Connect with:
HomeStandard Blog Whole Post (Page 2)

Foto: Michal Walusza (FIDE Chess)

Von Thorsten Cmiel

Vincent Keymer gewinnt auch sein zweites Match beim World-Cup im indischen Goa. Der zweite Tag war sehr erfolgreich für die deutschen Teilnehmer. Frederik Svane haut Weltmeister Gukesh raus und Alexander Donchenko eliminiert Anish Giri. Matthias Bluebaum hatte bereits in der Hinrunde gewonnen und remisierte mit Weiß ohne größere Probleme.

Eigentlich hatte ich für dieses Turnier nur eine Vincent-Cam eingerichtet, aber dieser Spieltag war grandios für die deutschen Spieler und man kann die Siege von Frederik und Alexander gegen zwei Weltklasse-Großmeister nicht einfach ignorieren. Beginnen wir mit Frederiks Sieg gegen den indischen Weltmeister Gukesh. Frederik spielte eine starke Partie mit einem spannenden Endspiel, das bei typischer Verteidigung in der folgenden Stellung mit Remis enden sollte.


Spontan, welchen Zug spielen sie hier mit den weißen Steinen? Ich vermute 99 Prozent aller Amateurspieler können in dieser Situation besser auftrumpfen als der Weltmeister Gukesh. Wer will kann die Folgen seines Zuges noch etwas genauer beleuchten und versuchen die Stellung danach mit Schwarz Remis zu halten. Die Antwort findet sich in der folgenden Partieanalyse.


In der Partie kam diese Stellung nicht auf das Brett, da Gukesh statt seinen König nach f1 nach d3 gezogen hat. Aber wie wäre es nach dem anderen Königszug (nach f1) weiter gegangen. Die Antwort ist nicht so einfach und erfordert etwas gedankliche Arbeit.


Der Don kann es noch

Kommen wir zum zweiten Überraschungssieger am zweiten Tag der dritten Runde im World-Cup. Alexander Donchenko gewinnt seine Weißpartie gegen Anish Giri. Die Partie analysiert Alexander, der Don, im Video recht ausführlich und ich gebe daher nur die Züge wieder und biete eine Schnellversion zum automatischen Nachspielen an. Vor einem Jahr hatte Alexander mit Fabiano Caruana übrigens einen anderen Super-GM geschlagen.



Matthias souverän

Matthias Bluebaum gewann recht souverän die erste Partie und haderte mit seiner Technik. Er musste durch ein Damenendspiel zum Sieg. In der folgenden Weißpartie ging alles recht schnell und sein Gegner hatte nie wirklich eine Chance, da er keine sonderlich gesunde Grundidee fand.





Vincent klar weiter

Die erste Partie verlief für Vincent Keymer nicht ganz nach Plan. Die einzige Aufregung gab es als plötzlich der Schiedsrichter eingriff. Die Situation war durchaus kniffelig. Der Inder streifte beim Griff nach dem Turm, das war zu dem Zeitpunkt sein eigentliches Ziel, einen Bauern, den er schlagen konnte. Er ergriff den Turm aber letztlich doch nicht. Offensichtlich hatte er das Schlagen bereits vorher erwogen. Er entschied sich letztlich für den Läufer und auch dieser Zug geriet etwas unsauber: Zunächst wollte Pranesh diesen nach b2 ziehen, entschied sich aber kurzfristig für das Feld a1. Der Schiedsrichter nahm die Berührung des Bauern wahr und griff ein, nachdem der Inder seinen Läufer gezogen hatte. Die Regelauslegung ist keineswegs einfach oder eindeutig in solch einem Fall. Zufällig und nicht beabsichtigt berührte Figuren muss man nämlich nicht ziehen und hier fängt das Dilemma an. Es geht um Interpretation und Wahrnehmung. Das Video deutet darauf hin, dass der Inder den Bauern nicht greifen wollte. Der Schiedsrichter hat die Berührung aber live wahrgenommen. Vincent allerdings nicht. Vincent bekam zudem zwei Bonusminuten für das Foul seines Gegners.


Der US-Schiedsrichter Chris Bird weist auf eine unterschiedliche Handhabung hin. In den Vereinigten Staaten würde ein Schiedsrichter nicht eingreifen, sondern nur als Zeuge dienen, meint Bird. Dabei wird das hier zugrundeliegende Problem nicht aufgelöst. Denn auch auf dem anderen Kontinent muss irgendwie entschieden werden, ob der Bauer „accidental“ berührt wurde. Mit dem Fall dürften sich in Zukunft Schiedsrichter auf Lehrgängen beschäftigen. Wenn man etwas länger darüber nachdenkt was Bird hier schreibt, dann wird es übrigens vollends absurd. Denn wie lange darf ein Spieler überlegen, ob er tatsächlich die Berührung reklamiert. Bei nicht limitierter Zeit könnte er also wohlüberlegt entscheiden welchen Zug der Gegner spielt.

Tragisch ist allerdings was auf dem Brett in der Situation objektiv los war. Das Schlagen mit dem Turm auf d3 war der richtige Zug. Der Läuferzug nach b2 war objektiv weißer Vorteil und der letztlich gespielte Zug des Läufers nach a1 brachte Schwarz fast eine Verluststellung ein. Dabei ist natürlich anzumerken, das die Sache mit 40 Sekunden Restbedenkzeit und 30 Sekunden pro Zug nicht einfach war. Glück für Indien in dem Fall. Erfreulich fand ich wie ruhig Vincent mit der Situation umgegangen ist.



Nur Rasmus Svane griff hinter sich

Leider musste Rasmus, der fünfte verbliebene Deutsche, nach einem Fehler im Turmendspiel hinter sich greifen. Die beiden Großmeister folgten lange ihrer Vorbereitung. Heraus kam eine Schachpartie mit drei Fehlern ohne ungenaue Züge, Rasmus machte genau einen mehr und verlor seine Partie und musste abreisen.


Wie sollte Rasmus hier auf das Schachgebot reagieren? Welcher der denkbaren vier schwarzen Königszüge wurde hier gespielt und ist tragischerweise der einzige Verlustzug. Warum das so ist zeigt die Partieanalyse unten.


Wie sollte Schwarz hier am Zug seine Verteidigung organisieren? Rasmus scheint nicht mehr an seine Chance geglaubt zu haben und ihm entgeht seine unerwartete letzte Chance.


Fotos: Michal Walusza und Eteri Kublashvili (FIDE Chess).


Foto: Michal Walusza (FIDE Chess) Von Thorsten Cmiel Vincent

Quelle: Fide.

Das laut Weltschachbund wichtigste Turnier im Weltmeisterschaftszyklus findet vom 28. März bis zum 16. April 2026 auf Zypern statt: Die Kandidatenturniere der Frauen und in der offenen Klasse finden parallel statt. Spielort ist ein Luxusresort in der Nähe des Ortes Paphos.

Die letzte Austragung des Kandidatenturniers fand 2024 in Toronto statt. Gespielt wird im Cap St Georges Hotel & Resort in der Nähe von Paphos an der Südwestküste Zyperns. Das Kandidatenturnier ist die letzte Qualifikationsrunde im FIDE-Weltmeisterschaftszyklus und deren Sieger fordern die Weltmeisterin Ju Wenjun aus China und den amtierenden Weltmeister Gukesh aus Indien später im Jahr heraus.

„Das Kandidatenturnier ist die letzte und härteste Prüfung für jeden Schachspieler, der in einem Match um den Titel gegen einen Weltmeister antreten möchte, und es ist die schwierigste Hürde im Weltmeisterschaftszyklus. Zypern war bereits zweimal Gastgeber des FIDE-Grand-Prix der Frauen, und nun ist die Zeit für das prestigeträchtigste Turnier im Schachkalender gekommen, das Kandidatenturnier. Ich möchte unseren langjährigen Partnern, Freedom Holding und der Familie Scheinberg, danken, die sich gemeinsam für die Unterstützung dieser Veranstaltung einsetzen – wir sind ihnen für ihre kontinuierliche Unterstützung sehr dankbar“, sagte FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich.

Das Cap St Georges Hotel & Resort ist ein luxuriöses 5-Sterne-Resort an der Küste. Es liegt inmitten von Olivenhainen und bietet einen Panoramablick auf das Meer. Es ist eine der exklusivsten privaten Anlagen am Mittelmeer. So beschreibt es der Prospekttext der FIDE.

„Der Ort und die Termine dieses Turniers wurden sorgfältig geplant und ausgewählt, um den Spielerinnen die bestmöglichen Bedingungen zu bieten. Seit ich das Cap St. George betreten habe, hatte ich das Gefühl, dass es der richtige Ort für eine so wichtige Veranstaltung ist. Die nahezu ideale Kulisse – nicht nur für die Spieler, sondern auch für Fans und Medien – in Verbindung mit den Bemühungen der FIDE, dieses Turnier zu einem außergewöhnlichen Ereignis zu machen, wird der Welt ein wahres Schachfest bescheren. Es geht nicht nur um ein Rekordpreisgeld, sondern vielmehr darum, wie das Turnier der Schachgemeinschaft und der breiten Öffentlichkeit präsentiert wird“, sagte FIDE-CEO Emil Sutovsky.

Zeitplan, Spielmodus undZeitmodus

Der Ablauf entspricht dem der letzten Kandidatenturniere in Toronto 2024. Gespielt wird mit jeweils acht Spielerinnen und acht Spielern. Auch bei der Bedenkzeit gab es keine Änderungen. Während in der offenen Klasse die Züge bis zum 40. Zug ohne Inkrement in 120 Minuten absolviert werden müssen, bleibt es bei den Frauen beim international üblicheren Zeitmodus von 90 Minuten für 40 Züge und Inkrement ab dem ersten Zug. Danach gibt es in beiden Gruppen weitere 30 Minuten bis zum Ende der Partie. Jeweils inklusive 30 Sekunden pro Zug.

OpenFrauen
1Anish Giri (NED)Divya Deshmukh (IND)
2Matthias Bluebaum (GER)Vaishali (IND)
3Fabiano Caruana (USA)Katheryna Lagno (FID)
4Hikaru Nakamura (USA)Aleksandra Goryachkina (FID)
5Sieger Welt Cup 2025Zhu Jiner (CHI)
6Zweiter Welt Cup 2025Koneru Humpy (IND)
7Dritter Welt Cup 2025Tan Zhongyi (CHN)
8Sieger FIDE Circuit 2025Siegerin FIDE-Frauen-Turniere 2024/25

Die Teilnehmer stehen noch nicht fest. In der offenen Klasse wird aktuell der Welt Cup im indischen Goa ausgetragen. Dort werden drei Teilnehmer für das Kandidatenturnier ermittelt. Hikaru Nakamura erfüllte zuletzt die Voraussetzungen – er hatte nicht genügend Partien gespielt, um als Elo-Bester am Turnier teilnehmen zu können. Der wahrscheinliche Gewinner des FIDE-Circuit 2025 ist der Inder Praggnanandhaa, der uneinholbar im Rennen zu sein scheint. Sollte er sich in Goa allerdings via Welt Cup qualifizieren, dann hat zurzeit Vincent Keymer die besten Karten ihm zu folgen. Zumal er im Welt-Cup im Viertelfinale auf Pragg stößt. Bei den Frauen dürfte die achte Teilnehmerin Ende Dezember bei den Schnellschach- und Blitzweltmeisterschaften in Doha, Katar, gefunden werden.


Fotos und Grafiken: FIDE.

Hotelwebsite Wer sich hier einquartieren möchte, der muss mit Unterbringungskosten von etwa 7.800 Euro kalkulieren.

Regularien Frauen-Kandidatenturnier (PDF)

Regularien Kandidatenturnier (PDF)

Quelle: Fide. Das laut Weltschachbund wichtigste Turnier im

Ein Gespräch mit Thorsten Cmiel

Das Gespräch mit André Schulz über seine 30 Jahre Schachjournalismus beim führenden deutschen Schach-Informationsportal fand Mitte Oktober 2025 im „Eclair au Café“ im Hamburger Stadtteil Winterhude statt. André Schulz hatte Anfang Oktober das gesetzliche Rentenalter von 66 Jahren und ein paar Monaten erreicht und ich will wissen, wie er Redakteur im Schachumfeld wurde und was er so erlebt hat. Es wurde ein längere Tour mit nachdenklichen Momenten, die im aktuellen Geschehen endete, denn beim Grand Swiss in Samarkand hatte sich an dem Tag unseres Treffens Matthias Blübaum für das nächste Kandidatenturnier qualifiziert und Vincent Keymer war nur knapp gescheitert.

Andrés Weg zum Schachredakteur begann als ehrgeiziger Teenager im Godesberger Schachklub. Nach einem Germanistik/ Philosophie-Studium stieg er 1991 bei ChessBase ein. Er zog zunächst alleine nach Hamburg und seine damalige Freundin und jetzige Frau kam nach, als sie ebenfalls einen Job in Hamburg fand. Anfangs war André bei ChessBase „Mädchen für alles“ und wurde etwa ab 1998 Redakteur der ChessBase-Webseite. Damals war die Webseite noch eine reine HTML-Seite, bevor sie später zu einer datenbankbasierten Plattform ausgebaut wurde. Die Aufgabe seiner Berichterstattung über die Dinge, die im Schach passieren, versteht er als positiv, unaufgeregt begleitend und nicht investigativ, da ChessBase Programme verkauft, nicht Nachrichten, und zudem enge, meist sehr freundschaftliche Kontakte zu Spielern und in die Schachszene pflegt.

André erinnert sich im Gespräch an Begegnungen mit Weltmeistern wie Kasparow, Anand und Carlsen; mit Magnus spielte er sogar mal Fußball. Die interne Struktur im Unternehmen war flach und die frühen Jahre als Pioniere auf dem Gebiet der Schachnachrichten im Internet erlaubten viele Experimente. Später dominierten mehr und mehr Turnierberichte und Fotogalerien. Mit Oliver Reeh streamte er ab 2003 regelmäßig Live-Sendungen. Er selbst war der spontan agierende „Sidekick“, Reeh der vorbereitete Taktik-Experte. Persönliche Beziehungen prägten später seine Arbeit, etwa zu Robert Hübner und Vlastimil Hort, über die er 2025 einfühlsame Nachrufe schrieb. André beobachtete in seiner Wirkenszeit den globalen Schachboom, besonders in Indien durch Anand und Carlsen, den er als zeitgemäßen Popstar sieht. In Deutschland fehle es für eine ähnliche Entwicklung wohl an der medialen Breite. Zur weiteren sportlichen Entwicklung von Matthias Blübaum und Vincent Keymer, die beim Grand Swiss weit vorne dabei waren, ist er verhalten optimistisch. Die jüngsten Erfolge unterstreichen Deutschlands sportliches Potenzial im Schach.

So richtig in Rente geht André Schulz aber doch noch nicht. Bei ChessBase ist er weiterhin – in reduziertem Umfang – als Redakteur beschäftigt. In der übrigen Zeit möchte er sich Projekten mit geschichtlichem Hintergrund widmen, nicht nur zum Schach. Nach einigen Jahren Turnierpause will André Schulz wieder Mannschaftskämpfe spielen und arbeitet an seiner „Wiedereingliederung“ beim Hamburger Schachclub von 1830.

Wie kamst du zum Schach?

