu seinen Gunsten sprechen sollten. Vor allem zu nennen ist der weiße Bauer auf c3, der keine Unterstützung durch seinen b-Bauern erhält. Die weit vorne postierten schwarzen Bauern auf b5, e5 und f5 sichern ausreichend Raum für den Nachziehenden und seine Figuren. Zunächst muss Schwarz die drohende Springergabel auf b6 entschärfen. In der Partiefolge zeigte sich, dass vor allem die Mongolin Probleme damit hatte, einen konstruktiven Plan zu entwickeln.


Die Türme stehen auf der d-Linie recht wenig effektiv. Der Bauer auf d6 ist ausreichend vom König und einem Turm gedeckt. Damit hat Schwarz potentiell einen freien Turm, um im gegnerischen Lager zu wüten. Die Frage lautet also wie man die weiße Verteidigung hier am effektivsten organisiert. Man kann aus meiner Sicht zwei Ansätze verfolgen: Den Status quo erhalten oder man versucht beispielsweise durch Schlagen auf a4 die Struktur zu verändern. Aber geht das sofort?


Schwarz hat im Vergleich zu den vorher betrachteten Positionen erkennbar Fortschritte erzielt. Das Finden des stärksten Zuges gestaltet sich hier nicht als allzu schwierig, umso überraschender, dass die chinesische Großmeisterin für einen Moment nachlässt. Fündig wird wer sich systematisch auf die Suche begibt. Oder?


Die Aufgabe besteht für Betkhuyag Muntuguul darin, möglichst viel Widerstand zu leisten. Ausgleich ist bereits weit weg. Der letzte objektiv kritische Moment in diesem Endspiel scheint in dieser Stellung erreicht zu sein. Die Mongolin muss dringend einen Turm aktivieren, um Kompensation für den verlorenen Bauern zu finden. Sie wählt einen drastischen, aber verständlichen Weg und opfert zeitweise einen zweiten Bauern. Wer geht da mit ihr mit? In der Partie folgten noch später einige weitere spannende Momente, da beide Spielerinnen mit wenig Zeit nicht immer die genauesten Züge fanden.


Diesmal wurde die Mongolin Munguntuul aus einem

Beim fünften FIDE Frauen Grand-Prix-Turnier im indischen Pune kam es direkt in der ersten Runde zu einem hochspannenden Endspiel mit jeweils zwei Leichtfiguren und einem Mehrbauern für Weiß. Lange war das Endspiel zwischen der Mongolin Batkhuyag Muntuguul und Salome Melia ausgeglichen, aber die mit den schwarzen Steinen spielende Georgierin war die gesamte hier betrachtete Endspielphase in hochgradiger Zeitnot und das entschied letztlich über den Ausgang der Partie.

Von Thorsten Cmiel

Grundsätzlich und sozusagen vor die Klammer gezogen stellt sich für die Spieleinnen in allen Situationen die Frage, wie die folgenden Stellungen jeweils einzuschätzen sind. Das ist eine gute Übung zur Stellungsbeurteilung für diejenigen, die sich etwas Zeit für die Analyse dieses Endspiels nehmen und konkrete Berechnungen anstellen.


In der Partie führte die Georgierin hier mit drei Sekunden auf der Uhr ihren Springer nach c2. Was ist davon zu halten? Die Aufgabe kann nicht intuitiv gelöst werden, entsprechend lagen die Spielerinnen gelegentlich in diesem Endspiel falsch. Mit mehr Zeit als dreißig Sekunden pro Zug dürften die Chancen steigen durch das kurze Labyrinth der Fragen hier zu manövrieren.



Wie soll Schwarz hier seine Verteidigung organisieren? Welche der drei Figuren soll er ziehen und im Zweifel wohin damit? Auch hier wird man ohne Kalkulation nicht die richtige Lösung finden. Wir erinnern uns, dass die Schwarzspielerin hier keine Zeit hatte diese Berechnungen anzustellen. Sie griff fehl. Das kann man als Beobachter natürlich besser lösen, oder?



