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Foto: Jurriaan Hoefsmit

Die neunzehnjährige Divya Deshmukh will ihre erste Großmeisternorm erzielen. 2024 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die Inderin. Ihr Start in Wijk 2025 war nicht gelungen. Wir schauen bei den Frauen im Challengers genauer hin und beginnen mit der Inderin.

Von Thorsten Cmiel

Der Spielermix im Challengers in Wijk aan Zee verspricht jedes Jahr das Aufscheinen junger Talente. In 2025 nehmen vier spielstarke Frauen und Juniorinnen im Challengers teil. Von diesen Spielerinnen konnte bisher nur Vaishali den Großmeistertitel erringen. Die anderen drei Spielerinnen sind Internationale Meister und zumindest die zwei Jüngeren wollen den Großmeistertitel. Wie in jedem Jahr gibt es überzeugende Ergebnisse und Enttäuschungen. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass Spielerinnen und Spieler völlig unterschiedliche Turnierhälften spielen. Nach der fünften Runde stand der erste Ruhetag an und damit die erste Möglichkeit etwas genauer hinzusehen.

Runde 1Runde 2Runde 3Runde 4Runde 5ErgebnisPerformance
Deshmukh
(2490)
0.0 (w)0.5 (w)0.0 (s)1.0 (w)0.0 (s)1.5 aus 52489
Lu Miaoyi
(2429)
1.0 (w)0.5 (s)1.0 (w)0.5 (s)0.0 (w)3.0 aus 52597
Vaishali
(2476)
1.00.501.00.53.0 aus 52615
Bulmaga
(2386)
0.00.00.00.50.00,5 aus 52160

Runde 1: Divya – Yakuboeev 0-1

Das Turnier begann für Divya mit einer Niederlage gegen einen der Topfavoriten im Challengers. Nodirbek Yakuboeev ist derzeit der drittstärkste Usbeke mit einer Elozahl von 2659 Punkten. In Chennai 2022 war er Teil des usbekischen Teams, das Olympiasieger wurde. Nach der folgenden Fehlentscheidung der Inderin mit Weiß in der folgenden Stellung bekam sie keine Chance mehr auf Ausgleich.


In dieser Stellung hatte der Usbeke zuletzt seinen Springer nach f4 gezogen. Weiß kann nicht gut zweimal auf f4 schlagen, weil Schwarz seinen a-Bauern vorzöge und damit in der Folge auf b2 Material verloren geht. Die Frage, die sich Divya stellte war also, ob sie überhaupt auf f4 ihren Läufer geben sollte. Positionell ist der Tausch auf den schwarzen Feldern eine Katastrophe wie Königsindisch-Spieler beispielsweise wissen sollten. So wäre auch hier ein Entwicklungszug mit dem Springer nach c3 richtig gewesen, zumal der Läufer e2 in dieser Maroczy-Struktur tendenziell ein „schlechter“ Läufer ist. In der Folge gelang es Nodirbek seinen Läufer nach e5 zu befördern, er verbesserte seine Stellung stetig und spielte eine hervorragende und sehenswerte Partie.

Runde 2. Divya – Nguyen 0.5 – 0.5

Divya hatte zum Start zwei Partien mit Weiß. In der zweiten Runde folgte ein weiterer Turnierfavorit. Thai Dai Van Nguyen ist Großmeister aus Tschechien und wie Divyas Gegner am Tag zuvor ebenfalls Anfang Zwanzig. Die beiden begannen mit einer bekannten Sizilianischen Variante im Najdorf und Divya zögerte nicht lang und ließ sich auf entgegengesetzte Rochaden ein. Der Partieaufbau wirkte gefährlich für Weiß, aber im Nachhinein scheinen beide Seiten sehr präzise gespielt zu haben. Zum Schluss bot der Großmeister Remis an und nutzte, dass seine Gegnerin in größerer Zeitnot war. Die Schlussstellung war eher etwas besser für die Inderin.


Die kritische Stellung war nach dem achtzehnten Zug von Schwarz entstanden. Der Tscheche hatte in seinem letzten Zug den Turm von a8 nach c8 gezogen und ein Qualitätsopfer angeboten. Bis hierhin war die Partie einer Vorgängerpartie gefolgt. Tatsächlich bietet die Annahme Weiß die etwas besseren Perspektiven. Alternativ konnte Divya den Bauern auf a6 schlagen, aber das wirkt weniger attraktiv, zumal der Gegner sich freiwillig auf diese Stellung eingelassen hat. Die Inderin fand eine dritten Zug und zog ihren Doppelbauern auf der c-Linie vor. Das erwies sich aber als nicht zielführend und die Partie nivellierte sich zusehends.

Runde 3: Suleymanli – Divya 1 – 0

In der dritten Runde wurde Divya als Nachziehende mit dem Londoner System konfrontiert und es sah zunächst gut aus, aber dann kam es in der folgenden Stellung doch zu einem Problem, das die Inderin nicht ausreichend lösen konnte. Der aserbaidschanische Großmeister Aydin Suleymanli wurde 2005, also im gleichen Jahr wie Divya, geboren und befindet sich in seinem letzten Jahr als Junior. Er hatte zuvor zwei Remis gespielt und wechselte den Eröffnungszug.


Bis hierhin hatte Aydin konkret wenig erreicht, aber immerhin hatte er Divya „hängende“ Bauern angedreht. Im letzten Zug hatte er den Springer von d2 nach b1 gezogen, um den Springer nach c3 zu ziehen und mehr Druck auf das gegnerische Zentrum auszuüben. Jetzt sollte Divya am besten mit dem Vormarsch ihres f-Bauern reagieren und nach dem Zug des Springers nach c3 mit ihrem a-Bauern vorpreschen und dem Gegner einen wertlosen Doppelbauern andrehen. Danach konnte Schwarz mit dem eigenen g-Bauern angreifen und am anderen Flügel für Betrieb sorgen. Mit ungefähr gleichen Chancen. Divya verhinderte die gegnerische Springeraufstellung physisch und zog ihren eigenen Springer nach b5. Der Springer hatte allerdings Deckungsfunktionen und stabilisierte das Zentrum. Nach dem Antwortmanöver des Gegners – die weiße Dame zog zunächst nach e2 und danach nach c2 mit Doppelangriff gegen die Bauern a4 und c5 – ging ein Bauer verloren und später die Partie.

Runde 4: Divya – Gurel 1 – 0

In der vierten Runde folgte dann Divya’s Comeback gegen einen anderen Jungstar, den sechzehnjährigen türkischen Großmeister Ediz Gurel (16). Divya war wie immer in der Eröffnung gut vorbereitet und gewann in dieser vierten Runde eine von ihr gut gespielte Partie, die wir hier etwas genauer betrachten.