Ich hatte in der Schulzeit mit ein paar Freunden in der Freizeit ein wenig Schach gespielt, ohne besondere Kenntnisse. Dann kam ein neuer Schüler in unsere Klasse und der war sehr viel besser und besiegte uns mit Leichtigkeit. Da hat uns der Ehrgeiz gepackt. Wir haben einen Schachkurs mitgemacht und kamen darüber in den Godesberger Schachklub. Mein Freund ist bald wieder ausgetreten, weil ihm das irgendwie alles zu spooky war. Der GSK residierte damals in einer dunklen Kneipe, Jugendliche gab es kaum.

Wie alt warst du damals?

Etwa 15 Jahre. Ich erinnere mich aber dunkel, dass ich schon 1972 die Weltmeisterschaft Fischer-Spasski verfolgt habe.

Das war noch vorher…

Genau. Ich hatte versucht, die Partien, die im (RR: Bonner) General-Anzeiger abgedruckt waren, nachzuspielen. Aber es gab da immer einige Druckfehler, und da ich keine Ahnung vom Spiel hatte, kam ich oft nicht weiter. Kurz nachdem ich in den Godesberger Schachklub eingetreten war, zog der Klub von der Kneipe in das Pfarrheim Sankt Marien und entwickelte sich dann grandios, muss man sagen. Es gab kaum einen Freitag, an dem ich nicht in den Schachklub gegangen bin. Ich habe viel geblitzt, auch beim Klubturnier mitgespielt. Am Sonntag wurden Mannschaftskämpfe gespielt. So bin ich zum Schach gekommen. Es gab noch ein paar andere Jugendliche, auch bessere als ich es war. 1979 haben wir uns mit der Jugendmannschaft für die Deutsche Jugendvereinsmeisterschaft qualifiziert und wurden Dritter. Bei dem Turnier war Gisbert Jacoby der Trainer von einer der Hamburger Mannschaften. Viele Jahre später bin ich ihm wieder begegnet. Dann habe ich studiert und gearbeitet und das Schach trat etwas in den Hintergrund.

Was hast Du studiert?

Germanistik und Philosophie.

Du musst dich nicht entschuldigen.

Im Nachhinein ist es aber schon eher komisch. Ich habe gerne gelesen und dachte das Germanistik-Studium macht mir Spaß, ohne daran zu denken, was man dann beruflich damit macht. Nebenfach Philosophie ist auch okay. Wenn man Philosophie studiert und sich damit beschäftigt, bleibt auch etwas hängen, was nützlich ist. Man lernt strukturiertes, logisches Denken zum Beispiel. Nach dem Studium habe ich in einem Familienbetrieb gearbeitet, war aber nicht richtig zufrieden. Irgendwann bin ich mit Matthias Wüllenweber ins Gespräch gekommen. Matthias hatte Ende der 1980er Jahre die Firma ChessBase hier in Hamburg gegründet. Meinen ersten Besuch bei ChessBase hatte ich Anfang 1991 und damals hatten wir schon darüber geredet, ob ich vielleicht anfangen soll. Dann haben sie aber jemand anderen eingestellt, aber im Sommer 1991 meldete sich Matthias noch mal bei mir und fragte mich: Jetzt könntest du, willst du? Und so begann es.

Bevor wir weiter zu deiner Arbeit als Redakteur kommen. Du lebst jetzt in Hamburg. Wie kam es zum Umzug?

Als ich angefangen habe bin ich alleine nach Hamburg gezogen. Ich war noch nicht verheiratet, lebte aber schon zusammen mit meiner Freundin. Sie hatte einen guten Job im Arbeitsministerium als Ministerialbeamtin. Dann haben wir aber entschieden, dass ich den Job in Hamburg annehme. Zunächst bin ich alleine hierher gezogen und wir führten eine Wochenendbeziehung. Meine Frau kam nach, als sie einen Job in einer Hamburger Bundesbehörde gefunden hat, im Bundesamt für Helgoland, wo sie dann in leitender Position tätig war.

Du kommst aus dem Rheinland und bis dann nach Norddeutschland gegangen. Das ist eine größere Umstellung gewesen, oder?

Dazu muss man sagen, dass ich genetisch gesehen eigentlich wahrscheinlich eher Pole bin. Meine Familie kommt nämlich aus Oberschlesien. Durch einen Zufall bin ich dann in Bonn-Bad Godesberg geboren. Aber Rheinländer wurden meine Familie und ich nicht. Als ich eingeschult wurde, habe ich mal für einen Tag oder so die Sprache, die im Rheinland üblich ist, angenommen und wurde sofort zur Ordnung gerufen. Es hieß: Wir sprechen Hochdeutsch.

Du hast bei ChessBase nicht gleich als Redakteur angefangen…

Nein. Anfangs war ich praktisch ‚Mädchen für alles‘. Damals gab es nur wenige Mitarbeiter. Ich glaube, es gab mehr Chefs oder Inhaber als Mitarbeiter in der Anfangszeit. Dann entwickelte sich die Firma rasant. Das war kurz nach der Wendezeit. Es gab viele neue Kunden aus den neuen Bundesländern, die sich für Schach interessierten und das ChessBase-Programm war ein innovatives Werkzeug für die neuen Personal Computer, die nun überall verkauft wurden. Als ich anfing, gab es bald ChessBase 4, noch für das DOS-Betriebssystem. Das hatte dann ein eingebautes Analysemodul, die Fritz-Engine, und das kam sehr gut an. Ich habe auch schon bald beim ChessBase-Magazin ein bisschen mitgearbeitet und einige Artikel geschrieben. Damals haben wir bereits Multimedia-Elemente eingebaut, kleine Filmchen und Video-Interviews. Ich habe aber auch viel im Support gearbeitet. Und dann kam das Internet. Das war so 1996/97. Wir haben eine Webseite erstellt. Anfangs hatte ich das Projekt noch zusätzlich zu meiner anderen Arbeit betreut. Ab 1998 ungefähr wurde die Betreuung unserer Webseite meine Hauptaufgabe. Die Seite wurde anfangs auf HTML-Basis erstellt. Ich habe mit dem Programm Frontpage gearbeitet und die Frontseite ausgetauscht, wenn es neue Nachrichten gab. Ab 1991 hatten wir dann ein Datenbank-basiertes Content Management System. So wurde ich verantwortlicher Redakteur.

Du warst dann dein eigener Chef? Gab es eine Struktur bei euch?

Eine flache Struktur. In der Anfangszeit war noch Gisbert Jacoby als Geschäftsführer dabei. Ich erwähnte ihn, als er 1979 noch Trainer in Hamburg war. Die Geschäftsführer haben sich die Zeit oder Aufgabe geteilt. Drei Tage war Jacoby im Büro anwesend und in der Zeit habe ich mit ihm eng zusammengearbeitet. Das war ganz nett, er war ein spezieller Typ. An den übrigen Tagen kamen entweder Frederic Friedel oder Matthias Wüllenweber. Jacoby schied Ende der 1990er Jahre aus dem operativen Geschäft aus und Rainer Woisin wurde Büroleiter und Geschäftsführer. Wir hatten fast eine eigene ChessBase-Schachmannschaft zusammenbekommen. Gisbert Jacoby, sein Sohn Florian, Matthias Wüllenweber und ich spielten zusammen bei der SG Mittelweg, die vom firmennahen Notar Matthias Biermann-Ratjen gegründet worden war. Als Redakteur war ich in dem Sinne mein eigener Chef, dass ich mir die Themen selber aussuchen konnte. In der Anfangszeit des Internets waren wir Pioniere. ChessBase hatte die erste professionelle Schachnachrichten-Webseite, auch im internationalen Bereich. Teilweise konnte ich Sachen ausprobieren. Einen Film reinpacken oder Audios. Ich habe viele alberne Aprilscherze gemacht. Die Struktur der Webseite hatte ich mir übrigens zum Teil bei Schalke 04 abgeguckt.

Bist du Schalke-Fan?

Ich bin Schalke-Fan. Das ist durch irgendeinen Zufall in der Jugend passiert.

Einmal Schalke-Fan, immer Schalke-Fan…

Natürlich. Und wir hatten mit Schalke große Zeiten in der Champions League. Dann lief es nicht so gut. Gerade jetzt geht es wieder, auf kleinem Niveau in der zweiten Liga. Jedenfalls haben wir deren Aufbau adaptiert für unsere Website. Mit einem rollierenden System, bei dem die neuen Nachrichten immer oben neu reingeschoben werden. Heutzutage hat sich das eigentlich überlebt, das müsste mal geändert werden. Damals konnte man sich noch die Themen aussuchen. Es gab noch nicht so viel Schachinformation im Internet. Das wurde erst später Standard. Man konnte sogar ein bisschen Kreativität entwickeln. Später dann sind die Turnierberichte immer mehr geworden und der Anteil der kreativen Sachen ist immer weiter zurückgedrängt worden. Ich hatte mir in der Anfangszeit inhaltlich „The Week in Chess“ von Mark Crowther als Vorbild ausgesucht. Mark war noch vor uns als Pionier unterwegs. Und ich habe gedacht, ich mache das so wie Mark, mit Partien und kurzem Bericht. Als Novität haben wir eine Art Schach-Illustrierter erfunden, indem wir viele Fotos zu den Berichten dazu gepackt haben. Wir haben neben den Turnierberichten aber auch noch andere Themen behandelt. Ich bin vielseitig interessiert, an Geschichte, nicht nur Schachgeschichte, auch an Kultur und Kulturgeschichte. Ich habe immer versucht, das Schachspiel oder Schachgeschehen mit anderen Themen zu verbinden, wenn es möglich war. Stell dir vor: Du berichtest über ein Schachturnier und es gibt keine weiteren Informationen. Nur die Partien und Ergebnisse. Was machst du jetzt? Du musst irgendetwas suchen, worüber du schreiben kannst. Und dann habe ich über die Orte geschrieben, an denen das Turnier stattfindet oder etwas über die Spieler. Das Fehlen solcher Informationen hatte ich vorher bei Schachzeitungen immer als Mangel empfunden. Es fehlten dort die Infos zu den Spielern und den Turnierorten und das Drumherum. Also habe ich versucht, es selber ein bisschen anders zu machen.

Jetzt kannst du kurz angeben. Du hast wahrscheinlich mit allen Weltmeistern in deiner Zeit mal ein Interview geführt.

Interviews vielleicht nicht unbedingt, aber zumindest habe mit ihnen gesprochen. Wir hatten natürlich viel Besuch. Das lag daran, dass Frederic Friedel, einer unserer Gesellschafter und Mitbegründer, ein großes Talent hat, Menschen zu begeistern, von seiner Arbeit und von ChessBase. Deswegen hatten wir sehr viel prominenten Besuch. Ich habe tatsächlich viele bekannte Spieler kennengelernt. Frederic war sehr eng mit Kasparow befreundet. Er war einige Male in Hamburg zu Besuch. Wir haben uns natürlich auch gelegentlich unterhalten. Anand war sehr oft bei uns. Er ist auch mit Frederic sehr gut befreundet. Wir haben uns auch angefreundet. Kramnik war ebenfalls mal bei uns. Alle drei haben bei uns Videokurse aufgenommen. In jüngerer Zeit waren auch Ding Liren und Gukesh bei uns. Natürlich haben uns auch viele große Spieler, die nicht Weltmeister wurden, besucht.

Magnus Carlsen?

Mit Magnus Carlsen habe ich mal Fußball gespielt.

Wie kam es dazu?

Zu der Zeit gab es ein Schach-Fußballgruppe, die relativ groß war. Die hat im Hamburger Stadtpark angefangen. Als es Winter wurde, sind wir in die Sporthalle der Schule umgezogen, in der Björn Lengwenus, Miterfinder von Fritz&Fertig, Schulleiter war. Zum 70sten Geburtstag der Wochenzeitung ZEIT wurde Carlsen für ein Simultan eingeladen. Das hatte der Zeit-Redakteur Ulrich Stock eingefädelt. Wir kennen uns ganz gut und Ulrich überlegte, was man Carlsen als Zusatzprogramm anbieten könnte. So kamen wir auf das Fußballspiel. Am Abend vor dem Simultan rief Carlsens Begleiter Arne Horwei an und sagte, dass Carlsen gerne am nächsten Vormittag mitspielen möchte. Das Problem sei aber, dass Carlsen keine Sportsachen mithatte. Es stellte sich heraus, dass Carlsen genau meine Größen hat und so konnte ich ihm Schuhe und Klamotten leihen. Dann kam noch Peter-Heine-Nielsen mit. In unserer Fußballgruppe gab es dann einen großen Andrang von Leuten, die alle dabei sein wollten.

Ist Magnus wirklich so ehrgeizig während des Spiels?

Unbedingt. Er spielte in Norwegen damals auch in einer Fußballmannschaft. In unserer Schachgruppe waren aber auch einige, die sehr gut Fußball spielen konnten. Magnus hat sich voll reingekniet. Hinterher hat er sich noch beklagt, der Ball sei zu groß, man müsse mit einem kleineren Ball spielen.

Dieser Ehrgeiz…

Er will immer gewinnen, egal, was er macht. Es war nett mit ihm, muss man sagen. Nachmittags war dann das simultan in der Speicherstadt. Das war nach meiner Erinnerung eine tolle Veranstaltung.

Ihr habt als ChessBase Interessen, eure Website ist eine Art Marketingtool. Was hat das für Konsequenzen für die Art der Berichterstattung?

Die Firma lebt vom Verkauf von Programmen und Kursen. Wir verkaufen keine Nachrichten. Das bedeutet, dass wir nicht besonders investigativ unterwegs sind. Die Idee bei der Veröffentlichung von Schachnachrichten war und ist in jedem Fall, Schach als etwas Positives, Fröhliches, Lustiges und Interessantes zu vermittelt. So soll der Gesamteindruck sein. Das heißt also, bei uns gab es nie den Schwerpunkt, über Krawall zu berichten oder Boulevard zu machen. Wir kennen viele Spieler persönlich. Dann kann und möchte man nach Möglichkeit nicht über diese negativ berichten.

Manche Spieler sind auch Autoren…

Richtig. Das sind zum Teil unsere Autoren. Natürlich berichten wir auch über Kontroversen. Nachrichten über Konflikte in der Schachszene standen und stehen aber nicht im Vordergrund. Wenn es große Fehlentwicklungen gab, haben wir darüber berichtet. Für mich persönlich gilt das ganz besonders. Ich habe immer versucht, einen klassischen, berichtenden Journalismus zu verwirklichen. Das heißt: Ich kommentiere eher selten. Am liebsten gar nicht. Ich gebe den Leuten Gelegenheit, in Interviews zum Beispiel, ihre Meinung zu sagen und widerspreche nicht groß, wenn jemand seine Sicht der Dinge sagt. Dann kann später aber auch jemand, der eine andere Meinung hat, sich äußern. Auf diese Weise entsteht auch ein vielfältiges Meinungsbild. So haben wir es immer gehalten. Wir machen keine aufgeregte Berichterstattung, weil wir Nachrichten nicht durch künstliche Aufgeregtheit verkaufen wollen oder müssen.

André Schulz mit Uwe Bönsch. Dresden 2008. Foto: Frank Hoppe

Aber ihr seid trotzdem Marktführer gewesen, was die Zugriffszahlen angeht.

Ich würde mal denken, dass wir das immer noch sind. Wir waren ja sehr früh am Start. Wir sind bestimmt im deutschen Bereich führend. Klar, dann kamen Twitter und Facebook, die natürlich auch viele Zugriffe haben. Aber ich weiß nicht, ob pure Aufmerksamkeit eine so eine große Rolle spielt.