Wie sollte Weiß hier im 73. Zug am besten fortsetzen? Der Läufer ist angegriffen, aber wohin damit und warum? Auch die Mongolin hatte nur wenig Zeit. Bei diesem Zug waren es noch etwas mehr als dreieinhalb Minuten. Sie spielte einen völlig natürlichen Zug ohne längeres Nachdenken und lag falsch. Wer hier Zeit zum Rechnen hat, dürfte Vorteile haben.



Mit seinem 76. Zug gibt Weiß den Bauern auf. Soll Schwarz den Bauern schlagen oder nicht? In der Partie entschied sich die Georgierin richtig, um einen Zug später dann tragischerweise letztlich an praktisch der gleichen Aufgabe zu scheitern. Auch hier half konkretes Rechnen. Aber auch dann gab es bei ungenauem Spiel noch Fallstricke, die man jedoch auch als Normalsterblicher umschiffen konnte.



Diese letzte Stellung ist mit Schwarz, aber auch mit Weiß am Zuge eine bemerkenswerte Form von Zugzwang. Sie kam in der Partie nicht vor, aber in einer der angegebenen Varianten. Die Stellung ist gleichzeitig eine Ermahnung, Partien möglichst lange weiter zu spielen, wenn es irgendeine Hoffnung gibt. Leider werden heutzutage auch hoffnungslose Endspiele wie Turm und Springer gegen den Turm lange weitergespielt. Diese Kulturlosigkeit ist hier nicht gemeint.


Fotos: FIDE CHESS.

Beim fünften FIDE Frauen Grand-Prix-Turnier im indischen

Die Frauen-Weltmeisterschaft im Schach steht vor dem vorzeitigem Ende. Ju Wenjun gewann die siebte und die achte Partie. Sie muss jetzt nur noch ein Remis in vier ausstehenden Partien holen.

Von Thorsten Cmiel

Die zweite Hälfte des Frauen-WM-Matches 2025 findet in Chongquing statt. Chongquing ist eine zentralchinesische Millionenstadt. Bezieht man die gesamten Verwaltungseinheiten ein, dann ist die Stadt mit etwa 32 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. In der engeren City wohnen etwa sieben Millionen Menschen. Seit 2004 ist Düsseldorf Partnerstadt von Chongquing. Schachfans vor Ort können sich in den nächsten Tagen in der Stadt als Touristen umschauen.

Der Wettkampf scheint deutlich früher zu enden als gedacht und von den Organisatoren geplant. Tan Zhongyi hatte zuletzt einen Einbruch, der an den letzten WM-Wettkampf von Magnus Carlsen erinnert, der nach einem wichtigen Sieg gegen Ian Nepomniachtchi in der sechsten Partie plötzlich scheinbar ohne Widerstand den Kampf klar verlor.

Frauen-WM 2025Partie 1Partie 2Partie 3Partie 4Partie 5Partie 6Partie 7Partie 8Gesamt
Ju Wenjun1/2011/211116
Tan Zhongyi1/2101/200002

Partie 7: Tan mit Chancen. Ju Wenjun gewinnt.

Bevor man sich einer Partie analytisch nähert, sollte man die Partie ruhig mehrfach schnell durchspielen. Das bietet die FIDE an und wir nutzen es hier für genau diesen Zweck. (Ich empfehle aber den Ton abzustellen).


Schwarz ist hier am Zuge und Tan sollte ihr Gegenspiel vorbereiten. Welche Ideen kommen hier in Betracht? Die Auflösung findet sich in der Partiefanalyse am Ende dieses Abschnitts zur siebten Partie.


Was sind die wichtigsten Stellungsmerkmale? Wie sollte Weiß hier am besten fortsetzen? Wer seine Lösung überprüfen möchte, der schaut in die Partieanalyse.


Schwarz hat einen Mehrbauern, steht aber mit dem rückständigen c-Bauer und dem recht wenig agilen Läufer auf c8 anfällig. Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? Tan konnte das Problem nicht lösen. Die Lösung gibt es in der Partieanalyse.