Runde 5: L’Ami – Divya 1 – 0

Wijk aan Zee ist wegen der traditionell langen Dauer mit dreizehn Runden für viele Teilnehmer eine Achterbahn der Gefühle und oft wechseln sich Siege und Niederlagen hintereinander ab. Für Divya ging es gegen den niederländischen Großmeister und Veteranen Erwin L’Ami genau so weiter. Die Entscheidung fiel früh in einer bekannten Stellung.



Partien zu den Diagrammen

SERVICEINFORMATION

Die Analysen und Partien können als PGN heruntergeladen werden. Dafür muss man lediglich auf den hier rot markierten Button klicken.





Mehr Informationen zum Turnier findet man auf der offiziellen Homepage des Tata Steel Turniers in Wijk aan Zee 2025. Fotos: Lennart Ootes und Jurriaan Hoefsmit für Tata Steel Chess.

Foto: Jurriaan Hoefsmit Die neunzehnjährige Divya Deshmukh will

Titelfoto: Tata Steel Chess

Der Usbeke Nodirbek Abdusattorov fegte seinen zwei Jahre jüngeren indischen Gegner mit einem ungewöhnlichen Eröffnungskonzept vom Brett. Das ganze wurde eingeleitet mit einem frischen sechsten Zug. Was steckt dahinter?

Von Thorsten Cmiel

Heutzutage führen Eröffnungsvorbereitungen auf Top-Level meist zu nicht viel mehr als Ausgleich, angenommen beide Spieler haben sich auf die gleichen Varianten vorbereitet. Wenn man das akzeptiert, wird die Vorbereitung wieder etwas entspannter als es sich viele Amateure machen. Man sucht nach einer interessanten Idee und versucht sein Glück. So einfach kann Schach sein. Dieses Konzept haben wir 2024 bei Gukesh gesehen, sowohl in Toronto beim Kandidatenturnier als auch beim Weltmeisterschaftskampf und wenn man etwas zurück schaut, dann war dieses Konzept schon 2023 ein Teil der Eröffnungsvorbereitung von Ding Liren in seinem Wettkampf mit Ian Nepomniachtchi.


Der mit Abstand wichtigste weiße Aufbau in der Vorstoßvariante gegen die Französische Verteidigung beginnt mit dem weniger stürmischen Zug des a-Bauern (6.a2-a3). Als ich die Übertragung sah, dachte ich zunächst an einen Übertragungsfehler. Das war nicht der Fall. Nodirbek hatte seinen a-Bauern aggressiv zwei Felder vorgeschoben. Was ist davon zu halten? Zunächst sichert der Zug das Feld b5 für den weißen Läufer. Aber der Zug wirkt gleichzeitig nicht sonderlich attraktiv, denn das Feld b4 wird nach Tausch der Bauern auf d4 dauerhaft geschwächt. Zunächst ist nach 6.a2-a4 der Schwarzspieler dran, eine überzeugende Aufstellung für seine Figuren zu finden. In dieser Partie gelingt das dem Inder nicht vollends überzeugend. Entschieden wird die Partie aber durch eine spätere Entscheidung.

Das ist ein Blick in die weltweit bislang wichtigste Datenbank für Schachpartien, die Chessbase Mega Database 2025. Die kennt den von Nodirbek gespielten Zug sogar. Allerdings kann man den Zug normalerweise vernachlässigen, denn wie wahrscheinlich ist es den neunthäufigsten Zug mit zudem guten Schwarzresultaten (35,8% für Weiß) vorgesetzt zu bekommen?

Schaut man in die Datenbank aller Partien bei Li-Chess, dann ist der Zug 6.a4 zwar auch noch ein relativ seltener Gast, aber dort finden sich immerhin über 250.000 Partien mit diesem Zug. Die Qualität ist natürlich nicht vergleichbar, da die meisten Partien Blitz- oder Bulletpartien sind, aber man kann davon ausgehen, dass es bei der hohen Anzahl an Partien durchaus Spezialisten gibt, welche die Variante für sich schon etwas zurecht gelegt haben. Ein Indiz für die Spielbarkeit der Variante ist die Häufigkeit schon.


Man muss wohl schon die sofortige Antwort des Inders konzeptionell hinterfragen. Leon Luke tauschte früh auf d4 die c-Bauern und eroberte so das Feld b4. Auf der anderen Seite gibt das dem Gegner die Chance seinen Springer später auf das Feld c3 zu stellen. Dort steht der Springer zwar auch oft nicht ideal, aber wenn man weiter denkt und die weißen Läufer nach b5 gestellt hat, mag es eine zusätzliche Idee sein, a4-a5 folgen zu lassen und dann könnte der Springer via a4 eine neue schwarzfeldrige Perspektive erhalten. Außerdem kann der Springer über e2 ins Spiel gebracht werden. Interessant ist, dass Mendonca in zwei Partien gegen Abdusattorov – einen Monat zuvor hatte der Usbeke den ebenfalls unüblichen Zug 6.g3 nebst Lh3 gespielt – ernsthafte Probleme bei der Aufstellung seines Königsspringers bekam.

Während Schwarzspieler heutzutage oft Lösungen für den sprichwörtlich schlechten Läufer finden und suchen, fehlt vielen Französisch-Spielern ein ähnlich ausgeprägtes Gespür für den Springer g8. gerade in der Vorstoßvariante könnte das ein wichtiger Aspekt der Eröffnungsvorbereitung sein.


In dieser Stellung sollte Schwarz kurz rochieren und danach stünde er etwas schlechter, da es im schwer fällt ausreichendes Gegenspiel zu organisieren. Ihm fehlen die Hebel. Das dürfte den Inder auf die falsche Idee gebracht haben. Wenn er lang rochiert, dann kann er eher am Königsflügel expandieren. Dieser Gedanke ist aber hier nicht ausreichend, da Weiß mit seinem Angriff viel schneller ist. Nodirbek gab nach der Partie an, dass ihn der Zug überraschte. Schaut man in die Datenbank der Online-Plattform Li-Chess, dann war erst dieser Zug neu. In dem Fall zu Recht.

Idee kurz erklärt von Nodirbek Abdusattorov


Die Eröffnungsidee 6.a4 stammt von Rustam Kasimdzhanov, ebenfalls Usbeke und in der Bundesliga aktiv. Dort hatte dieser ein noch krasseres Konzept einige Wochen zuvor selbst verwirklicht. Gegen den starken iranischen Großmeister Tabatabaei hatte „Kasim“ seinen neuen Lieblingszug bereits im zweiten Zug auf das Brett gestellt. Das dürfte Nodirbek noch motiviert haben.