In Deutschland… und international?

Es ist so, dass Chess.com als Gesamtportal sicher mehr Zugriffe hat als wir. Aber der Nachrichtenteil ist nach meiner Einschätzung eher nicht so bedeutsam. Es gibt natürlich auch noch ChessBase India, unsere Partnerfirma und die haben uns im internationalen Bereich als Nachrichtenseite wahrscheinlich abgehängt.

Wie ist überhaupt dieses enge Verhältnis zu Indien entstanden? Die nutzen die Marke ChessBase.

Sie agieren unabhängig von uns und nutzen die Marke. Bei der Geburt der Seite haben wir etwas mitgeholfen. Die Inder können unsere Produkte verkaufen, zu anderen Preisen.

Der indische Markt kann nicht die gleichen Preise bezahlen, richtig.

Da ist ein ganz anderes Preisniveau. Das organisieren sie alles selbst und ansonsten agieren sie völlig unabhängig von uns und setzen andere Schwerpunkte. Sie produzieren Videos und berichten vor Ort. Zu Sagar Shah haben wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Sagar?

Ich weiß es nicht in allen Einzelheiten, aber wenn ich mich richtig erinnere, dann war es so, dass wir mal einen sehr bunten Artikel auf der englischen Webseite über seine Hochzeit veröffentlicht haben.

Habt ihr jetzt über die Geburt des Kindes von Magnus geschrieben?

Nein, ich glaube nicht. Solche Themen sind Ausnahmen, bei engen Freunden von Frederic beispielsweise. Er war damals bei der Hochzeit von Anand mit dabei und hat darüber natürlich ausführlich berichtet. Als Tanja Sachdev geheiratet hat, hatte sie vorher Aufnahmen bei uns gemacht und auch ein persönliches Verhältnis zu einigen Mitarbeitern entwickelt. Sie hat einige der Kollegen und auch mich zu ihrer Hochzeit eingeladen.

Warst du in Indien dabei?

Nein, ich war nicht dabei. Sagen wir so: Ich vertraue den physikalischen Gegebenheiten bei Langstreckenflügen nicht.

Du hast Flugangst?

Ich habe Höhenangst. Wenn Flugzeuge sich in geringerer Höhe bewegen würden, hätte ich keine Probleme mit dem Fliegen. Als ich bei der Schacholympiade in Tromsoe war, ließ sich der Flug allerdings nicht vermeiden.

Kommen wir zu den Formaten, die du gemacht hast. Du hast sehr lange Zeit freitagnachmittags Videoaufzeichnungen gemacht mit Oliver Reeh. Was war deine Rolle?

Ich war der Sidekick. Oliver war stets sehr gut vorbereitet. Wir haben 2003 mit Audio angefangen, glaube ich, und sind dann einigermaßen schnell auf Video umgestiegen. ChessBase war damals auch auf dem Feld Pionier. Wir waren sozusagen die ersten Streamer, wussten es aber natürlich noch nicht.

Es hieß noch nicht Streamer…

Ja genau und es gab noch kein YouTube. Wir haben die Videos in unser eigenes Portal gepackt, das dann entwickelt wurde und recht kostspielig war. Wir haben bei den Sendungen von Anfang an immer Interaktion mit den Zuschauern gehabt. Wir hatten ein paar Stammzuschauer, aber keine riesigen Zuschauerzahlen und letztlich haben wir auch kein gutes Bezahlsystem entwickelt. Die Idee, dass man über große Reichweite auch genügend Kompensation für den Aufwand erhält, war noch nicht so präsent. Aber wir haben es lange gemacht. Ich habe vergessen, wann wir aufgehört haben. Oliver hatte keine richtige Lust mehr und wir haben zu einem bestimmten Zeitpunkt gesagt, jetzt ist es irgendwie auch gut.

Gab es Vorbereitungen zu den Sendungen oder wie funktionierte das?

Es ist Freitag. Die Woche ist praktisch um und neigt sich dem Ende zu. Man denkt ans Wochenende. Ich habe einen langen Büroalltag, eine ganze Bürowoche, hinter mir, mit viel Arbeit. Und dann kommt Oliver rein und sagt: Los, wir müssen jetzt die Sendung machen. Dann habe ich vielleicht noch schnell ein Ergebnis von einer Weltmeisterschaft gemeldet und bin dann ins Studio gespurtet. Am Anfang, 2003, da waren wir alle noch total gespannt. Da hatten wird noch einen Kameramann. Das Interesse ließ aber auch in der Firma nach. Wir waren nachmittags um 17 Uhr auf Sendung. Das ist eine doofe Zeit. Wenn man mehr Zuschauer will, macht man es vielleicht um acht.

Das war live?

Es war live und wir waren dann zum Schluss alleine im Büro und haben unsere Sendung gemacht. Teilweise hatten wir technische Schwierigkeiten, weil dann irgendwas Neues ausprobiert wurde, was nicht funktionierte und dann war keiner dabei, der es regeln konnte. Es war nicht immer einfach. Oliver hat die Partien aber immer didaktisch sehr aufwendig vorbereitet. Wir haben vorher nie darüber gesprochen, weil ich dachte, es soll ja spontan sein. Und dann haben wir uns hingesetzt und ich war überrascht darüber, was Oliver so präsentierte.

Ich habe ein paar eurer Sendungen gesehen. Du hast immer versucht, die Drachenvariante einzubauen. Wie kam es dazu?

Ja, das stimmt. Drachenvariante ist neben Aljechin und Französisch eine der drei großen Religionen unter den Schacheröffnungen. Von meinem Stil her passt die Drachenvariante überhaupt nicht zu mir. Weil ich ein total langweiliger Sicherheitsschachspieler bin. Aber durch einen blöden Zufall spielte ich den Drachen. Das lag daran, dass ich in meiner Anfangszeit ein Buch von Rolf Schwarz über die Sizilianische Verteidigung hatte. Das war eines meiner ersten Eröffnungsbücher. Dann spielte ich meinen ersten Mannschaftskampf als Jugendlicher und habe die erste Variante gespielt, die in diesem Buch vorkam. Und das war das sizilianische Vierspringerspiel. Das lief nicht gut. Deswegen habe ich gegen einen ganz guten Gegner gleich die erste Partie verloren. Da habe ich gesagt okay, das taugt gar nichts. Dann bin ich zum nächsten Kapitel übergegangen. Das war die Drachenvariante. Die Drachenvariante hat den Vorteil, dass man im Grunde gar kein Schach spielen muss. Man kann das auswendig lernen und damit relativ weit kommen. Dann lernt man so die Motive und ich bin lange dabei geblieben. Mittlerweile spiele ich aber was Anderes.

Aber so schlecht ist der Vier-Springer-Sizilianer nicht.

Stimmt, das sieht man heute ein bisschen anders. Aber das frühe Entwickeln des Läufers nach b4 taugt wirklich nichts. Dann habe ich auch einige Zeit fürs ChessBase-Magazin die Drachenpartien kommentiert. Das konnte man ohne großes Schachverständnis machen, wenn man die Motive kannte und konnte damals sogar manchmal ein bisschen besser sein als die Engine.

Hat dein Schachverständnis wenigstens ein bisschen profitiert von deiner langen Zeit bei ChessBase und den Gesprächen mit guten Spielern?

Das weiß ich nicht. Vielleicht. Wenn ich jetzt meine eigene Persönlichkeit als Schachspieler beschreiben sollte, würde ich sagen, ich spiele immer zu zweit. Es gibt einen, der hat eigentlich ein nicht so schlechtes positionelles Schachverständnis. Der sagt, hey eigentlich spielt man doch jetzt diesen Zug. Und dann gibt es den anderen, der möchte immer rechnen. Der ist schlecht, rechnet schlecht, der weiß es nicht. Und dann sagt dieser, lass mal lieber einen Sicherheitszug machen. Und so kommt halt eine langweilige Partie zustande. Ich habe irgendwann einmal den Fehler gemacht, mir alte Partien von mir selber anzugucken. Da dachte ich: Was ist das denn? Kein Zug passt zum anderen. Da ist keine Linie drin und nichts. Und das ist dann eben das Ergebnis, wenn man beim Schach so denkt wie ich.


Du könntest jetzt mit 66 Jahren Seniorenturniere spielen. Wie sieht es mit deiner Bereitschaft aus etwas mehr Schach spielen?

Ich habe lange gespielt, aber eigentlich nur Mannschaftskämpfe. Zuletzt habe ich für den Hamburger Klub „Die Schachelschweine“ gespielt. So nannte sich die Mannschaft. In der Pandemie hat sich meine Mannschaft aufgelöst und ich habe die letzten Jahre pausiert. Und jetzt hat mich Evi Zickelbein, die ich schon ewig kenne und die übrigens auch eine gute Fußballerin ist, angesprochen. Und Ihr Vater natürlich auch, der unverwüstliche Christian Zickelbein. Die beiden haben mich lange bearbeitet und jetzt plane ich eine Art Wiedereingliederung ins Turnierschach.

Christian Zickelbein im Chessbase-Studio

Über deine weitere schachliche Karriere ist noch nichts entschieden?

Nein, ich werde mich jetzt anmelden und die haben mich schon in eine Mannschaft reingepackt. Dann spiele ich beim HSK Mannschaftskämpfe. Seniorenschach könnte ich ebenfalls mal ausprobieren. Früher war mir mein Urlaub viel zu schade, um diesen für Schachturniere zu verwenden.

Du bist nach meiner Erinnerung ein ganz passabler Schachspieler…

Ich habe zuletzt stark abgebaut als ich in der Stadtliga gespielt habe. Du spielst nach einer anstrengenden Bürowoche abends noch eine Partie. Aber man ist irgendwie müde und hat immer eine gute Entschuldigung, um eine ordentliche Stellungen Remis zu geben, und die schlechten habe ich verloren. So etwa lief es.

Wie schaust du auf Schachbooms in der Vergangenheit und ist so eine Entwicklung heutzutage in Deutschland denkbar?

Schach ist heute sehr viel populärer. Es gibt diesen gewaltigen Schachboom in Indien durch Anand und alle seine Nachfolger. Anand ist der Auslöser gewesen. Seine Frau Aruna erzählte einmal, dass die Kinder in Indien hinter dem Bus herlaufen und Anands Namen rufen, wenn er drin sitzt. Jetzt ist die nächste Generation dran. Auch in Deutschland ist das Spiel deutlich populärer geworden, durch das Internet und auch durch die vielen Videoplattformen. Die haben das Schach deutlich belebt. Der Faktor Entertainment hat stark zugenommen. Carlsen ist ein echter Popstar. Ich würde sagen, nach Fischer der zweite große Popstar im Schach. Das soll nicht gegen Kasparow formuliert sein, aber Carlsen passt mit seinen Ecken und Kanten und seiner Persönlichkeit gut in die Zeit.

Wir hatten schon mal in Deutschland einen Boom zu Zeiten von Robert Hübner, aber dessen Hoch ist ein bisschen vor deiner Zeit als Redakteur gewesen.

Ja, aber ich habe guten Kontakt mit ihm gehabt.

Guten Kontakt? Aber Robert hat sich immer damit gebrüstet, dass er mit Journalisten eigentlich gar nicht spricht.

Das stimmt. Aber Robert hat einige Zeit für das ChessBase-Magazin geschrieben. Gisbert Jacoby und Robert Hübner kannten sich aus der Zeit, als Gisbert Stützpunkttrainer in Hamburg war und Robert spielte für den HSK im HSV, ein oder zwei Jahre. Dann hat Gisbert Robert bei den Kandidatenwettkämpfen unterstützt. Sie hatten dann ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Robert Hübners Kolumne im ChessBase Magazin hieß „Abfall“, was nicht Müll bedeutete, sondern das, was abgefallen war. Darüber hatten wir einen Kontakt. Gelegentlich rief er an, es gab etwas zu besprechen, und so lernte man sich kennen. Manchmal hatte er Probleme mit dem Rechner oder Fragen zum Programm. Wir hatten jedenfalls regelmäßigen Kontakt. Dann haben wir das ChessBase-Magazin umgebaut, stringenter in Richtung Training. Mir wurde die Aufgabe übertragen, seine Kolumne, ich sage mal, rauszuschmeißen, in Anführungszeichen, also ihm nahezubringen, dass seine Kolumne auf der Strecke bleibt.

Das ist ein harter Schritt.

Das ist ein ganz harter Schritt und eine sehr delikate Aufgabe gewesen. Aber ich behielt weiter noch guten Kontakt mit Robert.

Wie ist das gelungen?

Man muss einfach offen reden. Wir haben damals mehr auf Videos gesetzt und ich habe ihm vorgeschlagen, dass er gerne mitmachen kann.

Und ihr habt Videos mit Robert Hübner gehabt?

Nein, hatten wir nicht. Das hat er natürlich abgelehnt. Das war nicht sein Medium. Aber später habe ich ihn als Redakteur der Webseite gefragt, ob er dafür Beiträge liefern möchte, und das hat er gelegentlich gemacht. Er hatte ganz schlechte Erfahrungen mit Journalisten, aber mich hat er offensichtlich nicht in diese Gruppe einbezogen. Ich habe einmal tatsächlich einmal einem Spiegel-Journalisten die Telefonnummer von Robert Hübner gegeben. Robert hat mich dann höflich ermahnt. Aber er war nicht böse. Es gab später auch mal einen Konflikt mit ihm und der OSG Baden-Baden, für die er eine zeitlang gespielt hat. Auslöser war ein Beitrag auf unserer Webseite. Das war am Ende eigentlich ganz lustig. Baden-Baden hatte behauptet, Hübner sei noch Mitglied in Baden-Baden und dem hat er widersprochen. Es gab eine kleine Fehde mit Stellungnahmen, die auf unserer Webseite ausgetragen wurde. Es fing an, als Robert das Interview gelesen hatte, in dem seine Mitgliedschaft behauptet wurde. Man merkte, dass er recht aufgeregt war. Er fragte: „Was machen wir denn jetzt?“ Und dann sagte ich „Wir machen das, was du willst.“ Und dann entspannte sich Robert sofort. Dann hat er irgendwas Witziges daraus gemacht. Es gab viele witzige Sachen mit ihm. Ich habe einmal ein Portrait zu seinem 65sten Geburtstag von ihm geschrieben. Und zum 70. wollte ich nicht noch einmal das gleiche schreiben und schlug ihm ein Interview vor. Interviews fand er eigentlich doof und hatte dann die Idee, ein Interview mit sich selber zu machen.

Lustige Idee.

Ja, und daran hatte er auch Spaß. Wir hatten einen regelmäßigen Austausch. Ich bin ihm offensichtlich nicht zu sehr auf den Keks gegangen. Ab und zu mal anrufen war okay und wir haben dann lange geredet über dies und das.

Wer war der erste Großmeister, der dir in den Firmenräumen In Hamburg begegnete?

Das war auch eine aufregende Situation zu Beginn. Ich war erst kurz bei ChessBase und dann öffnete sich die Tür und es kam John Nunn rein. Das war mein erster Großmeister, den ich bei ChessBase zu Gesicht bekam. Im Laufe der Zeit nutzte sich das Gefühl der Ehrfurcht aber stark ab. Vor allen Dingen, wenn du merkst, dass manche der Topspieler im Umgang mit dem Computer noch untalentierter sind als andere Menschen. Anand als Gegenbeispiel war allerdings immer brillant. Dem musstest du gar nichts erklären. Aber viele andere hatten große Schwierigkeiten mit der neuen Welt, Viktor Kortschnoi zum Beispiel, war völlig talentfrei in dieser Hinsicht.