Partie 8:

Erstmals in diesem Wettkampf zieht Tan Zhongyi einen anderen ersten Eröffnungszug als den mit dem c-Bauern. Dieser Wechsel des Startzuges kommt zu spät im Wettkampf. Vielleicht ist das die Folge eines frühen Sieges gewesen. Allerdings lag dieser Erfolg nicht an der Eröffnung. Üblicher ist es die Eröffnungsvorbereitung des Kontrahenten frühzeitig im Kampf zu testen, um spezifischere Vorbereitungen vornehmen zu können. Beide Spielerinnen scheinen in diesem Kampf wenig Wert auf Eröffnungsvorteil gelegt zu haben und im Nachhinein rächt sich das, zumindest für Tan.

In dieser Stellung war Ju Wenjun mit Schwarz am Zuge. Die Lösung ist nicht zu schwierig, aber instruktiv.

Hier steht ein starker klassischer Zug an, den Ju Wenjun leider auslässt. Wer den Zug nicht so einfach findet, dem sei der folgende Artikel empfohlen. Danach fällt der Groschen garantiert.



Fotos: Anna Shtourman (FIDE CHESS)

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Die Partieanalysen können heruntergeladen werden. Dafür muss man auf den hier orange markierten Button klicken.


Die Frauen-Weltmeisterschaft im Schach steht vor dem

Titelfoto: Dariusz Gorzinski. Dortmund 2024.

Wäre das Ergebnis ein Team-Resultat bei einer Schacholympiade, dann hätte das deutsche Team elf Punkte geholt und wäre im Mittelfeld gelandet. Die jüngsten Resultate sind allerdings von der Frauen-Europameisterschaft auf Rhodos, also einem Einzelturnier. Ein Kommentar.

Von Thorsten Cmiel

Es ist natürlich angenehmer über Erfolge der deutschen Spitzenspielerinnen und Spieler zu schreiben. Da gab es kürzlich Positives zu berichten: Das hervorragende Abschneiden von Matthias Bluebaum und Frederik Svane bei der Europameisterschaft 2025 beispielsweise. Oder Vincent Keymer, der ordentlich Geld bei Spaßturnieren einsammeln konnte.

Bei den Frauen hatte zuletzt die langjährige deutsche Spitzenspielerin Elisabeth Pähtz (40) eingeräumt, dass sie international mit den jüngeren Spielerinnen nicht mehr mithalten kann. Ihre Auftritte bei den letzten Grand-Prix-Turnieren missglückten sämtlich. Folgerichtig kündigte sie (erneut) ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft an, vermutlich wird der eine oder andere Funktionär im deutschen Schach das bedauern, denn hinter Elisabeth ist in den letzten Jahren nur wenig Hoffnung hinzugekommen. Das räumt sogar der aktuelle Leistungssportreferent des Deutschen Schachbundes irgendwie ein.

Deutsche Frauen bei der EM auf Rhodos

Quelle: Chess-Results.

Elisabeth Pähtz meldet sich

Als bei Facebook Kritik am Abschneiden der deutschen Frauen aufkam, verteidigte Pähtz ihre früheren Mitstreiterinnen. In Kurzform: Es war kein Betreuer auf Rhodos dabei und unter dem vorherigen Präsidenten war die Unterstützung besser.

Ein Funktionär aus den Ländern, der hier anonym bleiben soll, äußerte sich dazu so: „Ich sag mal so: damit Elisabeth, die ja an Ullrich Krause und Markus Fenner wenig Gutes auszusetzen hatte, sich so äußert, da muss schon echt eine Menge passieren.“ Dieser Funtionär sieht Veränderungsbedarf: „Zur Leistungssportförderung im DSB ließe sich viel sagen, aber belassen wir es erstmal bei ’so wie es ist, kann es nicht weitergehen‘.“

Elisabeth Pähtz zu der hier zitierten Einschätzung über Ullrich Krause.


Auszüge aus dem aktuellen Lagebericht

Gerald Hertneck – Referent für Leistungssport beim Deutschen Schachbund – bezeichnet das Turnier als „durchwachsen“ in seinem aktuellen Bericht über die Frauen. Zu beachten ist, dass der folgende Textauszug am 8. April 2025 verfasst wurde, es waren sieben Runden auf Rhodos gespielt. Danach verschärfte sich die Situation im Turnier, gemeint ist die Europameisterschaft auf Rhodos, leider noch weiter.