Titelfoto: Tata Steel Chess Der Usbeke Nodirbek Abdusattorov

Von Thorsten Cmiel

Der Konflikt zwischen dem Weltschachbund und den privaten Initiatoren der Freestyle-Serie nimmt Konturen an. In ihrem Statement spricht die FIDE vom Projekt „Freestyle Chess“. Eine Weltmeisterschaft dürfen Spieler und Jan Henric Buettner nicht veranstalten. Sie könnten das Event anders nennen.

Zuletzt hatte Vishwanathan Anand seine Teilnahme an dem ersten Event der Freestyle Tour in Weissenhaus abgesagt. Das könnte miteinander zusammen hängen. Der mediale Auftritt von Magnus Carlsen in New York war zudem nicht dazu geeignet, die Wogen zu glätten. Im Gegenteil.

Die FIDE hatte schon in der Vergangenheit anderen Akteuren (Chess.com) das Verwenden der Bezeichnung „Weltmeisterschaft“ untersagt. Es ist nicht verständlich warum die Organisatoren der Freestyle Tour um Buettner und Carlsen diesen Konflikt herbeigeführt und geschürt haben. Die FIDE verteidigt Standards und verweist selbst auf vergangene Konflikte, die in der Schachwelt zu einer Spaltung geführt hatten. Gemeint ist der Versuch von Garry Kasparow und Nigel Short, die 1993 die Professional Chess Association (PCA) gründeten. 1996 gab die PCA auf. 1998 versuchte Kasparow eine andere Organisation zu etablieren und scheiterte erneut. Diese Episode ist für die FIDE ein Art Trauma und war der Beginn von rivalisierendem Weltmeisterschaften.

Interessanterweise versuchten zwei spätere Vizepräsidenten der FIDE, Short und Anand, gegen Kasparow zu gewinnen, scheiterten allerdings 1993 in London und 1995 in New York. Immerhin bemühte sich die PCA eigene Qualifikationen durchzuführen. Die PCA scheiterte letztlich aufgrund fehlender Unterstützung durch Sponsoren und deren Gründung wurde später von Kasparow selbst als Fehler bezeichnet.

FIDE Statement

In seinem Statement vom 21. Januar 2025 äußert sich der Weltschachbund unmissverständlich: Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura und der sich selbst organisierte lose Verbund von Schachprofis „Freestyle Chess Players Club“ („FCPC“) dürfen keinen Weltmeister ausspielen. Wer sich nicht daran hält, riskiert die Teilnahme an der regulären Weltmeisterschaft.


Im Wortlaut erklärt die FIDE Folgendes (hier in deutscher Übersetzung):

Der Internationale Schachverband (FIDE) ist der einzige international anerkannte Schachverband (insbesondere vom Internationalen Olympischen Komitee), der alle offiziellen internationalen Schachwettbewerbe regelt. Wir waren zwar immer offen für die Zusammenarbeit mit privaten Organisationen und Initiativen in der Schachgemeinschaft, aber die FIDE behält ihre oberste Rolle in Bezug auf die Regeln, Titel und Bewertungen. Der Status und die globale Verantwortung der FIDE gegenüber der Schachgemeinschaft sind eindeutig und nicht verhandelbar.


Die FIDE hat nichts gegen kommerzielle Plattformen, Projekte oder privat geführte Clubs wie den FCPC, die mit Spielern in eigener Verantwortung zusammenarbeiten. Die Versuche des FCPC, ihr Projekt als Weltmeisterschaft zu präsentieren, stehen jedoch im Widerspruch zum etablierten Status der FIDE und ihrer Autorität über die Weltmeistertitel in allen relevanten Schachvarianten – einschließlich Chess960/Freestyle-Schach, wie im FIDE-Handbuch dargelegt.
Darüber hinaus gefährdet die von der FCPC angenommene Verhaltensrichtlinie die Erfüllung der bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der Spieler gegenüber der FIDE.


Die vom FCPC-Projekt unternommenen Schritte führen unweigerlich zu Spaltungen in der Schachwelt – und wir erinnern uns nur allzu gut an die unglücklichen Folgen einer ähnlichen Spaltung, die sich in nicht allzu ferner Vergangenheit ereignet hat.
Obwohl der formelle Status der Freestyle-Chess-Serie 2025 noch nicht festgelegt ist, möchte die FIDE sicherstellen, dass alle Spieler ihre Zeitpläne für 2025 planen können. Aus diesem Grund hat die FIDE aus Kulanzgründen und um den Spielern für die unmittelbare Zukunft ausreichend Sicherheit zu bieten, beschlossen, die Freestyle-Schachserie 2025 in den Kalender aufzunehmen und von der Berufung auf relevante Rechtsklauseln in zuvor unterzeichneten Verträgen über die Teilnahme von Spielern an Freestyle-Veranstaltungen im Jahr 2025 abzusehen.


Dennoch behält die FIDE alle ihre gesetzlichen Rechte in Bezug auf den Weltmeistertitel und wird bereit sein, Organisatoren und Initiatoren jeglicher Serien, die sich ohne Zustimmung der FIDE als „Weltmeisterschaft“ bezeichnen, zu verklagen.
Wir sind offen für Gespräche und freuen uns auf eine für beide Seiten akzeptable Einigung, vorausgesetzt, die Führungsrolle und die etablierte Autorität der FIDE über die Weltmeisterschaften werden von potenziellen Partnern respektiert.
Sollte eine solche Vereinbarung nicht zustande kommen, fordert die FIDE, dass die Freestyle-Serie nicht den Status einer „Weltmeisterschaft“ trägt. Die FIDE wird nicht zögern, alle rechtlichen Mittel gegen diejenigen einzusetzen, die ihre Rechte verletzen – seien es Initiatoren, Organisatoren und/oder Investoren des Projekts.


Da der Weltmeisterschaftszyklus 2025-2026 bereits begonnen hat, wird von allen qualifizierten Spielern erwartet, dass sie einen zusätzlichen Vertrag unterzeichnen, der eine Klausel enthält, die besagt, dass die Teilnahme an alternativen Schachweltmeisterschaften in einer von der FIDE nicht genehmigten Schachvariante (mit Ausnahme der Freestyle-Tour 2025) zum Ausschluss aus den beiden aufeinanderfolgenden FIDE-Weltmeisterschaftszyklen führt.