Es gab noch jemanden, mit dem du dich sehr intensiv ausgetauscht hast. Mit Vlastimil Hort.

Ja, mit Vlastimil hatte ich ein wirklich sehr freundschaftliches Verhältnis. Ich weiß gar nicht genau, wie das kam. Ich habe seinerzeit regelmäßig über diese WDR-Sendung „Schach der Großmeister“ berichtet und ich fand ihn immer sehr lustig in seiner Art und mit seinem Humor. Ich habe dann wohlwollend seinen tschechischen Dialekt nachgemacht und ich nehme an, er hat das mitbekommen. Das erste Mal habe ich ihn aber tatsächlich schon kurz nach meinem Abitur getroffen. Da gab es so eine Jubiläums-Simultan beim Godesberger Schachklub. Er spielte gegen bestimmt 40 Gegner, damals habe ich ein Remis abgegriffen.

Wie kam es später zur Zusammenarbeit mit ihm?

Ich war zeitweise verantwortlich für unser Fritztrainer-Video-Programm. Da habe das legendäre Duo aus den WDR-Sendungen Pfleger und Hort noch einmal zusammengebracht. Wir waren gemeinsam Essen und haben uns gut verstanden. Ich war also mittendrin und irgendwie bekam Vlastimil Interesse zu kommentieren und Aufnahmen zu machen. Dafür setzte sich Vlasti morgens mit seiner Jahresnetzkarte in Eitorf in den Zug und kam nach Hamburg. Das erinnere ich immer als nette Begegnungen. Manchmal hat er in Hamburg übernachtet und ist am nächsten Tag zurückgefahren. Manchmal ist er noch am gleichen Tag zurückgefahren. Das war für ihn alles völlig okay. Und so haben wir uns angefreundet. Später rief er dann häufig an. Fast täglich. „Andräh. Ich habäh hier einäh Stellung. Ich bekommäh es nicht heraus. Gib ähs mal in die Maschinäh ein. Nur wänigäh Steinäh.“ Dann habe ich es eingegeben. Eingegeben und dann die Lösung gesagt. Seine Antwort war dann oft: „Ach ja? Waißt du, ich habäh ähs gähsehähn, aber da ist diesäh Pointäh. Ich habe nicht gähsehähn.“ Und so lief das ungefähr ab. So ein Telefonat konnte jederzeit passieren. Am Wochenende, am Abend, also immer. Manchmal wollte er nur über Schach quatschen, fragte nach Turnierergebnissen.

Er war also immer noch am Schach interessiert.

Total. Er war völlig am Schach interessiert. Er hatte leider eine starke Diabetes und ist dann langsam zerfallen. Diabetes frisst die Leute auf. Alle Organe lassen nach. Ich habe auch ein gutes Verhältnis zu seiner Frau Brigitte. Ich war bei Vlastis Beerdigung in Eitorf. Brigitte hatte mich gebeten, ein paar Worte zu sprechen. Das war nicht einfach, denn sein Tod ging mir sehr nahe. Es war alles sehr traurig. Ich hatte die beiden vorher auch mal zu Hause besucht, in Eitorf und sogar mal eine Geschichte daraus gemacht.

Foto: Brigitte Hort

Wir haben in diesem Jahr mehrere Verstorbene zu beklagen. Das waren Vlastimil und auch Robert Hübner. Dein Job als Redakteur ist es dann Nachrufe zu schreiben. Ich habe viele von dir gefunden, die mir immer sehr gut gefallen. Wenn man das so sagen darf. Hast du eine Technik entwickelt. Ich vermute mal, dass du nichts auf Halde hast.

Letzteres wäre irgendwie pietätlos, finde ich. Einen Nachruf zu schreiben über jemanden, der noch lebt, egal wie krank er ist. Ich habe keinen einzigen Nachruf geschrieben, bevor jemand gestorben ist. Bei Robert Hübner war es so, dass ich vorbereitet war, weil mich Rustam Kasimjanov informiert hat, dass Robert im Sterben liegt. Er hat gesagt, ich solle die Nachricht als Erster melden und dann wüssten es alle. Ich versuche den Leuten in den Nachrufen gerecht zu werden, in positivem Sinne. Einige kannte ich natürlich sehr gut und andere kannte ich weniger gut. Wahrscheinlich stimmt es, dass ich irgendwie die Stimmung richtig wiedergebe. Es ist leider so, das ist jetzt kein Talent.

Ich erinnere mich, dass ich für den meinen Blog dich zweimal gefragt habe: Kann ich das übernehmen? Weil ich persönlich so etwas überhaupt nicht schreiben kann.

Bei den beiden, das war in beiden Fällen dieses Jahr und für mich sehr, sehr schwierig. Ich hatte natürlich ein sehr positives Bild von beiden. Robert war sehr speziell auf seine Art. Er war auch oft bei Vlastimil. Brigitte hatte mir ebenfalls einige Geschichten von ihm erzählt und ich glaube, ich habe ihn ganz gut verstanden. Der Nachruf sollte das Bild, das in der Öffentlichkeit von Hübner gezeichnet wurde, ein bisschen korrigieren. Das verbreitete Außenbild wird Robert aus meiner Sicht nicht gerecht oder wurde ihm nicht gerecht. Nichtsdestotrotz es macht keinen Spaß, Nachrufe zu schreiben. Bei Vlastimil kam die Nachricht sehr plötzlich. Brigitte rief mich an und sagte: „Heute Nacht ist er verstorben“. Das war sogar ein Sonntag und dann hast du diese Nachricht. Dann setze ich mich hin und schreibe den Nachruf.

Neben Nachrichtentexten über Turniere findet man von dir Texte, die mehr Recherche erfordern. Es ist schade, dass man Texte ohne Stichwort auf der Homepage nicht mehr findet. Denkst du daran, Bücher zu schreiben?

Eins über Schach habe ich schon verfasst und ich war noch mit längeren Porträts an zwei Büchern über Künstler aus Hamburg beteiligt. Buchprojekte könnte man mal machen, müsste man mal machen. Das ist nicht ausgeschlossen.

Du bleibst ChessBase noch etwas erhalten mit reduzierter Arbeitszeit. Ein Schwerpunkt könnte Geschichte sein. Was kann man da erwarten und was interessiert dich an Geschichte?

Ich interessiere mich für jede Form von Geschichte. Schachgeschichte interessiert mich natürlich, aber ebenso jede andere Art von Geschichte. Das war schon in der Schulzeit so. Damals hatte ich schon ein großes Interesse an geschichtlichen Ereignissen. Geschichte ist unendlich, also vom Inhalt her. Immer wieder entdeckt man etwas Neues. Ich habe irgendwann angefangen,mich intensiver mit Geschichte zu beschäftigen. Zum Beispiel mit der Völkerwanderung. Das ist etwas, was du in der Schule nicht vermittelt bekommst, jedenfalls nicht zu meiner Zeit. Wir haben uns intensiv mit der Antike befasst, aber 375 oder so endet das Römische Reich. Und dann geht es mit Karl der Große weiter. Und dazwischen ist ein Loch. Da war dann nichts passiert? Komisch. Irgendwann habe ich einmal den Großen Nordischen Krieg entdeckt. Der begann 1700. In der Schule gab es den gar nicht. Ich glaube, dass ich durch einen Turnierbericht darauf gekommen bin. Da gab es ein Schachturnier in Poltawa. Das ist in der Mitte der Ukraine und da fand ein Turnier statt. Dort war eine wichtige Schlacht im Großen Nordischen Krieg.

Solche Themen findest du heraus, wenn du über den Turnierort recherchierst?

Zum Teil ja, zumindest, wenn man sich für Geschichte interessiert. Du findest irgendwas, einen Stein und den drehst du um, dann ist da etwas anderes, sagen wir ein Zettel. Dann ziehst du an dem. Dann kommt eine ganze Bibliothek raus und es gibt so unglaublich viel, was man vorher nicht wusste. Mich interessieren in der Geschichte auch die Personen und ihre Biografien. Im Schach gibt es auch viele interessante Personen.

Aus dem Tages- und Newsgeschäft bist du raus. Kann man jetzt größere und längere Geschichten von dir erwarten?

Das wird man sehen. Das Internet ist groß und du kannst fast alles reinpacken. Aber wenn du eine extrem lange Geschichte machst und du packst sie auf die Seite, dann ist sie schnell weg. Genauso schnell wie eine kurze Geschichte. Man muss ein adäquates Format finden. Ich neige leider dazu, manches ein bisschen zu ausführlich zu machen. Oft weil ich selber fasziniert bin, von den verschiedenen Handlungssträngen, die es vielleicht gibt. Es dauert bisweilen lange, es zu recherchieren. Das sieht man dem Text dann nicht immer an. Du musst die Details nachprüfen und solche Sachen. Die neue Rolle und Formate muss ich erst noch entwickeln.

30 Jahre Redakteur ist eine lange Zeitspanne? Wie blickst du darauf zurück?

30 Jahre, kann man sagen. Es war eine gute Zeit unter dem Aspekt, es hat Spaß gemacht. Man erfährt sehr viel und ich bin und war ausreichend neugierig. Ich muss heute nicht alles recherchieren, weil ich es teilweise selber miterlebt habe. Manches kann ich einfach so runter erzählen. Kurz nachdem ich bei ChessBase angefangen habe, gab es beispielsweise den ganzen Streit mit Kasparow und Short, dann die Trennung von der FIDE und die folgenden Weltmeisterschaften.

Wurde das in der Firma bei euch diskutiert?

Natürlich. Zum Teil waren wir nah dran. Frederic war ja in der PCA (RR: Professional Chess Association) dabei, da er dort eine Funktion hatte. Er gehörte zum Board meine ich. Damals lief also jemand durch die ChessBase Flure, der die WM zwischen Kasparow und Anand verkaufen, also organisieren sollte, Sponsoren finden und solche Dinge. Und dann war 1995 irgendwie Köln im Gespräch und dann fand die WM plötzlich in New York statt. Das habe ich dann teilweise aus erster Hand erfahren.

Aus aktuellem Anlass: Nach 34 Jahren könnten wir im nächsten Jahr mindestens einen oder sogar zwei Kandidaten aus Deutschland sehen. Könnte das hierzulande einen Schachboom auslösen? Oder glaubst du, dieser Effekt bleibt ein Traum?

Wenn du ein Schachboom auslösen willst, hier in Deutschland, muss man irgendwie die Medien dahinter haben und die sind in Deutschland total einseitig aufgestellt. Die machen immer das Gleiche: Fußball, Fußball, Fußball. Okay, jetzt hatten wir mal Basketball, ein bisschen. Das war nett. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Schach irgendwann jemals diese Rolle einnehmen könnte. Dafür wird Schach hierzulande nicht hoch genug geschätzt.

Warum war das in Norwegen möglich? Oder hat das speziell mit Magnus Carlsen zu tun?

Vielleicht haben die nicht so eine große Menge an großen Sportstars. Ich glaube, in Norwegen ist nicht Schach populär, sondern Magnus Carlsen ist populär als Typ und weil er Weltmeister wurde. Ich habe zuletzt einen Artikel geschrieben über den Norwegischen Schachverband. Thema war: Warum nimmt die norwegische Mannschaft nicht an der europäischen Team-Meisterschaft teil? Die Antwort: Sie haben kein Geld. Warum haben Sie kein Geld? Weil sie nicht im Sportverband organisiert sind. Warum sind sie dort nicht organisiert? Weil Sie spezielle Kinderschutzvorschriften haben.

Das ist kein guter Abschluss für unser Gespräch. Kannst du spontan etwas zum guten Spiel von Matthias und Vincent sagen?

Matthias Blübaum hat sich verdient qualifiziert. Für sein erstes Kandidatenturnier, er ist Ende 20, er ist natürlich schon etwas alt und als Spieler ist er nicht der Killertyp, verfügt aber über andere Qualitäten und ist schwer zu schlagen. Er hat sich etwas überraschend qualifiziert und wurde von seinen, vor allem indischen, Gegnern als Underdog wahrgenommen. Alle wollten ihn schlagen und er hat sehr gut gekontert. Das ist eine Stärke.

Das wird beim Kandidatenturnier ähnlich sein. Da ist Matthias auch der Außenseiter und könnte überraschen. Und Vincent kann sich ebenfalls noch qualifizieren…

Das wird so sein. Die Gegner von Matthias werden ihn aber sehr viel ernster nehmen im Kandidatenturnier. Sie wissen jetzt, dass sie ihn nicht einfach vom Brett wischen können. Wir werden interessiert zusehen, was er beim Kandidatenturnier erreichen kann. Alles ist möglich. Vincent Keymer ist zuletzt in der Weltrangliste auf Rang sechs (RR: Jetzt sogar Platz vier) vorgestoßen. Vor Gukesh, also vor dem Weltmeister. Und Vincent ist noch mal ein anderer Spielertyp und hat ebenfalls noch sehr gute Chancen dabei zu sein. Er ist auch deutlich jünger als Matthias. Und Vincent ist nach meiner Beobachtung ein Killer auf seine eigene Art. Er spielt einen speziellen Stil, einen sehr strategischen Stil, bei dem die Partien am Ende zu seinen Gunsten kippen und man weiß manchmal gar nicht so genau, warum. Viele sagen, wer das Kandidatenturnier gewinnt, der hat auch gute Chancen, Weltmeister zu werden.

Textlinks finden sich auf der Chessbase-Homepage und hier.

Vlastimil Hort (1944 – 2025) verstorben

Robert Hübner (1948 – 2025) ist tot

Interview von Robert Hübner mit Robert Hübner

Besuch bei Vlastimil und Brigitte Hort


Ein Gespräch mit Thorsten Cmiel Das Gespräch mit

Foto: Michal Walusza. FIDE World Cup in Goa

Auftaktrunden bei Turnieren sind für Schachspieler aller Spielstärken schwierig. Man weiß nicht wie man mit den Spielbedingungen zurecht kommt und wie das Denken in dem neuen Umfeld funktioniert an dem Tag. Vincent begann stark. Auch wenn er selbst nicht zufrieden ist wie es zum Schluss lief. Zuschauer sahen eine grandiose Partie.

Von Thorsten Cmiel

Der Gegner von Vincent in der zweiten Runde des diesjährigen World-Cup in Goa (Indien) – zur ersten Runde mussten Spieler in der Vincent-Klasse nicht ran – hieß Vladislav Kovalev. Dieser tritt unter FIDE-Flagge an und stammt ursprünglich aus Belarus. Seine beste Elozahl erreichte Vladislav im Jahr 2019 mit 2703, aber danach ging es stetig bergab. Über die Ursachen ist wenig bekannt, er soll in Batumi leben. Seine letzte Elo-gewertete hatte Kovalev jedenfalls lange Zeit vorher gespielt, bei der Europameisterschaft 2024 in Petrovac, fast ein Jahr zuvor.

Schnelldurchlauf

Bevor man eine komplexe Partie wie diese ausführlich analysiert sollte man die Partie mehrfach durchspielen. Das automatische Vorspielen mit einem Diagramm (GIF) ist ein nettes Tool. Wer etwas lernen will, der versucht bei diesen Durchgängen schon mögliche Kipppunkte in der Bewertung zu identifizieren. Das gelingt mit etwas Erfahrung ganz gut, aber natürlich nur rudimentär. Im nächsten Schritt geht man die Partie durch und zieht in manchen Momenten die Maschine zu Rate, um sich besser zurecht zu finden. Das sollte allerdings nicht dazu führen eine unsachliche Bewertung des Spiels der Matadoren – ich bin gerade in Spanien – vorzunehmen.