„Aktuell bewegen sich die Platzierungen aller Spielerinnen um den 40. Platz herum. Besonders unsere Spitzenspielerin IM Dinara Wagner spielt deutlich unter ihren Möglichkeiten, das muss man ganz klar sagen. Auch aus Elo-Sicht können die Frauen schwer mit der Spitze im internationalen Frauenschach mithalten, denn nur eine Spielerin hat über 2400 Elo, und übrigens kratzt GM Elisabeth Pähtz inzwischen auch an der 2400-er Marke, d.h. sie liegt nur noch knapp drüber. Alle anderen Spitzenspielerinnen liegen eher bei Elo 2300.


Leider, das muss man sagen, ist das deutsche Frauenschach derzeit nicht in der besten Verfassung, und ist auch nicht klar, wie man das ändern kann, nachdem das Programm Powergirls nicht die gewünschten Erfolge gezeigt hat, d.h. zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Spielstärken der Nationalspielerinnen geführt hat…“

Immerhin ist Geld durchaus vorhanden wie Hertneck im weiteren Berichtstext anmerkt:

Stand der Kürzungen im Budget Leistungssport


„Das Budget für den Bereich Leistungssport (Nachtrag 2025) sowie Planung für die Jahre 2026 und 2027 wurden im März mit dem Vizepräsidenten Finanzen besprochen, und liegt wie immer im sechsstelligen Bereich. Das klingt nach viel, ist es aber in der Praxis nicht, weil auch viele Turniere zu bedienen sind, sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern, bei den Nachwuchsspielern als auch bei den Nationalspielern, sowie bei den Einzel- als auch bei den Mannschaftsmeisterschaften! Das Ganze dann noch auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene! Jedoch konnte in Abstimmung mit dem Vizepräsidenten Finanzen eine teilweise Rücknahme der Kürzungen erreicht werden, allerdings noch nicht in dem Maße, dass der Leistungssport wieder auf dem Niveau von vor der Kürzung (Jahr 2022) liegt. Wir danken dafür, dass das Präsidium ein offenes Ohr für die Belange des Leistungssports gezeigt hat.“

Der vollständige Bericht von Gerald Hertneck zum Nachlesen.

Gerald Hertneck war ein glühender Verfechter und einer der Initiatoren der „Powergirls“. Das ist ein von der der Immobiliengruppe Krulich gefördertes Programm, um die deutschen Spitzenfrauen im Schach zu fördern. Das Programm startete im August 2021.

Mehr Informationen zu den Powergirls.


Eingeständnis der Ratlosigkeit

Beim Deutschen Schachbund gibt es neben Gerald Hertneck auf Funktionärsebene und im Hauptamt mehrere Verantwortliche. Zu nennen sind neben dem Referenten für Leistungssport noch der Vizepräsident Sport, der Bundestrainer der Frauen und ein hauptamtlicher Sportdirektor. Jetzt sollte man die Spielerinnen, die natürlich in erster Linie selbst verantwortlich sind für ihre Ergebnisse, nicht unerwähnt lassen, aber die Frage ist wer sich für die Misserfolge vor das Team stellt und wer das Ruder konzeptionell herumreißt? Denn es ist auch nach der eher durchwachsenen Schacholympiade erneut deutlich geworden, dass trotz Förderung irgendetwas nicht funktioniert bei den besten deutschen Frauen.

Unrealistische Ziele

Die Idee war eindeutig zu ambitioniert bei Spielerinnen über zwanzig Jahren eine signifikante Spielstärkeentwicklung zu erwarten. Das Powergirls-Programm musste insofern scheitern. Der Autor dieses Kommentars hatte hierzu früh einen Austausch mit Hertneck via Facebook und leider Recht behalten. Das Verfehlen dieses Zieles sollte man den aktuellen Spielerinnen nicht vorwerfen. Sie versuchen mit Sicherheit ihr Bestes. Die Frage ist wie es jetzt weitergeht mit den bisherigen Förderkonzepten. Man darf gespannt sein.