Als Teil der Verträge verpflichtet sich die FIDE, die Zyklusveranstaltungen auf höchstem Niveau mit deutlich höheren Preisgeldern durchzuführen – die Termine und Orte dieser Veranstaltungen werden im FIDE-Kalender veröffentlicht.

Die Original-Nachricht (englisch)

Mehr Texte zum Konflikt in New York

Von Thorsten Cmiel Der Konflikt zwischen dem Weltschachbund

Historisches Foto

Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.


1. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Eine kleine Kombination zweier Motive entscheidet. Zunächst wird die Dame abgelenkt, indem Weiß mit dem Turm auf e5 nimmt. Schwarz nimmt den Turm weg und Weiß zieht seinen König nach a3 und die Drohung b3-b4 kann nicht mehr gut abgewehrt werden.


2. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Der Schlüsselzug ist der hübsche Zug mit der Dame nach g6. Danach kann Schwarz das Matt nicht mehr abwenden. Zunächst droht die Dame auf g7 den Gegner Matt zu setzen. Schlägt Schwarz die gegnerische Dame mit seinem f7-Bauern steigt der Turm auf der siebten Reihe groß ein und schlägt auf g7 mit Schachgebot. Danach zieht der Springer nach g6 und beendet die Partie.


3. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Weiß gewinnt Material, indem er er mit einem Turm den Läufer auf d4 wegnimmt, nach zweimaligem Nehmen hängt der Turm auf d8 und auch die Dame auf f5. Schlägt Schwarz die Dame auf c2, antwortet Weiß mit dem Schlagen des Turmes auf d8 mit Schachgebot. Danach folgt das Läuferschach auf d3 mit Rückeroberung der Dame.


4. Aufgabe: Schwarz ist am Zuge

Beide Spieler hatten bis hierhin einige Chancen ausgelassen. Zuletzt hatte Anish Giri sehr stark aufgespielt und stand hier in der Tat auf Gewinn. Allerdings musste er den hier gefragten Schlüsselzug finden: Die richtige Idee bestand in dem Zug mit dem Springer nach g4. Das deckt den Läufer auf h6 und droht gleichzeitig Matt auf g2. Weiß hat danach keine ausreichende Antwort mehr.


Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Historisches Foto Von Thorsten Cmiel Die Idee der Lasker

Titelfoto: Lennart Ootes

Man weiß nicht warum Praggnanandhaa, kurz Pragg, manchmal wüste Varianten spielt wie in der ersten Runde in Wijk aan Zee gegen Nodirbek Abdusattorov und dann folgen plötzlich zwei herausragende Positionspartien gegen den Endspielspezialisten Pentala Harikrishna und in der dritten Runde gegen Arjun Erigaisi. Von einem Suchenden.

Von Thorsten Cmiel

Beginnen wir unsere Betrachtungen auf dem Brett mit dem entscheidenden Moment aus der zweiten Runde. Die beiden Inder hatten schon über fünf Stunden gespielt und hier war zunächst eine Entscheidung des älteren Inders gefragt.


Diese Stellung stammt aus der Partie Harikrishna – Praggnanandhaa aus der zweiten Runde bei Tata Steel Masters in Wijk aan Zee. Nach langem intensivem Kampf entscheidet im Schach etwa gleich starker Gegner meist der letzte Fehler über den Sieger. In dieser Stellung sollte Pentala Harikrishna die Türme auf c6 tauschen und trotz des einen Bauern weniger kann er die Stellung halten, vorausgesetzt, er findet die richtige Idee und die war nicht einfach zu entdecken. Das zeigt die Analyse. Das Endspiel ist auch danach noch sehr lehrreich und zeigt einige interessante Momente, die anzuschauen lohnen.


Runde 3: Praggnanandhaa gegen Erigaisi

Die beiden Inder sind gute Freunde und haben zusammen mit Pentala Harikrishna, Vidit und Gukesh mit der indischen Nationalmannschaft in Budapest Gold bei der Schacholympiade gewonnen. Auf dem Brett zählt das nicht und die Partien der Inder untereinander gehören meist zu den am härtesten umkämpften Partien überhaupt. So war es auch diesmal.


Pragg war von der Eröffnungswahl seines Gegners überrascht und spielte in dieser Standardstellung der Katalanischen Eröffnung einen selten gespielten Zug, den Boris Gelfand, einer der Mentoren der WACA, das ist die Westbridge Anand Chess Academy, die indische Kaderschmiede, 2009 bei seiner Partie im World Cup gegen Ruslan Ponomariov probierte. Praggnanandhaa zog hier seinen Springer nach e1. Der strebt von hier auf das schöne Feld d3. Es kann also sein, dass beide Spieler die Partie irgendwie kannten, aber dann wurde es doch anders. Pragg gelang es letztlich einen ordentlichen positionellen Vorteil zu erwirtschaften und Arjun nach einigen kleinen Ungenauigkeiten scheinbar leicht zu überspielen. Tatsächlich war es harte Arbeit.


In dieser Stellung musste Arjun eine Entscheidung treffen. Soll er den Läufer tauschen oder soll er diesen Tausch vermeiden? Tatsächlich überrascht die Entscheidung des etwas älteren Inders: Er zog hier seinen König nach f8, um die schwarzen Felder mit seinem König zu verteidigen. Besser war es stattdessen seinen Läufer mit dem Rückzug nach d8 zu erhalten und diesen zu nutzen, um die schwarzen Felder besser verteidigen zu können. Wir reden hier von kleinsten Nuancen wie sie die historisch stärksten Positionsspieler wie Boris Gelfand, Anatoly Karpov oder Magnus Carlsen in ihren Partien zu nutzen versuchten.


Hier konnte Pragg kurz darauf die Partie praktisch entscheiden. Er fand nicht den besten Zug, der die Partie nach einer weiteren Ungenauigkeit seines Gegners im Zug zuvor bereits frühzeitig hätte entscheiden können. Grundsätzlich ist es gut gegnerischen Schwächen früh zu fixieren. Um das zu erreichen wäre hier der Turmzug nach a6 sehr stark gewesen. Pragg verpasste diese frühe Chance und die Partie ging munter weiter. Dabei zeigte der Junge aus Chennai großen Kampfgeist, konnte aber seinen Vorteil nur auf symbolischem Niveau halten.


Pragg hatte das frühe Fixieren des gegnerischen a-Bauern verpasst und es war an Arjun in dieser Stellung mit Schwarz den wünschenswerten Vorstoß mit seinem a-Bauern zu vollziehen, der die Schwäche des gegnerischen c-Bauern offen gelegt hätte. Es ist nicht selten, dass Spieler Möglichkeiten auslassen, die sich ihnen mehrfach bieten. Das liegt dann oft an einer grundsätzlich leicht fehlerhaften Einschätzung. Die gleiche Ursache kann man in der Partie aus der zweiten Runde gegen Harikrishna entdecken. So passierte es hier erneut, Arjun verpasste eine Chance sich besser zu wehren und Pragg gewann letztlich eine insgesamt hervorragende Positionspartie.