Partie unkommentiert zum Nachspielen im eigenen Tempo (ein Wunsch eines Nutzers aus Aachen).

„Die Reaktionen der Leute bei ihrem ersten Opernbesuch sind immer sehr extrem. Entweder man liebt es oder man hasst es. Wer es liebt, der wird es immer lieben. Wer es nicht mag, wird es vielleicht lernen zu schätzen, aber es wird nie ein Teil seiner Seele werden.“

Richard Gere als Edward Lewis in der berühmten Opern-Szene im Film „Pretty Women“ (1990) zu Julia Roberts als Vivian Ward.

In Abwandlung des obigen weltberühmten Zitates, das in der deutschen Filmversion nach meiner Erinnerung etwas anders lautete, sei mein folgender Hinweis verstanden: Wer diese Partie nur mit der Maschine anschaut und danach Kritik an Vincents Spiel äußert, der liebt das Spiel, seine Komplexität und seine Dynamik nicht wirklich. Der einzige, der das schwarze Spiel und das Auf und Ab am Schluss kritisieren sollte und es auch darf, das sind die Spieler selbst.

Analyse in Abschnitten

Ich halte es für Analysezwecke bei längeren und vor allem komplexen Turnierpartien für eine gute Idee, die Partie in mehreren Abschnitten zu analysieren. Das sind oft Phasen wie Eröffnung und frühes Mittelspiel, dann bis zur ersten Zeitkontrolle und je nach weiterem Verlauf folgen oft mehrere weitere Phasen. Drei oder vier Phasen insgesamt reichen oft aus, aber manchmal sind es auch mehr.


In dieser Stellung aus dem frühen Mittelspiel war Vincent mit Schwarz am Zuge. Was würden sie ihm empfehlen und wie schätzen sie die Lage danach konkret ein.


Der Weißspieler hat zuletzt auf a7 einen Bauern geschlagen. Berechnen sie hier bitte die Folgen des Damenopfers nach dem Schlagen mit dem d-Bauern auf e4. Vincent hat noch sechszehneinhalb Minuten für 20 weitere Züge. Vertrauen sie nach sagen wir sechs Minuten auf ihre Berechnungen?


Wir sind in einer frühen Endspielphase. Weiß steht vor der grundsätzlichen Frage, ob er die schwarzfeldrigen Läufer tauschen oder auf dem Brett behalten will. Wie ist ihre Einschätzung? Wie würden sie den Läufer tauschen, falls sie das für eine gute Idee halten?


Nach erheblichen Komplikationen zuvor wird es technisch im Endspiel. Welche Schwäche identifizieren sie im weißen Lager? Wie geht es hier am besten weiter für den Schwarzen, der hier am Zuge ist?


Hier war Vincent mit Schwarz erneut am Zuge. Wie sollte er hier warum fortsetzen? Es geht m. E. um einen praktischen Ansatz wie man hier am einfachsten seine Stellung weiter ausbaut.


Beginnen wir die Betrachtungen der Schlussphase mit einer Fifty-Fifty-Frage. Sollte Schwarz auf h5 schlagen oder nicht? Hier hatte Vincent noch etwa zehn Minuten und sein Gegner verblieb mit etwas mehr als 13 Minuten.


Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? Vincent verblieben noch drei Minuten und 52 Sekunden. Es war insofern als knapp. Nach seinem 57. Zug hier lag Vincents Zeitreserve bei einer Minuten und 26 Sekunden. Die Sache spitzte sich also weiter zu.


Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? In dieser Partie war das der entscheidende Moment. Kovalev bereute seine Entscheidung vermutlich sofort und investierte von seinen fast zehn Minuten Restbedenkzeit nur anderthalb und griff daneben.

Mein Fazit zur ersten Partie

Die Partie dauerte insgesamt etwa fünf Stunden. Nach anspruchsvoller Eröffnungsphase und kreativem Spiel vor allem von Vincent kam es im frühen Mittelspiel zu einer asymmetrischen Materialverteilung, die Vincent etwas materiell bevorteilte. In der folgenden Spielphase des späten Mittelspiels und frühen Endspiels tauschte Kovalev einen Läufer falsch und er befand sich zunehmend auf verlorenem Posten. Danach vergrößerte Vincent seinen Vorteil stetig und eroberte durch kreatives Spiel gegen den gegnerischen Springer auf a7 zwei Bauern am Damenflügel. Erst in der letzten Spielphase, die zunehmend durch Zeitnot geprägt war, entglitt Vincent die Partie, da er wenige Entscheidungen nicht pragmatisch genug anging. Insgesamt war die Partie eine grandiose kreative Leistung gegen einen starken Großmeister, die Hoffnung auf ein erfolgreiches Abschneiden im World Cup macht.


Wer die gesamte Partie mit den Reaktionen beider Spieler am Brett beobachten möchte für den hält die FIDE einen eigenen Stream bereit. Vor allem die entscheidende Phase nach fünf Stunden ist interessant zu beobachten.


Die zweite Partie

In der zweiten Begegnung dieses Matches versuchte Kovalev früh sein Glück in einem zeitweisen Bauernopfer. Vincent konterte ihn kühl aus und gewann recht überzeugend auch die zweite Partie.


Zufrieden sein dürfte Peter Leko, der nicht nur einen Schützling im Rennen hat, der gut in Form ist. Peter gewann sein eigenes Match gegen den australischen Großmeister Bobby Cheng. Nebenbei erfährt man von dem Foto, dass der Dresscode der FIDE offenbar inzwischen auch Jeanshosen erlaubt.

Ein Hinweis

Ich habe in den nächsten Tagen ein eigenes Turnier in Alicante zu spielen. Aber die grandiose erste Partie von Vincent hat mich motiviert sein Turnier hier ebenfalls ein wenig zu covern und Analysen folgen zu lassen. Im besten Fall qualifiziert sich Vincent ebenfalls für das Kandidatenturnier. Er ist inzwischen ausreichend stark und stabil dort ein wichtige Rolle zu spielen. Da ich vorhabe das Turnier vor Ort zu covern wäre ein zweiter deutscher Spieler im Kandidatenturnier ein tolle Sache.

Fotos: Michal Walusza und Eteri Kublashvili FIDE World Cup Goa 2025.


Service-Hinweis

Die Partien können heruntergeladen werden, indem man in dem entsprechendem Modus den hier markierten Button nutzt.

Foto: Michal Walusza. FIDE World Cup in

Foto: Natalia Jędrzejowska

Nach dem Doppelsieg bei der letzten Weltmeisterschaft kam diesmal nur ein Deutscher aufs Treppchen. Christian Maier holte durch seinen dritten Platz sogar eine GM-Norm. Typisch Christian zerknüllte er doch sein Zertifikat nach wenigen Sekunden, unabsichtlich. Eine Spielerin aus Schottland, ein Spieler aus Israel und einer aus der Ukraine konnten sich über Weltmeistertitel freuen. Eine FIDE-Russin gewann bei den älteren Frauen.

Von Thorsten Cmiel

Aus deutscher Sicht lief weniger zusammen diesmal. Christian Maier sicherte sich den dritten Platz und war der einzige deutsche Lichtblick bei der diesjährigen Seniorenweltmeisterschaft in Gallipoli. Titelverteidiger Rainer Knaak wurde ausgerechnet von Maier ausgebremst und suchte die meiste Zeit des Turniers seine Form. Bei den Jungsenioren spielten die Internationalen Meister Frank Zeller und Georg Seul meist oben mit, aber der letzte Punch fehlte beiden Spielern, um ganz oben anzugreifen. Das war allerdings zumindest bei den Jungsenioren ohnehin illusorisch, denn zwei Spieler dominierten und am Ende gewann der israelische Großmeister Victor Mikhalevski (Foto) verdient mit 9.5 Punkten (+8) aus elf Partien in seiner Altersgruppe.

Schlusstabelle Open 50+

11 Runden Schweizer System. 154 Teilnehmer aus 46 Nationen. 18 GM, 25 IM, 21 FM. Neun deutsche Teilnehmer.

Wer sich für mehr Ergebnisse interessiert, der kann bei Chess-Results nachschauen und sich bemerkenswerte Resultate mancher Spieler und die Partien bei Li-Chess genauer ansehen. Überragend war sicherlich das Turnier von Vladimir Bugayev (USA), der seine Rating um 86 Punkte steigern konnte und vermutlich knapp an einer regulären IM-Norm gescheitert ist (sein schlechtester Gegner bekommt laut Regularien eine Ratinganhebung auf 2050). Ein weiteres herausragendes Ergebnis gelang Bulent Ersahin (TUR) mit einem Plus von 73 Punkten. Aber neben guten Ergebnisse mussten manche Spieler zu oft hinter sich greifen. Die nominelle Nummer drei der Setzliste, Großmeister Alexandre Qashashvili aus Georgien, musste drei Niederlagen in Serie verkraften und verlor bei einer Elozahl von 2505 trotz eines Faktors von 10 immerhin 26 Ratingpunkte. Ähnlich schlecht verlief das Turnier für den kasachischen Großmeister Serkibay Temirbayev, der 24 Punkte verlor. Der niederländische Internationale Meister Edwin Van Haastert, nominell die Nummer neun im Feld, brach sein Turnier mit fünf Punkten nach neun Runden und einem Elo-Minus von 27 Punkten ab.

Ein Sieg des Victors

Die folgende überzeugende Schwarzsieg von Victor Mikhalevski stammt aus der achten Runde im Turnier und verdient sicherlich noch etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.


Ältere Senioren 65+

Bei den älteren Senioren (65+) musste am Ende die Wertung zwischen sechs punktgleichen Spielern, die 8.5 Punkte (+6) erzielt hatten, entscheiden. Sieger wurde der ukrainische Internationale Meister Alexander Reprintsev, der neben dem WM-Titel sein Langzeitziel erreichte und demnächst den Großmeistertitel erhalten dürfte. Der knapp nur drittplatzierte deutsche Internationale Meister Christian Maier musste zu viele Utensilien halten und bekam gar nicht mit, dass ihm der Hauptschiedsrichter zusätzlich ein Blatt Papier in die Hand drückte, das ihm das Erzielen einer GM-Norm (gilt für die Plätze 2 und 3) bescheinigte. Es endete jedenfalls unbeachtet zerknittert in der Gesäßtasche und sah nach der Preisverleihung entsprechend etwas ramponiert aus. Die FIDE wird die Norm trotzdem registrieren.

Christian begann das Turnier mit einem Sieg gegen Robert J Fischer, besser ist es kaum denkbar. Zunächst gewann er seine Auftaktbegegnungen, verlor gegen den späteren Nestorenmeister (75+) Nathan Birnboim, kam dann aber schnell zurück. Am Ende gewann Christian seine sämtlichen drei Partien gegen Großmeister. Beeindruckend.

Einzelergebnis Christian Maier

Top 10 in der Gruppe 65+

11 Runden Schweizer System. 233 Teilnehmer aus 49 Nationen, 8 GM, 41 IM, 31 FM. 18 deutsche Spieler.

In der folgenden Schlussphase verpasste Rainer Knaak in klar vorteilhafter Stellung drei Züge hintereinander mit Weiß den positionell logischen Zug seines a-Bauern (a3-a4), um die gegnerische Struktur am Damenflügel zu fixieren. Es rächte sich als Christian Maier selbst seinen a-Bauern in Bewegung setzte.


Gold für Schottland

Bei Seniorenturnieren lernt man immer wieder viele Spielerinnen und Spieler genauer kennen und deren Karriere im Schach beeindruckt oft. Wenn man sich dann immer tiefer mit deren schachlicher Vita beschäftigt, dann findet man meist eine Vielzahl spannender Partien. Die Geschichte von „Keti“.

Endresultat bei den Frauen 50+

11 Runden Schweizer System. 30 Teilnehmerinnen. Zwei GM, 2 IM und 3 WGM. Keine deutsche Spielerin im Feld.

Mir gefiel in Gallipoli die Angriffspartie von Keti aus der achten Runde gegen die bulgarisch-französische Internationale Meisterin und Frauengroßmeisterin (ich weiß nie was mehr zählt) Silvia Alexieva, die auch unter dem Namen Silvia Collas bekannt ist.


Die neue Weltmeisterin der jüngeren Frauen heißt Ketewan Arakhamia-Grant (1968). Vor genau vierzig Jahren hatte Keti schon einmal einen Weltmeister-Titel geholt. 1985 wurde sie mit 17 Jahren im slowenischen Dobrna U20-Weltmeisterin, damals noch unter sowjetischer Flagge. Ihr Ergebnis wurde nach zwölf Siegen zuvor nur getrübt durch ein Remis in der Schlussrunde. Laut Datenbank von Chessbase handelte es sich um die Mädcheneuropameisterschaft, aber das ist ein Übertragungsfehler. Das Turnier war eine Weltmeisterschaft. Inzwischen spielt Ketewan für Schottland. Unterwegs kann Keti, die seit 1996 mit dem Schotten Jonathan Grant verheiratet ist, auf eine beeindruckende Karriere mit vielen Erfolgen und grandiosen Partien zurückblicken.

Anläufe zur WM

Bei ihrem ersten Interzonenturnier 1988 in Tuzla, im ehemaligen Jugoslawien, wurde Ketewan mit 12 aus 17 Zweite hinter ihrer erfahreneren Landsfrau Nana Ioseliani, die sechs Jahre älter ist und später gegen Maia Tschiburdanidse den WM-Kampf verlor. Beim darauffolgenden Kandidatenturnier lief es dann nicht so gut. 1990 landete Ketewan hinter Ketino Kachiani im Interzonenturnier im russischen Asow auf dem sechsten Platz. Keti konnte noch zwei weitere Interzonenturniere sogar gewinnen: 1993 gewann sie in einem Schweizer-System-Turnier in Jakarta (Indonesien) mit 9.5 aus 13. Beim Kandidatenturnier gewann dann Zsuzsa Polgar und wurde später Frauenweltmeisterin. Keti konnte nicht in das Geschehen eingreifen. Beim letzten Zyklus mit Interzonenturnieren gewann Ketewan 1995 erneut im moldawischen Chișinău diese Qualifikationsrunde vor der inzwischen für Deutschland spielenden Ketino Kachiani-Gersinska, die ebenfalls aus Georgien stammt. Keti landete im Kandidatenturnier als Siebte einen Platz vor Pia Cramling, die auch in Gallipoli dabei war. Es gewann Alissa Galljamowa aus Russland, die später nach einige Querelen und Disqualifikation von Zsuzsa Polgar einen Weltmeisterschaftskampf gegen Xie Jun verlor. Mit dem später eingeführten K.o.-Format kam Ketewan nach eigener Aussage nie zurecht.