Was jetzt folgen sollte

In wenigen Wochen findet in Paderborn der Bundeskongress des Deutschen Schachbundes statt bei dem sich zumindest die zwei ehrenamtlichen Funktionäre (Vizepräsident Sport und Leistungssportreferent) erneut zur Wahl stellen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die Delegierten aus den Landesverbänden die Berichte – auch zu anderen Themen – nicht wie in der Vergangenheit zu oft – einfach nur zur Kenntnis nehmen, sondern diskutieren und, falls als sinnvoll erachtet, Veränderungen einfordern. Möglicherweise muss man die Spitzenförderung für Frauen im deutschen Schach neu denken. Es ist die Aufgabe von Funktionären und Delegierten die Weichen möglichst geschickt zu stellen und von einem Bundestrainer und dem Sportdirektor den Zug dann auf das richtige Gleis setzen zu lassen. Auch deren spezifischer Beitrag ist grundsätzlich zu hinterfragen.

Es wäre in jedem Fall erfreulich, wenn die Verantwortlichen im Schachbund künftig eine Idee entwickeln würden, wie man die Frauen zumindest mittelfristig wieder an die europäische Spitze heranführt. Mehr Geld war bisher immer die Antwort und vor allem bei Kürzungen die Entschuldigung der Verantwortlichen. Das verkommt aber zur Ausrede, wenn man kein mittelfristiges inhaltliches Konzept, das über gelegentliche Kadertrainings und Turnierzuschüsse hinausgeht, hinterlegt.

Alles muss auf den Tisch: Sollen vorhandene Mittel gezielter für wenige etablierte Spielerinnen eingesetzt werden? Vielleicht verzichtet man auf das Beschicken von Kinderturnieren bei den Mädchen? Andersrum wäre es genauso denkbar: Der DSB könnte einige Jahre Team-Turniere abschenken und verstärkt auf den Nachwuchs, also auf die jüngeren Generationen U20, setzen. Eine Diskussion zu führen und ein Meinungsbild einzuholen in Paderborn wäre immerhin ein Anfang.


Titelfoto: Dariusz Gorzinski. Dortmund 2024. Wäre das

Bei Dinara Wagner lief es auf Rhodos bisher nicht. Wenn es nicht läuft auf dem Brett, dann kommt es immer wieder zu kleinen Ungenauigkeiten, die letztlich verpasste Chancen ausmachen können. So auch hier. Am Ende war es dann ganz schlimm. Das hatte aber nichts mit der Eröffnung zu tun, sondern mehr mit Zeitnot und vermutlich Frust und Ermüdung.

Von Thorsten Cmiel

Katalanisch ist eine der typischen Profieröffnungen. Weiß strebt in der Regel nicht nach schnellem Erfolg durch scharfes Eröffnungsspiel, sondern es geht hier meist um die feinere Klinge. Chancen bekommt man meist nur wenige umso wichtiger ist es dann aufmerksam zu sein. Gelegentlich verschwimmen die Systeme etwas, aber die weißen und schwarzen Aufmarschpläne sind oft ähnlicher Natur. Viele Motive sind bekannt und dennoch kommt es immer wieder zu neuen Details, die man entdecken kann. Wie das hier.


In dieser Stellung steht Weiß vor einer bekannten Entscheidung. Schwarz hat bereits etwas unvorsichtig agiert und Weiß kann jetzt die lange Diagonale und den ungedeckten Läufer auf b7 für das Aktivieren ihres Springers via dem Feld c4 nutzen. Die eigentliche Frage ist aber etwas komplexer. Sollte Weiß hier zunächst auf d7 die Springer tauschen. Und falls ja, warum?

Ja, Weiß erreicht mehr durch vorherigen Tausch des Springers auf d7. Die Bedenkzeit von Dinara, die unter einer Minute verbrauchte und sofort ihren Springer von d2 nach c4 zog, zeigt fehlende Aufmerksamkeit für ein wichtiges Detail. Schwarz kann nach dem Tausch nicht gut auf d7 mit der Dame schlagen, da hiernach Weiß später auf f6 den Springer schlägt und Schwarz mit einer katastrophalen Bauernstruktur übrig bliebe. Einen Zug später ist diese Chance verpasst, da Schwarz den Läufer nach e7 beordert und der Tausch f6 keine Zugeständnisse mehr notwendig machen würde.