Quo vadis Pragg?

Praggnanandhaa startet in Wijk meist sehr gut, um dann in der zweiten Hälfte des Turniers etwas abzubauen. Das mag an seiner Konstitution liegen, aber wie er selbst im folgenden Interview nach der Partie gegen Arjun erwähnt, hat er sich auch körperlich weiter entwickelt. Seine Fähigkeiten in Interviews nach der Partie sind ebenfalls im letzten Jahr besser geworden. An der Stelle war ihm der ein Jahr jüngere Gukesh voraus. Jetzt muss Praggnanandhaa nur noch seine eigenen Spielstil finden, oder besser eine bessere Balance der Spielweisen. Denn ein kompletter Spieler wird nicht nur als Positionsspieler durchkommen. Im letzten Jahr sah es zu Jahresbeginn so aus als würde Pragg den Weg eines reinen Positionsspielers einschlagen. Dann kam das Kandidatenturnier und der Junge aus Chennai spielte lange eher unwirkliche Maschinenvarianten, die ihm gelegentlich zum Verhängnis wurden, teilweise wegen seiner Unerfahrenheit verhedderte er sich. Erinnert sei an seine frühe Niederlage gegen Gukesh aus der zweiten Runde. Gegen Vidit funktionierte sein etwas unsolides Spiel dann hervorragend, aber mit seiner Gewinnstellung gegen Nepomniachtchi kam Pragg dann überhaupt nicht klar, verpasste eine Chance und beendete das Kandidatenturnier in Toronto mit fünfzig Prozent das war aus Sicht seiner Fans sicherlich etwas enttäuschend. Bei der Schacholympiade in Budapest spielte Pragg am zweiten Brett ebenfalls leicht unter den Erwartungen im überragenden Team der Inder. Jetzt ist Pragg zurück in Wijk und kann eine neue Richtung einschlagen.

Nach drei Runden führt Praggnanandhaa zusammen mit Nodirbek Abdusattorov das Feld mit 2,5 Punkten an.


Titelfoto: Lennart Ootes Man weiß nicht warum Praggnanandhaa,

Historisches Foto

Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.


1. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Schwarz bedroht den Gegner massiv auf der c-Linie. Was kann Weiß noch tun? Gefunden habe ich diese Aufgabe bei Susan Polgar auf ihrem Twitter Account.


2. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Ein Klassiker. Gespielt 1961 im Finale eine Sowjetmeisterschaft in Moskau. Nicht allzu schwierig, aber wir müssen uns herantasten an dickere Bretter.


3. Aufgabe: Weiß ist am Zuge.

Zuletzt hatte die Rumänin Irina Bulmaga (32) gegen den jungen türkischen Großmeister (17) ihre Dame nach f5 gezogen. Was ist davon zu halten?


4. Aufgabe: Schwarz ist am Zuge

Diese Stellung ist frisch, aber schachhistorisch durchaus relevant. Der amtierende Weltmeister hatte trotz oder wegen einer kurzfristigen Anreise eine dramatische Partie in der ersten Runde in Wijk 2025 gegen Anish Giri zugelassen und stand hier mehr als stark gefährdet. Was sollte Weiß hier spielen? 40 Sekunden hatte der Niederländer und scheiterte. Das könnt ihr besser.

Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Historisches Foto Von Thorsten Cmiel Die Idee der Lasker

Leon Luke Mendonca in 2024 (Foto Dariusz Gorzinski)

Beim Schach geht es um ständiges Lernen. Wegen der größeren Spielstärkeunterschiede sind oft die Partien in der Gruppe der Challenger spannender. Aber bei den „Großen“ ging es 2025 in der ersten Runde ebenfalls heiß her.

Von Thorsten Cmiel

In der Erstrundenpartie zwischen Leon Luke Mendonca, dem indischen Vorjahresgewinner der Challenger, und Vincent Keymer, dem stärksten deutschen Spieler, kam eine zunächst sehr scharfe Variante auf den Tisch und beide Spieler zeigten sich gut vorbereitet. Die Stellung kann nach der Eröffnungsphase als gleichstehend bezeichnet werden, wobei Keymer mehr Zeit verbrauchte. Kritisch wurde es dann zunächst an dieser Stelle.


Hier war der Deutsche mit Schwarz am Zuge und trifft eine merkwürdige Entscheidung. Schwarz sucht nach Aktivität und entscheidet sich einen Turm nach e6 zu ziehen, mit den Zielfeldern g6 und h6. Nur welchen Turm soll er bringen? Die Sache scheint eigentlich recht einfach. Keymer entschied sich dennoch falsch. Wobei man durchaus genauer hinschauen sollte, bevor man ein zu vernichtendes Urteil fällt. Die richtige Antwort war: Der Turm auf der 5. Reihe steht aktiver als der auf der achten Reihe, daher war es die logische Wahl den Turm von der achten Reihe nach e6 zu ziehen. Ein anderes und wichtigeres Argument ist etwas um die Ecke gedacht. Was war der Nachteil, den der Rückzug des Turmes mit sich bringt? Weiß kann einfacher seinen c-Bauern nach vorne ziehen. Auch nach dem anderen Turmzug war weißes c4-c5 richtig, um den eigenen Läufer zu aktivieren, aber Schwarz konnte dann den Bauern einfach schlagen und die Stellung in seichtere Gewässer überführen.


Der Inder hatte zuletzt richtigerweise den c-Bauern vorgezogen und droht jetzt mit c5-c6 den gegnerischen Läufer auszuschließen. Erneut ist Vincent Keymer dran und muss sich für ein Feld für seinen Läufer entscheiden. Er entschied sich für das Feld e4 von dem er den Bauern f5 deckt. Die Alternative war das Feld d5, um ein Aktivieren der gegnerischen Dame zu unterbinden. Schwarz konnte jetzt mit der sozusagen umgekehrten Denkweise seinen besten Zug finden: Welchen Nachteil hatte der letzte Zug meines Gegners? Leon Luke entschied sich richtig und zog seine Dame nach c4 und fesselte den gegnerischen Turm auf e6.