Unzählige Erfolge

Zu den herausragenden Erfolgen von Keti Arakhamia gehören unzählige nationale Titel und internationale Team- und Einzelerfolge in Georgien, Schottland und Großbritannien. Ein herausragendes Ergebnis war sicherlich ihre hundertprozentige Ausbeute mit 12 aus 12 bei der Schacholympiade 1990 im serbischen Novi Sad mit einer Performance von 2935 Punkten und einer individuellen Goldmedaille am Reservebrett. Damals spielte Ketewan für die untergehende Sowjetunion, die gegen die Ungarinnen (Polgar-Sisters und Ildiko Madl) zweimal bei Schacholympiaden das Nachsehen hatte, was eine nationale Katastrophe gewesen sein dürfte. Die Frauen, vor allem waren es georgische Spielerinnen, spielten noch mit Dreierteams und jeweils einer Reservespielerin. In der Folge und bis 2008 spielte Ketewan noch eine Vielzahl von Schacholympiaden für Georgien, obwohl sie längst in Schottland lebte. Ab 2008 wechselte sie dann die Föderation und trat zunächst für das schottische Open-Team an. Bei der Schacholympiade in Dresden holte sie ihre dritte und entscheidende Großmeisternorm und erinnert sich an die große Unterstützung durch ihr Team. Ihre Partie gegen den griechischen Großmeister Stelios Helkias sicherte Keti letztlich die GM-Norm und hat daher eine große Bedeutung für sie.

Ihre erste GM-Norm hatte Keti in London 1996 beim Wettkampf Frauen gegen Veteranen geholt. Das Turnier wird im Scheveninger System doppelrundig gespielt, wobei die Spieler beider Teams nur gegeneinander antreten. Für die Veteranen waren Lajos Portisch, Vlastimil Hort, Mark Taimanov und die beiden Ex-Weltmeister Boris Spasski und Wassily Smyslov am Start. Zum Frauenteam gehörten neben Keti noch Pia Cramling, Sofia Polgar, Xie Jun und Nana Ioseliani. Die Veteranen gewann mit 27.5 zu 22.5. Keti spielte mehrfach für das Frauenteam in diesem Format auf Aruba 1992, in Wien 1993, in Monte-Carlo 1994, in Kopenhagen 1997 und in Roquebrune 1998. Eine tolle Gelegenheit gegen Legenden anzutreten und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Zweimal war Keti die Top-Scorerin für das Frauenteam.


Mir gefällt der Sieg gegen den Ex-Weltmeister Vassily Smyslow aus dem Jahr 1996 besonders gut.


Smyslov (Jahrgang 1921) hatte zuletzt seinen Läufer nach f5 entwickelt und eine Drohung gegen den Bauern c2 aufgestellt. In diesem Moment erkannte Ketewan ihre Chance. Wie ging es weiter?


Wer Spaß an Seeschlangen hat, der findet in den Datenbanken Ketis Erstrundensieg gegen Hikaru Nakamura beim Gibraltar-Open 2007. Die Partie begann erst richtig Fahrt aufzunehmen als Turmendspiel und mündete dann in ein Damendspiel, das Keti nach 100 Zügen und trotz einer Elodifferenz von 214 Punkten gewinnen konnte. Andere berühmte Scalps hängen an ihrem Gürtel: Nigel Short, Lajos Portisch, Mark Taimanov und Vlastimil Hort sind die vermutlich prestigeträchtigsten darunter. In der Liste der Großmeister, die Keti bezwingen konnte, finden sich auch Mikhail Gurevich und Emil Sutovsky.

In Gallipoli war mir aufgefallen, dass Keti sich abends immer pünktlich kurz vor neun Uhr verabschiedete, während wir beim Abendessen weiter die Untiefen von zu oft schlechtem Schach ausloteten. Später erfuhr ich, dass Keti abends um 8 Uhr London-Zeit noch Unterricht gab. Wer eine amtierende Weltmeisterin als Trainerin sucht, der kann sie via Li-Chess kontaktieren.

Ältere Frauen (65+)

Endstand Frauen 65+

11 Runden Schweizer System. 21 Spielerinnen aus 12 Nationen. Ein GM, 4 WGM, 4 WIM. Drei deutsche Spielerinnen.

Galina Strutinskaia dominierte das Turnier und gewann ihre insgesamt fünfte Seniorenweltmeisterschaft souverän mit drei Punkten Vorsprung.


Die abschließende Siegerehrung fand in einem lokalen Theater in Gallipoli statt und gab der Schlussveranstaltung einen würdigen Rahmen. Neben einem kurzen Film über die abgelaufene Weltmeisterschaft gab es eine hervorragende Gesangseinlage eines US-Teilnehmers, Nathan Resika. Der Turnierdirektor Matteo Zoldan würdigte in seiner Rede den kürzlich verstorbenen US-Großmeister Daniel Naroditsky, dessen schockierender Tod kurz vor Turnierbeginn bekannt wurde. Es gab eine Schweigeminute für Daniel.

Nachruf der FIDE auf Daniel Naroditsky (1995–2025)

Während der Weltmeisterschaft wurde ebenfalls bekannt, dass mit dem rumänisch-spanischen Großmeister Mihai Suba ein ehemaliger Co-Seniorenweltmeister (in Bad Zwischenahn 2008 gewann er zusammen mit Larry Kaufmann) verstorben war. Dieser wurde leider nicht erwähnt. Suba war zudem Senioren-Europameister von 2011. Eine Schweigeminute für einen erfolgreichen Seniorenspieler und legendären Großmeister wäre sicherlich ebenfalls eine angemessene Geste gewesen.

Nachruf der FIDE auf Mihai Șuba (1947 – 2025)

Ein ausführlicher Nachruf von André Schulz bei Chessbase.

Momente aus den Turnieren

Normalerweise hat man als Berichterstatter nach Seniorenturnieren ein Problem genügend Partien zur Auswahl zu bekommen. Diesmal war es erfreulich anders, da fast alle Partien via DGT-Brettern übertragen wurden. Es folgt eine kleine Auswahl, die ich mit dem Hinweis versehen möchte, dass es noch viele sehr interessante Partien zu entdecken gibt. Es folgt eine subjektive Auswahl.

Paul Motwani verpasst zwei Chancen

Der schottische Großmeister Paul Motwani betreibt einen eigenen Blog auf dem er auch über Schach und andere Dinge, die ihn interessieren, schreibt. Motwani war 1978 Kadettenweltmeister (U16) und ist der erste Schotte überhaupt, der den Großmeistertitel holte. Er ist siebenfacher schottischer Meister und teilte sich dabei 2003 mit Keti Arakhmia-Grant in Edinburgh den Titel. In Gallipoli spielte Paul überwiegend ein gutes Turnier, aber er verpasste in den drei Schlussrunden einige Chancen für eine bessere Platzierung. Erschöpfung, die viele Spieler nach intensiven Runden verspürt haben dürften, könnte eine Ursache sein. Paul hat selbst etwas dazu geschrieben.


Zuletzt hatte der Weiße hier seinen Turm von c1 nach e1 gezogen. Wie sollte Schwarz hier am besten fortsetzen?


In der letzten Runde war Paul gegen den anderthalb Punkte vor ihm liegenden georgischen Großmeister Mikheil Kekelidze gelost worden und hatte diesen lange Zeit unter Druck gesetzt. Die Stellung aus dem Springerendspiel war irgendwann gewonnen und dann wieder nicht. Welcher Zug ist hier richtig? Es gab noch mehrere andere spannende Momente, die in der weitergehenden Analyse zu finden sind. Lehrreich.

Letzte Fehler entscheiden Schachpartien


Der Weißspieler wehrt sich schon einige Zeit gegen die Versuche des italienische internationalen Meisters Fabrizio Bellia. In der aktuellen Stellung ist die schwarze Dame angegriffen. Was sollte man tun?


Wie soll der Schwarze hier auf das Schachgebot reagieren. Die Frage alleine hilft hier natürlich bei der Antwort, denn die Spieler der Partie sind nicht so gut informiert.

Endspiele

Es ist immer eine willkommene Wiederholung, wenn man interessante Endspiele, die man eigentlich kennen sollte, anschaut. Die typischen Fehler anderer sind dann nicht so kostspielig.


Turmendspiele mit Turm- und Springerbauern auf einer Seite bieten gute Chancen auf eine Punkteteilung, aber man sollte am besten wissen wie man sich verteidigt. Vorschläge? Die Analyse ist deutlich ausführlicher und betrachtet noch mehrere andere Aspekte dieses spannenden Endspiels aus der letzten Runde in der Altersgruppe 50+.

Remischancen oder schon verloren?

In Schachpartien zweifeln beide Spieler nach meiner Beobachtung ständig wie es weitergeht und suchen nach Ideen bei der Problemlösung. Es ist natürlich in den meisten Fällen hilfreich eine Einschätzung zur Stellungsbewertung zu haben. So auch hier.


In dieser Stellung aus der Partie des spanischen Großmeisters Juan Manuel Lopez Bellon, dem Vater von Anna Cramling, gegen den US-Amerikaner Mark Ginsburg muss Weiß mit der Drohung eines weiteren Vormarsches des gegnerischen d-Bauern umgehen. Wie sollte er sich verteidigen?

Eine Frage der Technik – oder?

In dem folgenden Endspiel mit einer Mehrqualität für einen Spieler und Bauern auf einem Flügel entstehen oft schwierige praktische Fragen für beide Seiten.



Ein interessantes Endspiel ist in der Partie zwischen dem niederländischen Internationalen Meister Mark Van der Werf und dem bulgarischen Großmeister Kiril Georgiev entstanden. Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? Was ist seine Gewinnidee?


Ich nenne solche Situationen und Aufgaben „Fifty-Fifty“. Soll hier der König oder der Springer nach g2 ziehen?


Erneut ist hier der Bulgare mit den schwarzen Steinen am Zuge. Was soll er unternehmen, um zu gewinnen?



Schwarz muss sich verteidigen. Was ist jetzt von dem h-Bauernzug zu halten?

Offizielle Website der Veranstaltung.

Fotos: Natalia Jędrzejowska, Dario Morrone für die Organisatoren, FIDE. Weitere Fotos von Jonathan Grant und mir. Manche Fotos wurden mit NanoBanana.AI bearbeitet.

Dieser Text wurde in deutscher Sprache geschrieben. Wer will kann eine automatische Sprachübersetzung nutzen. Manchmal kommen gerade dann witzige Stilblüten zu Tage und können von mir nicht korrigiert werden. Ein Beispiel: In der deutschen Sprache verwendet man das Wort „Zug“ als Kurzform für den Schachzug. Die automatische Übersetzung ins Englische könnte dann „train“ sein statt „move“, um ein Beispiel zu nennen.


Service-Hinweis

Die Analysen der Partien können heruntergeladen werden. Dafür muss man in der entsprechenden Ansicht den hier orange markierten Button nutzen.


Foto: Natalia Jędrzejowska Nach dem Doppelsieg bei der

Die Seniorenweltmeisterschaften im Schach finden 2025 erneut in Italien statt. Gespielt wird diesmal in der süditalienischen Küstenstadt Gallipoli. Auf den Schachbrettern geht es oft hoch her. Kampfschach, Dramen, Eröffnungskatastrophen und Fehler gehören zum Schachspiel dazu und kaum jemand kann sich dem entziehen bisher. Eine Auswahl.

Von Thorsten Cmiel

Das Seniorenschach erfreut sich großer Beliebtheit. Diesmal sind bei der Weltmeisterschaft 52 Frauen und 380 Spieler und eine Spielerin in den offenen Klassen angetreten. Das dürfte eine neue Rekordteilnehmerzahl bei Seniorenindividualturnieren der FIDE sein, Die Organisatoren waren überrascht, da 100 bis 150 Teilnehmer mehr als bisher üblich an dem Turnier teilnehmen wollten. Woran es liegt ist nicht so einfach zu beantworten. Vielleicht liegt es am Wetter, da die Einzelweltmeisterschaften regelmäßig in der Nachsaison stattfinden und diesmal etwas früher als sonst gespielt wird.

Der Preisfonds liegt bei sehr ordentlichen und vom Weltschachbund aufgestockten 50.000 Euro, wobei die Preise bei den jüngeren Seniorengruppen etwas höher ausfallen. Dafür sind die Spielbedingungen bei den älteren Senioren etwas besser. Es gibt mehr Platz für die Spieler in einem der drei Turniersäle. Die Zahl der Titelträger ist in diesem Jahr ebenfalls beeindruckend. Immerhin 29 Großmeister und 68 Internationale Meister sind über alle Gruppen am Start. Erfreulich ist auch die stark gestiegene Zahl der teilnehmenden Frauen in diesem Jahr. Drei von diesen verfügen über den Titel eines Großmeisters (Nona Gaprindashvilli, Keti Arakhamia-Grant und Pia Cramling). Fast sämtliche Partien werden übertragen und erstmals gibt es eine Livekommentierung auf einem Twitch-Kanal.

Tabellenstände nach sechs von elf Runden

Open 50+

Open 65+

Frauen 50+

Frauen 65+

Eigene Fails

Bevor ich mich Katastrophen und tragischen Momenten anderer Teilnehmer zuwende, will ich einige dramatische Situationen und die üblichen katastrophalen Entscheidungen aus meinen eigenen Partien kurz vorstellen.


Meine Partie gegen den kasachischen Großmeister Pavel Kotsur endet später durch einen groben Fehler. Hier war zunächst Schwarz am Zuge und die Frage ist zunächst, wie man die schwarze Stellung verteidigen sollte. Welche Kandidaten kommen dafür in Betracht?


In meiner Partie aus der fünften Runde stellte sich zunächst die Frage: Soll ich mit dem Turm nach c1 ziehen und ein Paar Türme zum Tausch anbieten? Ich entschied mich natürlich zunächst falsch.


Der schwarze König steht gefährdet. Weiß droht zunächst diverse Springerabzüge. Kann der Nachziehende in dieser Stellung noch gewinnen? Falls ja, wie?

Katastrophen aus der Eröffnung heraus

Wenn man keine Ahnung von seltenen Theorievarianten hat (5…Lg4 ist der richtige Zug), sollte man geschlossene Systeme (3…e6) gegen die Fantasie-Variante im Caro-Kann spielen. Ein eigenes Beispiel zum Mitlachen aus der sechsten Runde. Im Turnier war das dann meine zweite Eröffnungskatastrophe für die es keine Erklärung gibt.

Eine andere Kurzpartie in der sechsten Runde gelang dem bulgarischen Elofavoriten Kiril Georgiev, der mit seinem Keres-Angriff seinen österreichischen Gegner offenbar überraschen konnte.

Endspiel-Momente

Viele Partien werden erfahrungsgemäß erst im Endspiel entschieden und einige Partien in Gallipoli dauern länger als fünf Stunden. Die Wahrscheinlichkeit für Fehler nimmt nach vier Stunden Bedenkzeit im Turnierschach und nicht nur bei Senioren deutlich zu und manche vorher erarbeitete hoffnungsvolle Ausgangsstellung wird brutal durch Erschöpfung entschieden.


In dieser Stellung muss sich die Weißspielerin zunächst entscheiden, ob sie auf c5 den Bauern vertilgen will oder einen anderen Zug spielen sollte. Die richtige Antwort hat mit einem gar nicht so einfach erkennbaren Stellungsmerkmal zu tun.


In der Begegnung der legendären georgischen Nona Gaprindashvilli und der amtierenden Weltmeisterin aus Deutschland, Brigitte Burchardt, kam es bei den älteren Frauen letztlich zu einem Springerendspiel mit wenigen verbliebenen Bauern auf einem Flügel. Kann Schwarz sich verteidigen? Falls ja, wie?


Helen Milligan ist eine schottisch-neuseeländische Spielerin, die hier gegen einen Großmeister kurz vor dem Remis steht. Helen spielt nicht bei den Frauen, sondern in der offenen Klasse mit. In diesem Moment musste sie noch eine letzte wichtige Entscheidung treffen: Wohin mit dem König?