Eigentlich wollte ich zu dieser Partie nur diesen einen Moment genauer betrachten. Es war für Dinara eine verpasste Chance schneller einen ordentlichen positionellen Vorteil zu erzielen. Irgendwann stand Dinara nach der Eröffnung klar auf Gewinn. Mit einem ordentlichen Zeitunterschied war es in Costa Rica kurz vor Mittag als ich zum Einkaufen fuhr. Zunächst gab es eine andere Überraschung, die meine Aufmerksamkeit weckte: Der US-Präsident, den ich nur den „Orangenen“ nenne, konnte den Druck wegen seiner katastrophal törichten Zollpolitik vermutlich nicht mehr ertragen, kündigte eine Art Moratorium seiner wenige Tage zuvor verkündeten Strafzölle an und schickte die internationalen Aktienmärkte gen Norden. Nachdem ich mir das mediale Chaos angesehen hatte, warf ich einen Blick auf die Stellung von Dinara. Die war plötzlich nur noch ausgeglichen in einem Turmendspiel mit zwei Bauern weniger, das man aber halten können sollte. Es gab wieder etwas mediale Ablenkung, da sich in Deutschland an diesem Tage eine neue Regierung aufmacht endlich das eine oder andere politische Thema zu adressieren und zu lösen. Ich sah ein Replay einer Pressekonferenz mit Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken. Auch das war kein Vergnügen. Inzwischen sah ich noch nicht das Ende, aber das Ergebnis der Partie von Dinara. Die genaue Analyse wirkt vielleicht auf den einen oder die andere wie Leichenfledderei, aber aus solchen Partien kann man oft mehr lernen als aus Partie wie sie eine andere Deutsche am gleichen Tag gespielt hat. Ich verzichte auf weitergehende Kommentare, aber die Gegnerin spielte eine ultrascharfe, interessante Variante und kannte sich offenbar nicht aus.



Zurück zu der Partie von Dinara Wagner. Die deutsche Spitzenspielerin spielte eine lange Partie, die ich neuerdings in Portionen analysiere, um dadurch das Spiel vor allem bei Eigenanalysen besser zu erfassen und Schwachpunkte des eigenen Spiels zu benennen. Folgen wir unserem Plan die verschiedenen Spielphasen nacheinander abzuarbeiten und die Knackpunkte nachzuarbeiten. Oft reichen vier Analysephasen. Diesmal sind es sechs.

Bevor man in die Details einer Analyse geht, sollte man meines Erachtens eine Partie möglichst mehrfach schnell durchspielen, um das Geschehen möglichst zu erfassen und sich Fragen zu notieren. Dazu findet man hier die komplette Partie unkommentiert. Um die Partie nachzuspielen klickt man auf einen beliebigen Zug und ein Partiefenster poppt auf. Mit den Pfeiltasten kann man die Partie vor und zurück nachspielen.


Die Eröffnungsphase lief gut für Weiß auch ohne das beschriebene Detail in der Eröffnung gelang es Dinara sich eine aussichtsreiche Stellung zu erspielen. Es ging zunächst erfreulich weiter bis sich dann im finalen Teil der Partie ein größerer Unfall ereignete. Der vermutlich auf Ermüdung und Zeitnot zurückzuführen ist. Die meiste Zeit hatte Dinara nicht nur die bessere Stellung, sondern auch die bessere Restbedenkzeit. Erst in der Schlussphase als Dinara ein Turmendspiel mit zwei Bauern eigentlich halten sollte, lag die Deutsche auch auf der Uhr zurück. Es kam wie es sprichwörtlich kommen musste…







Ich hoffe in naher Zukunft eine überzeugende Partie von Dinara Wagner hier präsentieren zu können. Ein spannendes Endspiel aus der Runde danach kommt in jedem Fall in Kürze.


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Bei Dinara Wagner lief es auf Rhodos