Weiß kann hier einen Bauern auf f5 schlagen und die fehlende Deckung der Dame auf h4 nutzen, oder er kann seinen c-Bauern weiter auf Reisen schicken und so die Koordination im gegnerischen Lager stören. Schwarz muss mit seiner Dame den Turm auf e6 decken, um den Turm auf der Grundreihe gegen den gegnerischen c-Bauern einsetzen zu können. Mit ausreichender Denkdisziplin hätte der Inder den Bauern auf f5 nicht geschlagen. Erneut konnte Schwarz den Nachteil dieses Manövers ermitteln. Er tat es nicht und zeigte sich maximal gierig und nahm den Bauern auf f5.


Eine weitere Stellung mit der wir uns zunächst beschäftigen sollten: Leon Luke fühlt sich von der gegnerischen Dame auf g4 gestört und wollte diese daher zunächst vertreiben. Aber wie macht man das am einfachsten? Bei sofortigem Anrempeln mit dem h-Bauern konnte Schwarz mit seiner Dame nach g3 ziehen und steht da recht störend, da der weiße König danach den eigenen Turm auf f2 gedeckt halten musste. Weiß steht dann zumindest potentiell auf der Grundreihe gefährdet, auch wenn Weiß zunächst seinen König wegziehen musste und der Läufer auf e4 ebenfalls im Weg steht. Der indische Großmeister investierte zehn seiner verbliebenen 24 Minuten Restbedenkzeit und fand nichts besseres als seinen h-Bauern nach h3 vorzuschieben. Mit dem Gedanken der gegnerischen Antwort im Kopf wäre er vielleicht auf den sehr starken Läuferzug nach e5 gekommen. Das nutzt die Fesselwirkung der Dame auf c4 aus und manifestiert die weiße Überlegenheit.


Fazit

Das Prinzip Drawback ist eine systematische Denkhilfe. Dabei überlegt man sich welchen Nachteil haben meine oder die gegnerischen Züge. Dieses Denken hatte die Partiefortsetzung in der Partie weiter prägen sollen. 24.c4-c5 und einen Zug später der Zug der Dame nach c4 waren solche Züge. Im 28. Zug konnte Weiß bei disziplinierter Herangehensweise (Drawback) den richtigen Zug seines Läufers nach e5 finden. Am Ende entschied ein grober taktischer Fehler die Partie recht abrupt.


Der Moment beim zweiten schlechten Zug von Keymer hintereinander.

Leon Luke Mendonca in 2024 (Foto Dariusz

Wenn man sich mit dem erfolgreichsten deutschen Schachspieler der Nachkriegsgeschichte beschäftigt, stößt man auf Widersprüche. Auf dem Schachbrett und nebendran. Eine nicht nur schachliche Spurensuche.

Von Thorsten Cmiel

Ich erlebte Robert Hübner zuletzt in seinen späten Jahren bei Vorträgen der Deutschen Seniorenmeisterschaften in Bad Wildungen. Zuletzt wirkte er etwas abgemagert, aber ohne den Hinweis im Frühherbst 2024, dass Robert Hübner an einer Krebserkrankung laboriere, es wäre mir nicht aufgefallen. Hartmut Metz erinnerte für Chessbase an die Veranstaltungen und verfasste für die taz einen Nachruf.

Robert Hübner wirkte auf mich immer wie der Antiheld. Er prägte zumindest in Deutschland das Bild das von Schachspielern in der Öffentlichkeit jahrzehntelang gezeichnet wurde und keinesfalls positiv besetzt war: Schachspieler sind eher schrullige, meist introvertierte Typen, die komplett verkopft und überaus intelligent sind. Nichts davon hat mit der Realität zu tun. Aber auf den Doktor trafen manche dieser stereotypen Eigenschaften tatsächlich zu. Auch wenn das nur an der Oberfläche kratzt.

Der späte Robert Hübner erklärte, dass ihm das Übersetzen alter Schriften mehr Spaß bereite als das Schachspiel. Ob das für den jungen Hübner schon so stimmte, darf bezweifelt werden, denn immerhin gab er vor Meran 1980 seinen akademischen Job als Papyrologe auf und konzentrierte sich ganz auf das Schachspiel. Außerdem unternahm er viele Versuche, einen Kampf um die Weltmeisterschaft zu erreichen: Robert Hübner nahm an sechs WM-Zyklen teil. Beim Kandidatenfinale 1980 in Meran war er sogar nah dran. Zuvor hatte der Deutsche die Ungarn András Adorjan (1950 – 2023) und Lajos Portisch (*1937) geschlagen. Drama war bei Robert Hübner immer irgendwie. Aber davon später mehr. Beginnen wir einige Erinnerungen an den „Doc“, wie einige ihn nannten, mit etwas Statistik und interessanten Momenten auf dem Schachbrett gegen andere Topspieler seiner Zeit.


Die Grafik (erstellt mit Chessbase) zeigt die Eloentwicklung von Robert Hübner seit Einführung der Elozahlen. Der Kölner war rund um seinen zweiten Anlauf auf die Weltmeisterschaft 1980 auf dem Höhepunkt seines Wirkens am Schachbrett. Er erreichte hinter Karpow und Kortschnoj kurzzeitig den dritten Rang in der Weltrangliste. Die Elozahlen waren damals noch niedriger und müssen daher in ihrer Zeit betrachtet werden. Im Oktober 2005 hatte der Doc noch eine Elo von 2637 und war die Nummer 71 in der Welt. Er spielte aber kaum noch.


Robert Hübner: Sechs Anläufe zur Schachweltmeisterschaft

InterzonenturnierPlatzKandidatenkämpfeKandidatenfinale
Palma de Mallorca 19702. – 4.Petrosjan (QF)
Leningrad 19735. – 6.
Biel 19765. – 7.
Rio de Janeiro1. – 3.Adorján (QF) Portisch (SF)Kortschnoj (Finale)
Smyslow (QF)Hübner war als Finalist qualifiziert für Kandidatenwettkämpfe.
Manila 19905. – 11. (Swiss)Timman (QF)

Robert Hübner und Tigran Petrosjan

Tigran Petrosjan wurde 1929 in Tiflis, im heutigen Georgien geboren. Berichten zufolge war der junge Tigran wegen einer Mittelohrentzündung während des zweiten Weltkriegs auf einem Ohr taub. Ein Detail, das später eine Rolle in der Schachwelt spielte. Als Vollwaise zog Petrosjan nach dem zweiten Weltkrieg nach Jerewan. 1963 gewann Petrosjan seinen WM-Kampf gegen Mikhail Botwinnik und verteidigte diesen 1966 zunächst gegen Boris Spassky, der ihm drei Jahre später den Titel dann abnahm. Petrosjan war zudem einer der erfolgreichsten Spieler bei Schacholympiaden.