Der Spatz

In der deutschen Sprache gibt es ein Sprichwort: „Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.“ Übersetzt auf das Turnierschach beschreibt das folgendes Spielszenario: Soll man gegen einen starken Gegner, der einen schlechten Tag hat, das Remis mitnehmen, oder um den vollen Punkt kämpfen? Die amtierenden deutschen Seniorenweltmeister 65+ (Brigitte Burchardt und Rainer Knaak) kommen bisher mit der Bürde des Amtes nicht zurecht. In der folgenden Partie von Rainer Knaak kam es zu einem solchen Showdown und Rainer offerierte seinem Gegner in dessen Zeitnot eine Art taktisches Remisangebot in Verluststellung und der Weißspieler entschied sich für den Spatzen.


In dieser Stellung erhalten sie bei wenig Restbedenkzeit ein Remisangebot und ihnen bleiben noch etwas mehr als drei Minuten für 18 Züge. Der typische Zug in der Stellung folgt mit dem Springer nach d5 und den machen sie am besten sofort, statt über den Zug länger nachzudenken. Vielleicht hatten sie in ihrer längeren Nachdenkphase als Weißer sogar noch das schwarze Opfer auf h2, dann folgendes Damenschach auf h4 und den Turmzug nach f3 gesehen. Also annehmen oder ablehnen?

Letzte Chance

In manchen Situationen am Schachbrett steht man vor der Partieaufgabe und manchmal gibt es noch zufällige Lösungen, die auf Stellungsbesonderheiten beruhen und daher dem Gegner entgangen sind.


Zuletzt hatte die Schwarzspielerin mit dem Springerzug nach e4 eine Gabel auf Turm und Dame ausgeführt. Sollte die Weißspielerin hier aufgeben, oder gibt es noch irgendeine Hoffnung?

Tragisches

Die meisten Teilnehmer können Geschichten eigener Fehlleistungen und glücklicher Wendungen erzählen. Bereits in der ersten Runde kam es trotz großer Spielstärkeunterschiede an den zwanzig vorderen Brettern zu manchen kleineren Überraschungen. Neben einigen Unentschieden gab es in beiden offenen Klassen tragische Unfälle.


Edwin Van Haastert ist ein starker niederländischer Internationaler Meister, aber die Startrunden liegen ihm offenbar nicht. Noch schlimmer war es ihm vor fast genau einem Jahr bei der Europameisterschaft ebenfalls in Italien ergangen. Wie sollte er hier mit Schwarz fortsetzen?


Hier sollte der Schwarzspieler (Favorit) wie fortsetzen? Der weitere Partieverlauf endete dramatisch und nicht wie es sein sollte.

Eine unglaubliche Spielphase – einige Aufgaben

Eine der Spitzenpaarungen bei den Jungsenioren war das Duell des georgischen Großmeisters Mikheil Keklidze und des brasilianischen Großmeisters Darcy Lima. Bei beidseitig wenig Restbedenkzeit entwickelte sich ein Spiel mit offenem Visier und beidseitigen taktischen Aktionen. Die nächsten vier Diagramme stellen einige Fragen auf dem Weg der Partie, bilden aber nur einen kleinen Teil der Ereignisse ab.


In dieser Stellung ist zunächst Weiß am Zuge und musste mit 4.36 Minuten plus 30 Sekunden Inkrement pro Zug noch zehn Züge absolvieren. Prüfen sie drei Kandidaten: den Damenzug nach h4, das Schlagen des Bauern auf g7 und das Schlagen des Bauern auf f7 mit Schach. Wer virtuelle Bonuspunkte einsammeln möchte, der versucht eine Stellungsbewertung für die drei Züge vorzunehmen.


Diesmal ist Schwarz dran. Hier gilt es ebenfalls zunächst Kandidatenzüge zu suchen. Ein Zug scheidet dabei schnell bei der Auswahl aus, oder?


Der Brasilianer hatte seinen b-Bauern geopfert und auf g7 den geopferten Läufer geschlagen. Jetzt droht offensichtlich das Schachgebot mit dem weißen Turm auf b7. Wie sollte er reagieren?


Wie sollte Weiß hier am besten fortsetzen und Jagd auf den gegnerischen König machen?

Christian Maier – letzte deutsche Hoffnung

Bei der letzten Senioren-Weltmeisterschaft war zweimal Gold für die deutschen Spielerinnen und Spieler herausgesprungen. Beide Titelverteidiger legten diesmal allerdings eine Fehlstart hin und nur der Internationale Meister Christian Maier liegt bisher einigermaßen aussichtsreich im Rennen. Bisher gab es keine Gefangenen und fünf Siegen steht bei Christian eine Niederlage gegenüber.


In dieser Stellung aus der sechsten Runde drohte Christians Gegner seinen Turm auf der a-Linie zum Einsatz zu bringen. Wie sollte sich der Nachziehende hier am besten verteidigen?

Rahmenprogramm

Neben vier Ausflügen (nach Lecce, Otranto, Polignano a Mare und Gallipoli) gehören zwei Blitzturniere und ein Simultan zum Rahmenprogramm.

Fotos und Videos: Veranstalter.

Veranstaltungshomepage

Wikivoyage

Informationen Jungsenioren (50+)

Informationen Jungseniorinnen (50+)

Informationen Senioren (65+)

Informationen Seniorinnen (65+)


Service-Hinweis

Die Partieanalysen können heruntergeladen werden. Dazu muss man auf den orange markierten Button klicken.


Die Seniorenweltmeisterschaften im Schach finden 2025 erneut

Foto: Dariusz Gorzinski

Ein kurzer Moment ging vor einiger Zeit viral und wurde in verschiedenen Versionen bereits millionenfach angesehen. Der indische Superstar Divya Desmukh entschuldigt sich bei einer Uhr, die ihr aus der Hand gerutscht ist. Jetzt hat sie sich dazu geäußert.

Von Thorsten Cmiel

Am Rande der europäischen Vereinsmeisterschaft gab Divya ein kurzes Interview und äußerte sich auch zu der Frage, ob sie sich bei der Uhr entschuldigt hat. Ihre Antwort hat das Zeug dazu erneut zum Kult zu werden: Sie entschuldigte sich nicht bei der Uhr, sondern bei Spielern, die nicht da waren. Oder so.

In dem Video zeigt Divya (19) zunächst eine nette Partie mit einem Damenfang aus der vierten Runde gegen Leya Garifullina (20). Ab Minute 5.30 erklärt Divya dann kurz die lustige Situation mit der Uhr aus ihrer Sicht.

Ich gestehe, was wirklich passiert ist…Ich bin durchaus in der Lage, mich bei der Uhr zu entschuldigen, aber das war nicht der Fall. Es waren Spieler auf der anderen Seite des Raums…ich hatte einige Figuren umgeworfen und mich bei ihnen entschuldigt, ich dachte zumindest, dort würden Leute spielen. Es war aber niemand mehr da.

Foto: Dariusz Gorzinski Ein kurzer Moment ging vor

Historisches Foto: José Raúl Capablanca. Illustration: NanaBanana.ai

Der Kubaner José Raúl Capablanca (1888 – 1942) war der dritte Weltmeister in der Geschichte des Schachspiels. Capablanca gehört zu den anerkannt besten Spieler aller Zeiten. Ihm sei diese neue Serie von Schachaufgaben gewidmet. Wir lösen damit die Lasker-Aufgaben ab.


In dieser Partie aus der European Team in Batumi muss Weiß seinen Angriff weiter fortsetzen. Präzision ist gefragt. Ein Supergroßmeister scheiterte hier. Das können viele besser, oder?


Der Anziehende hat einen Mehrbauern, der sogar ein gedeckter Freibauer ist. Aber wie genau geht es weiter? Diese Aufgabe repräsentiert Grundwissen im Endspiel. Trotzdem werden viele Vereinsspieler daran scheitern, daher gilt auch hier: Übung macht den Meister.


Turmendspiele sind oft schwierig. Hier allerdings kann man herausarbeiten wohin der weiße König nicht ziehen sollte. Die Partie ging danach munter weiter und bot noch mehr Lehrreiches.


Beschließen wir diese Aufgabenserie mit einem Studienteil oder einer Studie – ich kenne den Ursprung leider nicht. Es handelt sich also um den Standard. Weiß am Zuge gewinnt.

In praktischen Partien begegnen den Spielern in jeder Turnierpartie unterschiedliche Aufgaben und nicht immer sind es einfache Taktiken. Insofern finde ich neben thematischen Aufgabenzusammenstellungen einen Mix aus unterschiedlichen Aufgabentypen hilfreich.

Hinweis

Die Partien können heruntergeladen werden, indem man auf den Downloadbutton unter Diagrammen klickt.


Mehr Lasker-Aufgaben

Historisches Foto: José Raúl Capablanca. Illustration: NanaBanana.ai Der

Foto: ECU

Die deutschen Frauen spielten bei der Europameisterschaft in Batumi sehr erfolgreich und es war spannend bis zum Schluss. Ein dritter Platz ist ein hervorragendes Ergebnis für das deutsche Team. Auch wenn im ersten Moment die bronzene Medaille sich wie ein verlorenes Silber anfühlen dürfte, sollte das Team sehr zufrieden sein.

Von Thorsten Cmiel

Von außen kann man nur spekulieren woran es gelegen hat, dass die deutschen Frauen diesmal über ihren gefühlten Möglichkeiten gespielt haben. Fakt ist: Erstmals seit langer Zeit war Elisabeth Pähtz nicht dabei und es lief besser. Ob das miteinander zu tun hat, dürfte in den nächsten Wochen für Spekulationen sorgen, aber man sollte sich meines Erachtens auf die positiven Aspekte konzentrieren und diese Diskussion nicht führen. Denn vielleicht lag das neue Selbstvertrauen am neuen Trainerteam der deutschen Frauen, die offenkundig den Spielerinnen Mut und Selbstvertrauen einhauchten, das man früher manchmal vermisst hat. Apropos Trainerteam: Das Frauenteam hatte Unterstützung durch den neuen Frauenbundestrainer Zahar Efimenko (40) und, das war bisher meines Wissens unbekannt, ebenfalls von Wolodymyr Baklan (47) einem weiteren ukrainischen Schachgroßmeister. Das deutsche Team war in der Setzliste auf Platz sechs geführt und spielte das ganze Turnier lang vorne mit. Vieles passte jedenfalls was sonst nicht klappte. Es gab nur drei Einzel-Niederlagen im gesamten Turnierverlauf und eine schlechte Schlussstellung von Lara Schulze in der letzten Runde. Diese Stabilität war der Hauptgrund für das gute Abschneiden und etwas Glück, da die Einzelerfolge gut über den Turnierverlauf verteilt waren und sich zu einigen Mannschaftspunkten addierten. Erst in der Schlussrunde enttäuschten die deutschen Frauen erstmals etwas mit einer Niederlage gegen Bulgarien (#5 der Setzliste). Mit frühen Siegen gegen Georgien (1) und Aserbaidschan (4) waren die Weichen für eine Topplatzierung gestellt. Nach der Niederlage gegen die Polinnen (2) und ein Unentschieden gegen die Ukrainerinnen(3) spielten die deutschen Frauen in der letzten Runde um Silber.

Georgien früh raus

Die favorisierten Georgierinnen kassierten nicht nur früh eine Niederlage gegen das deutsche Team, sondern agierten insgesamt ohne Fortune. Die Spitzenspielerin der Heimmannschaft, Großmeisterin Nana Dzagndize, spielte ein katastrophales Turnier, das in der letzten Runde durch eine echte Chaospartie gegen die Spanierin Sara Khadem „gekrönt“ wurde. Die Polinnen hatten schon bei der letzten Schacholympiade in Budapest stark aufgespielt, die Inderinnen geschlagen und waren dort erst hinten heraus etwas abgefallen. Die Ukrainerinnen waren ohne die Muzychuk-Schwestern keineswegs schwächer unterwegs und sind verdiente Vizemeisterinnen geworden. Bricht man die Team-Turniere auf einzelne Partien herunter, dann gab es in vielen Kämpfen fast aller Nationen das eine oder andere Drama und „falsche“ Ergebnis zu beklagen. Das dürfte sich fair über sämtliche Teams verteilt haben und gehört zum Schachsport dazu.

Dinara Wagner

Auffällig waren zwei Partien von Dinara Wagner, die mit Weiß diesmal taktisch verwickelte Eröffnungen spielte. In beiden Fällen war sie gut vorbereitet. Ob die Stellungen gut zu ihrem Spielstil passen wird die interne Analyse ergeben. Aber sich auf derart komplexe vorbereitete Stellungen einzulassen, bedarf eines großen Vertrauens in denjenigen oder diejenigen, die ihr zugearbeitet haben. Das ist in jedem Fall bemerkenswert.


Diese Stellung gehörte sicher zur Vorbereitung der deutschen Spielerin, die bis hierhin mehr Zeit (1.33) auf der Uhr hatte als zu Beginn der Partie. Ihre Gegnerin kam bis hierhin mit zehn Minuten aus. Mit ihrem nächsten Zug lag die Polin allerdings etwas daneben. Nach 25 Minuten folgte der große Schritt mit dem schwarzen h-Bauern. An dieser Stelle hatte übrigens der für Serbien spielende Alexei Sarana bei der Europaeinzelmeisterschaft 2025 fehlerhaft den Bauern auf a3 verspeist.


Die zweite Partie ging schief, aber Dinara war erneut gut vorbereitet zur Partie angetreten. Erneut ging es gegen eine starke Gegnerin und die Partie bot einige spannende Momente, die der Analyse entnommen werden können. Beginnen wir mit einem Diagramm, einer Position, in der ich keinen ausreichenden Grund für ein langes Nachdenken von Dinara finden konnte.


Erneut spricht der Verbrauch der Bedenkzeit bis hierhin Bände: Dinara hatte vor diesem Zug noch eine Stunde und 19 Minuten auf der Uhr und ihrer griechischen Gegnerin blieben noch 36 Minuten. Hier allerdings verbrauchte Dinara 42 Minuten und ihr schöner Zeitvorteil war egalisiert. Das spricht dafür, dass die Eröffnungswahl vielleicht eine taktische Stellung produzierte, die ihr nicht allzu sehr liegt. Entschieden wurde die Partie erst später. Es gab hier drei denkbare Kandidaten. Schlagen mit dem Läufer auf g5, mit dem Springer oder der Rückzug des Läufers nach g3. Der letztgenannte Zug scheidet wegen des Vorrückens des f-Bauern recht schnell aus und das Schlagen auf g5 mit dem Springer auf g5 ist ebenfalls gefühlt die falsche Option. Hier trügt das Stellungsgefühl nicht, aber die Varianten sind sehr komplex und das liegt nicht jedem.


Hier blieben Dinara noch 33 Minuten und sie entschied sich nach fünf Minuten für das Zurückschlagen mit dem Turm. Etwas überraschend hätte das andere Zurückschlagen mit dem g-Bauern und Attacke dort ihr laut Instanz deutlichen Vorteil versprochen. Dafür muss man allerdings zwischendrin den eigenen Läufer auf c2 opfern. Ob sie diese Entscheidung mit 30 Minuten mehr auf dem Wecker richtig getroffen hätte, scheint mir unsicher zu sein. Leider verlor Dinara etwas später den Überblick und die Partie.