Tigran Petrosjan starb 1984 mit 55 Jahren in Moskau. Petrosjan war Berichten zufolge an Magenkrebs erkrankt und hatte vorher stark abgenommen. Petrosjan ist inzwischen eine Art armenischer Nationalheld und seit 2018 findet sich sein Abbild auf einer armenischen Banknote.


Diese Stellung stammt aus der Partie von Robert Hübner und dem Exweltmeister Tigran Petrosjan bei der Schacholympiade 1972 in Skopje. Die Partie wurde in manchen Nachrufen ohne weiteren Kommentar mit dem Ergebnis, Weiß gewann (1-0), angegeben. Ist das ein Fehler beim Ergebnis? Verstehe ich überhaupt nichts vom Spiel? Die Stellung ist eindeutig ausgeglichen. Ich prüfte das Ergebnis also nach und tatsächlich Hübner holte einen vollen Punkt gegen das Team der Sowjets. Aber was war passiert, fehlten Züge? Der Kampf ging übrigens trotz dieses Punktes mit anderthalb zu zweieinhalb für das deutsche Team verloren.

Bei der Suche nach den Hintergründen entdeckte ich den hervorragenden Artikel von Johannes Fischer aus dem kulturellen Schachmagazin Karl. Johannes ist gebürtiger Hamburger, studierte Literatur in Frankfurt und arbeitet jetzt als Redakteur bei ChessBase. In dem Text beschäftigte er sich mit dem Olympiaspieler Tigran Petrosjan und die Partie aus Skopje fand dort ebenfalls eine Erwähnung. Zu der obigen Stellung schreibt Johannes: „Mit seinem letzten Zug (37…Td8xd6) überschritt Petrosjan die Zeit. Nach 38.Txa5 Tb6 nebst 39…b3 ist die Stellung Remis. Dann zitiert er Raj Tischbierek und der schrieb dazu:

Bei dem in Skopje verwendeten Uhrentyp fiel das Blättchen scheinbar eine Minute vor Ablauf der Zeit. Als Petrosjans diesbezüglicher Protest vom Schiedsrichter abgewiesen wurde, warf er die Uhr empört auf das Brett.

Dieses kleine Rätsel um die einzige Niederlage von Petrosjan bei einer Schacholympiade scheint also gelöst. Johannes schrieb mir, dass ein Foto von Petrosjan existiere, wie dieser die Uhr verärgert auf den Tisch wirft, aber er habe es nicht finden können. Ich suchte auch etwas im weltweiten Netz, aber wurde ebenfalls nicht fündig. Schade. Zur Illustration wählte ich stattdessen das obige Foto aus Wijk an Zee aus. Es stammt wie andere Fotos – oft ohne Angabe des Namens eines Fotografen – in diesem Artikel aus einem Niederländischen Nationalarchiv, ANEFO.

Kandidatenviertelfinale Sevilla 1971

Aus schachhistorischer Sicht bemerkenswerter war sicherlich der erste Kandidatenwettkampf für den der deutsche Großmeister sich qualifizierte. Das Viertelfinale zwischen Hübner und Petrosjan fand 1971 in Sevilla statt. In diesem Wettkampf wurde Hübner Berichten zufolge durch Lärm gestört, der im Turniersaal herrschte. Die dazugehörige Geschichte lautet, dass der schwerhörige Petrosjan sein Hörgerät abstellen konnte. Hübner litt stärker unter den Umständen und fühlte sich benachteiligt. Nach der verlorenen siebten Partie brach der Deutsche den auf zehn Partien angelegten Wettkampf ab. Bis dahin waren sämtliche anderen Partien im Kandidatenwettkampf Remis ausgegangen – mit Vorteilen Petrosjan. Sogar die New York Times berichtete einen Monat später über den Abbruch. Erinnert wurde daran, dass Hübner schon vor dem Wettkampfort Sevilla abgelehnt habe – mit der fadenscheinigen Begründung, dass Petrosjan klimatische Vorteile hatte.

Ich beendete den Kampf seinerzeit, weil ich der Auffassung war, dass sich Petrosjan, der Schiedsrichter und die Organisatoren unkorrekt gegen mich verhielten.

(Robert Hübner in: DER SPIEGEL 5/1981)


Auch der Ausgang dieser Partie kommt überraschend. Die Angaben im Bulletin zum Wettkampf waren allerdings öfters fehlerhaft. Weiß kann hier mit seiner Dame nicht einfach nach e2 ziehen, da Schwarz mit dem Läufer ein unangenehmes Schach auf e5 geben würde. Der richtige Zug war hier mit dem Turm nach b4 zu ziehen und die gegnerische Dame zu attackieren. Die zieht nach d3 und wird getauscht. Danach sollte keine Seite größere Schwierigkeiten haben, die Stellung im Gleichgewicht zu halten. Hübner spielte allerdings viel schlechter und zog seine Dame nach c2. Tigran Petrosjan dürfte überrascht gewesen sein und nahm die Figur auf e1 weg. Einen Zug später gab Hübner auf. Der grobe Fehler in der betrachteten Stellung war also der vorletzte Zug des Wettkampfes in Sevilla.

Robert Hübner spielte laut Datenbank 14 Partien gegen Tigran Petrosjan. Seine fünf Schwarzpartien remisierte der deutsche Großmeister, während er mit Weiß nur die eine Partie in Skopje 1972 gewinnen konnte und zwei Partien verlor. Dramatisch und komplett unverständlich war ebenfalls Hübners Niederlage gegen Petrosjan beim Interzonenturnier 1976 in Biel. Ein absurder Moment, der die Schachhistorie ebenfalls beeinflusste.


Der deutsche Großmeister sollte hier mit seiner Dame auf e8 einen einfachen Mattangriff einleiten, der zumindest die gegnerische Dame erobert hätte. Robert Hübner deckte stattdessen mit seinem nächsten Zug den Bauern f4, den Petrosjan einfach mit dem Springer wegnahm und die Stellung zunächst ausglich. Kurz danach gewann Petrosjan sogar noch. Letztlich verpasste Robert Hübner mit 11,5 aus 19 vor allem wegen dieser einen Partie aus der vorletzten Runde den Einzug in die Kandidatenwettkämpfe, wohingegen Tigran Petrosjan sich später mit zwölf Punkten in einem Stichkampf im italienischen Varese gegen Portisch und Tal durchsetzen konnte. Petrosjan unterlag dann später Viktor Kortschnoj im Viertelfinale. Der wiederum gewann weiter und verlor gegen Karpow 1978 im philippinischen Baguio City. Robert Hübner hatte seine zweite Chance auf einen Anlauf zur Schachweltmeisterschaft verpasst.