Ich bewundere den Mut von Dinara und dem deutschen Team diese Art von Profi-Schach anzugehen. Dass selbst Top-Großmeister mit Vorbereitungen komplexer Varianten oft nicht zurechtkommen, konnte ich 2024 in Toronto mehrfach bei Praggnanandhaa (gegen Nepomniachtchi (Nepo) und gegen Gukesh), aber auch bei Hikaru Nakamura (gegen Nepo) beobachten. In den drei genannten Fällen stand Nepo jeweils mit seiner Petroff-Verteidigung glatt auf Verlust, remisierte letztlich und Pragg verlor seine Auftaktpartie gegen den späteren Sieger Gukesh aus gleicher und verrückter Stellung heraus nach zwischenzeitlichem Opfer von drei Bauern.

Hanna Marie Klek

Die deutsche Spielerin holte in Batumi ihre dritte IM-Norm und muss jetzt noch eine Elozahl von 2400 Punkten erreichen, um den Titel des Internationalen Meisters zu erringen. Ihre bisher höchste Elozahl hat Hanna Marie im April 2017 mit 2372 Punkten vorzuweisen. Sie muss noch etwas mehr als vierzig Punkte zulegen, um den Titel zu erringen.


Die Entscheidung in der Partie gegen die favorisierten Georgierinnen fiel hier. Schwarz sollte den eigenen Turm nach f4 ziehen und die Bauern e4 und h4 gleichzeitig bedrohen. Danach wäre die Stellung bei bestem Spiel im Gleichgewicht. Die Georgierin sah es nicht und die Deutsche brachte zielstrebig ihren Springer via d2 über f3 nach g5 ins Spiel und gewann eine überzeugende Partie gegen ihre erfahrene Gegnerin, die immerhin den Großmeistertitel vorweisen kann. Eine überzeugende Verwertungsphase zum einfachen Nachbetrachten.


In dieser Partie hatte die Deutsche mit Schwarz etwas unvorsichtig agiert. Mit dem einfachen und logischen Zug des Läufers nach d3 konnte ihre Gegnerin aus Aserbaidschan ihren Bauern auf f5 verteidigen und ihren gewinnbringenden Vorteil festigen. Diesen Zug spielt man im Blitzen vermutlich automatisch. In Turnierpartien will man es manchmal besonders schlau anfangen und so zog Weiß ihre Dame nach d3 mit der Folge, dass der f5-Bauer nach Wegzug der Dame bald verloren geht. Kurze Zeit später war die Stellung sogar ausgeglichen.


Ihre Gegnerin hatte im Kontrollzug erneut den Damentausch angeboten, was sich erneut als falsch herausstellte. Jetzt blieben der deutschen Spielerin etwas mehr als drei Minuten, um ihren 40. Zug ebenfalls auszuführen. Was soll sie ziehen?

In der siebten Runde gewann Hanna Marie Klek eine sehr überzeugende Partie gegen die Rumänin Mihaela Sandu, die ich hier unkommentiert und für sich sich sprechen lassen möchte.

In der achten Runde klappte was der deutschen Spielerin in der vierten Runde nicht gelang. Aus hoffnungsloser Lage schaffte sie den kompletten Turnaround und benötigte in der finalen Runde nur noch ein Remis, um die Norm zu schaffen.


Weiß ist bisher äußerst aggressiv aufgetreten. Wie sollte die Deutsche sich hier am besten weiter verteidigen?


An dieser Stelle sollte die deutsche Spielerin mit Schwarz am besten welchen Zug spielen?

Partien bei denen es um viel geht sind für die meisten Spieler und Spielerinnen nicht ganz einfach. Manchmal flattern die Nerven in solchen Situation. Nicht so bei der deutschen Spielerin. Hanna Marie spielte mit Schwarz eine gute Partie und war an keiner Stelle im Risiko, im Gegenteil, im Endspiel hatte die Deutsche in der folgenden Situation eine Chance auf den vollen Punkt.


Hier entschied sich die Schwarzspielerin für die direkte Attacke auf den Bauern e3 und zog ihren Springer nach d1. Das war allerdings leider nur der zweitbeste Versuch.


Josefine Safarli

Josefine wird auf ihrem Youtube-Kanal ihre Partien in Kürze in alle Einzelteile zerlegen, daher will ich nur eine Stellung kurz besprechen und eine überzeugende Leistung unkommentiert zeigen. Schade, die deutsche Spielerin zerstörte in der letzten Partie den hervorragenden Eindruck, den ihr Spiel bis dahin hinterlassen hatte. Die Auslosung und die Aufstellungen ergaben bei ihr einen merkwürdigen Farbwechsel. Josefine begann mit zwei Weißpartien, spielte dann vier Partien hintereinander mit Schwarz – vier Remis – und beendete das Turnier zweimal mit den weißen Steinen.

Josefine gewann in der achten Runde ihre zweite Partie und hatte bis dahin ein sehr stabiles Turnier gespielt. Lediglich gegen die Türkinnen benötigte sie einige Hilfe ihrer Gegnerin. Gegen die Rumäninnen stand Josefine nach der Eröffnung etwas schlechter, aber ihre Gegnerin war mit dem Unentschieden offensichtlich zufrieden. Die hier zum schnellen Nachspielen ausgewählte Partie zeigt Josefine in Bestform. und dann kam die Finalrunde.


Diese Situation entschied diese Partie. Wie sollte Weiß hier weiterspielen. Der nächste Zug der deutschen Spielerin war leider ohne jegliche Idee gespielt. Schwarz „droht“ den eigenen Läufer nach g6 zu ziehen und seinen weißen Counterpart zu befragen. Darauf musste man eine Antwort finden. Josefine investierte sechs ihrer verbliebenen 41 Minuten und zog den a-Turm nach c1. Welcher Zug besser gewesen wäre erklärt Josefine in Kürze in einem Video bei Youtube.


Das Diagramm soll nur optisch zeigen, dass vorher etwas gründlich schief gelaufen sein muss bei Weiß. Josefine versuchte sich zu wehren, aber das ist kein ausreichender Grund die hier erkennbare Passivität der weißen Figuren aus der Stellung zuvor zu rechtfertigen. Man kann argumentieren, dass es in der Folge konkret wurde. Aber das ist kein gutes Argument in einer Stellung mit einer relativ statischen Bauernstruktur. Schade.

Hier der Bericht von Josefine über Batumi auf ihrem Blog.

Lara Schulze

Bei Lara lief es in Batumi nicht optimal. Gegen die Polin setzte es ein klare Niederlage mit Weiß nach einer Fehleinschätzung. Die Runde gegen die Griechin in der Vorschlussrunde mag getäuscht haben, denn diese gewann Lara deutlich. Ich hatte Kateryna in der Finalrunde erwartet. In der letzten Partie hatte die Deutsche über den gesamten Partieverlauf keine Chance auf Vorteil und kann sich letztlich glücklich schätzen, dass für ihre Gegnerin das Remis zum Mannschaftserfolg reichte.

Kateryna Dolzhykova

Kateryna holte am Ersatzbrett 3.5 Punkte aus fünf Partien und gewann mit der besten Performance von 2426 Individual-Gold.

Auf einige Probleme, die in Batumi unerfahrene Spielerinnen ereilt haben, weist die rumänische Internationale Meisterin Irina Bulmaga hin. Irina veröffentlicht auf ihrem Blog meist lesenswerte Texte zu ihren Turniererfahrungen und -beobachtungen.

Irinas Text begann diesmal in deutscher Übersetzung so:

Die große Batumi Erfahrung

Im Land der alten Weinbautradition, der einzigartigen Küche und atemberaubenden Landschaften möchte ich Sie auf eine etwas andere Reise mitnehmen, gespickt mit schmutzigen Tricks, Lebensmittelvergiftungen und unvergesslichen Besuchen auf Toiletten, bei Ärzten und in Krankenhäusern.

Mehr gibt es hier. Dazu sei angemerkt, dass die automatische Übersetzung des hier wieder gegebenen Textes vom Original wegen des Hin- und Herübersetzens etwas abweichen könnte. Ich empfehle daher den Text im Original zu lesen.

Fotos: Dariusz Gorzinski. Maria Emelianova (Chess.com). European Chess Union (ECU).


Servicehinweis

Die Partieanalysen können heruntergeladen werden. Dafür muss man auf den hier mit einem roten Kreis markierten Button klicken.

Foto: ECU Die deutschen Frauen spielten bei der

Foto: FIDE.

Eine erfreuliche Nachricht erreicht die Schachwelt aus Norwegen. Es gibt ein neues Weltmeisterschaftsformat, das von den bekannten Organisatoren von Norway Chess in drei Disziplinen ausgerichtet werden soll. Anders als Freestyle ist das Format nicht gegen das klassische Schach konzipiert, sondern soll den Turnierkalender sinnvoll ergänzen.

Aus einer Pressemeldung des Weltschachbundes FIDE

Die neue Meisterschaft mit dem Titel „Total Chess World Championship Tour“ wird aus vier Veranstaltungen pro Jahr bestehen und einen Gesamtmeister in drei Disziplinen krönen – Schnelles Klassik, Schnellschach und Blitzschach. „Wir gehen davon aus, dass dies eine der prestigeträchtigsten Veranstaltungen im gesamten Schachkalender werden wird“, sagt Kjell Madland, CEO von Norway Chess und der neuen Meisterschaft.

Wichtige Highlights:

  • Ein brandneues Weltmeisterschaftsformat im Schach, organisiert von Norway Chess, wurde offiziell von der Internationalen Schachföderation FIDE genehmigt.
  • Die Total Chess World Championship Tour krönt einen Gesamtsieger in drei Disziplinen: Fast Classic, Rapid und Blitz. Der Gewinner wird zum FIDE-Weltmeister gekrönt.
  • Die Tour besteht aus vier Turnieren pro Jahr in verschiedenen Städten weltweit.
  • Mindestens 2,7 Millionen US-Dollar Preisgeld pro Jahr für die gesamte Tour (750.000 US-Dollar pro Veranstaltung für die ersten drei Veranstaltungen; 450.000 US-Dollar für das Finale), zuzüglich Leistungsprämien.
  • Ein Pilot-Turnier ist für Herbst 2026 geplant, die erste vollständige Meisterschaftssaison findet 2027 statt.

Die Initiative stammt von den Organisatoren des renommierten Norway Chess-Turniers, und die offizielle Vereinbarung über den Weltmeisterschaftsstatus wurde Anfang Oktober mit der Internationalen Schachföderation (FIDE) unterzeichnet. Die Vision der Total Chess World Championship Tour ist es, den Spieler zu finden, der die Disziplinen Fast Classic, Rapid und Blitz am besten beherrscht. Fast Classic ist eine Innovation des klassischen Schachs mit einer Zeitbegrenzung auf 45 Minuten plus 30 Sekunden Aufschlag pro Zug. Diese wird wie klassisches Schach gewertet.

„Wir suchen den „Total Chess Player“ – einen vielseitigen, taktisch intelligenten und technisch versierten Athleten, der sich nahtlos an verschiedene Zeitkontrollen anpassen kann“, sagt Kjell Madland.

Die Tour findet in verschiedenen Städten rund um den Globus statt, und bei der letzten Station wird der Gesamtsieger gekürt: der offizielle FIDE-Weltmeister im Kombischach. Im Herbst 2026 startet eine Pilotversion mit einem Turnier, um das neue Tourformat zu testen. Das offizielle Turnier folgt dann 2027.

„Wir möchten ein unterhaltsames Turnier mit modernster Technologie, innovativen und spannenden Fernseh- und Streaming-Übertragungen sowie schnelleren Formaten schaffen, um den Schachsport einem breiteren Publikum als je zuvor zugänglich zu machen. Wir gehen davon aus, dass dies zu einem der prestigeträchtigsten Ereignisse im gesamten Schachkalender werden wird. Wir fühlen uns sehr geehrt durch das große Vertrauen, das die FIDE in das Projekt gesetzt hat. Von Anfang an war der Verband ein aktiver und engagierter Partner und hat dafür gesorgt, dass das Projekt mit der Vision und den Standards der FIDE übereinstimmt. Wir möchten ihnen und insbesondere dem FIDE-Präsidenten für ihre enge Beteiligung und Unterstützung danken“, sagt Kjell Madland.

Preispool und Boni

Die Total Chess World Championship Tour bietet einen robusten Preispool: mindestens 750.000 US-Dollar für jede der ersten drei Veranstaltungen. Das Finale, in dem der FIDE-Weltmeister gekürt wird, ist mit mindestens 450.000 US-Dollar für vier Spieler dotiert. Zusätzliche Leistungsprämien gibt es für die höchste Punktzahl bei jedem Turnier und für die höchste Gesamtpunktzahl während der gesamten Tour.

„Für die Fans”

FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich unterstützt die Initiative nachdrücklich.

„Wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, innovativ zu sein und die Grenzen dessen, was Schach sein kann, zu erweitern. Obwohl Schach bereits eines der beliebtesten Spiele der Welt ist, ist sein Wachstumspotenzial immer noch enorm. Mit der Total Chess World Championship Tour bieten wir den Spielern einen neuen Titel, um den sie kämpfen können, und dem Publikum ein schnelleres Turnierformat. Wir hoffen, dass das Turnier sowohl die bestehenden Schachfans als auch ein neues Publikum begeistern wird“, sagt FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich.

„Wir sehen dies als eine großartige Ergänzung zur traditionellen und prestigeträchtigen Schachweltmeisterschaft, bei der wir den unangefochtenen Champion des klassischen Schachs krönen. Die Meisterschaften werden sich gegenseitig ergänzen und den Fans noch mehr Spannung bieten. Dies ist keine kurzfristige Initiative, sondern eine langfristige Vereinbarung zwischen der FIDE und Norway Chess“, fügte er hinzu.


Norway Chess lädt potenzielle Austragungsorte, Investoren und Partner ein, sich an Gesprächen über eine Teilnahme an der Total Chess World Championship zu beteiligen. Hier ein erstes Promo-Video

Fakten über Norway Chess

  • Norway Chess wurde 2013 gegründet und hat sich schnell zu einem festen Bestandteil des Elite-Schachkalenders entwickelt.
  • Es gilt als eines der renommiertesten und innovativsten internationalen Schachturniere der Welt.
  • Die Veranstaltung trug zur Professionalisierung des Schachs bei, indem sie es als modernen Sport und rentables kommerzielles Produkt behandelte.
  • Norway Chess führte das weltweit erste Frauenturnier mit einem Preisgeld in Höhe des Preises für die offenen Kategorien ein.

Fakten über die FIDE

  • Die Internationale Schachföderation (FIDE) ist der Dachverband des Schachsports und regelt alle internationalen Schachwettbewerbe.
  • Sie wurde 1999 vom Internationalen Olympischen Komitee als globale Sportorganisation anerkannt.
  • Sie wurde 1924 in Paris unter dem Motto „Gens una Sumus” (lateinisch für „Wir sind eine Familie”) gegründet und war neben den Dachverbänden für Fußball, Cricket, Schwimmen und Autorennen einer der ersten internationalen Sportverbände.
  • Heute ist sie einer der größten Verbände mit 201 Mitgliedsländern in Form von nationalen Schachverbänden.

Bemerkenswert ist: In jedem der drei Turniere sollen 24 Spieler gegeneinander antreten. Neben Einladungen für Topspieler soll ein Qualifikationsweg etabliert werden. Zudem soll die Turnierserie für die Qualifikation zum Kandidatenturnier zählen.

Fotos: FIDE, Norway Chess.

Foto: FIDE. Eine erfreuliche Nachricht erreicht die Schachwelt