Wie ein Schüler, der, vom Lehrer aufgerufen, eine geometrische Aufgabe zu lösen, auf die Tafel starrt: Die Kreidezeichen verschwimmen vor seinen Augen, während die Klassenkameraden fröhlich lärmen; einige bewerfen sich mit Papierkügelchen, andere flüstern sich die Lösung der Aufgabe, über ihre Leichtigkeit kichernd, zu — so glotzte der Führer der weißen Steine glanzlosen Auges auf die Stellung, während die Zuschauer rumorten. Robert Hübner über diese Situation. Zitiert nach: Jetzt oder nie. DER SPIEGEL 46/1979.

Angesichts der Dramatik dieser drei Partien ist es schwierig eine Einschätzung vorzunehmen, ob Petrosjan dem Deutschen als Gegner nicht gelegen hat. Robert Hübner scheint sich in den Partien gegen den Armenier jedenfalls weitgehend selbst geschlagen zu haben. Dieses scheinbare Muster ist in Hübners Wirken auf dem Brett häufiger zu entdecken.


Robert Hübner und Viktor Kortschnoj

1980 war Hübner näher dran am Wettkampf um die Schachweltmeisterschaft als jemals zuvor oder später wieder. Die wahren Hintergründe die in der zweitgrößten Stadt Südtirols die Schachwelt erschütterten sind bis heute nicht restlos bekannt und daran ist Robert Hübner selbst nicht ganz unschuldig. Nach dem frühzeitigen Ende des Wettkampfes, Robert Hübner war nach der zehnten Runde bei zwei noch offenen Partien und einem Punkt Rückstand abgereist, erklärte Hübner sich nicht. Später gab er dem Spiegel ein denkwürdiges Interview, das die Spekulationen um den Abbruch weiter anheizte. Aber bleiben wir zunächst bei Hübners Bilanz auf dem Brett gegen Viktor Lvovich Kortschnoj (1931 – 2016). Die Megadatabase kennt 56 Partien der beiden Spieler inklusive weniger Schnellschachpartien gegeneinander – ohne zwei abgebrochene und nie beendete Partien in Meran. Damit war der spätere schweizerische Dissident, der in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg geboren wurde, der Gegner mit dem Robert Hübner am zweithäufigsten gespielt hat. Nur gegen den niederländischen Großmeister Jan Timman finden sich mit 60 Partien mehr Begegnungen in den Datenbanken. Gegen Kortschnoj ist die Bilanz des deutschen Großmeisters leicht positiv. Nur 25 Partien der beiden Kontrahenten endeten Remis.

Wer mehr über Viktor Kortschnoj wissen will, dem sei der Text von André Schulz empfohlen, der zum Zum 80. Geburtstag das Leben von Kortschnoj nachzeichnete.

Die ersten zwei Partien der beiden verlor Robert Hübner in Wijk aan Zee 1971 und beim Interzonenturnier in Leningrad 1973. Kortschnoj und Karpov gewannen das Turnier in Leningrad und qualifizierten sich zusammen mit dem US-Amerikaner Robert Byrne (1928 – 2013) für die Kandidatenkämpfe. 1973 gab es ein Trainingsmatch mit Hübner und Kortschnoj in Solingen, das ebenfalls von Viktor dominiert wurde. Eine positionelle Demonstration war die insgesamt dritte Partie der beiden Kontrahenten, die hier eine Drachenvariante mit vertauschten Farben spielten.


In dieser Stellung zog Viktor Kortschnoj seinen Turm im 21. Zug nach a7. Ein Standardmanöver in diesem Stellungstyp des „Drachentöters“. Der Turm soll nach e7 gebracht werden und so gegen den rückständigen Bauern auf e2 wirken. Nach möglicher weiterer Vorbereitung wird Schwarz den Springer auf e4 verjagen und bei stabiler eigener Zentrumskontrolle am Königsflügel aktiv werden. Die Partie ist insofern beeindruckend als Kortschnoj die Stellung gezielt anstrebte und Hübner früh überfordert wirkte. Zum Ende des Kampfes stabilisierte sich Robert Hübner und verlor den achtrundigen Kampf nur knapp (3.5 – 4.5). Es folgte eine längere Periode in der Hübner laut Datenbank nicht gegen Kortschnoj spielte. Bis Meran 1980.

Kandidatenfinale Meran 1980

Im Mittelpunkt der Begegnungen beider Spieler stand natürlich der Wettkampf in Meran 1980. Vorgesehen waren eigentlich 16 Partien. Die zehnte Partie stand etwas besser für Kortschnoj.

Der Wettkampf in Meran begann 1980 zur Weihnachtszeit und endete 1981. Michael Dombrowsky beschrieb 2016 für Chessbase die Stimmung im Lager von Robert Hübner, die nicht sonderlich gut ausfiel. Der größte Störenfried scheint Hübners damaliger Manager Wilfried Hilgert gewesen zu sein. Der Schachjournalist Stefan Löffler formulierte 2025 in seiner FAZ-Kolumne so: „Dort versagte Hilgert als Delegationsleiter. Er schaffte es nicht, seinen Spieler vor den Reportern abzuschotten, und vergiftete die Atmosphäre mit wüsten Angriffen gegen Viktor Kortschnoi, der nach seiner Flucht aus der Sowjetunion vorübergehend selbst bei Hilgert in Köln gewohnt und für ihn gespielt hatte, aber inzwischen zu seiner späteren Frau in die Schweiz gezogen war. Hübner geriet in Rückstand und brach nicht nur das Match ab sondern auch mit seinem Mäzen.“

Dennoch sind die Umstände der Aufgabe und der „privaten Gründe“ für die Aufgabe im Match noch nicht vollkommen ausgeleuchtet. Es besteht die Hoffnung, dass sich das noch ändert. Weitergehende Spekulationen verbieten sich bei der bisherigen nicht ausreichenden Quellenlage, zumal Hübner manches selbst geheim gehalten hatte. In einem SPIEGEL Interview sagte der Kölner zu den Gründen für seinen Rückzug:

Dafür gibt es einen Komplex von Gründen. Einige von ihnen sind privater Natur. Daher eignet sich das Thema nicht zur Darlegung in der Öffentlichkeit.

Angesprochen auf angebliche Zitate in den Medien sagte Hübner im gleichen Gespräch: „Diese Zitate sind allesamt frei erfunden. Ich habe mich lediglich gegenüber dem Schiedsrichter, Herrn Folkers, geäußert.“ Ludek Pachman verfasste für den Walter Rau Verlag ein Buch mit dem Titel „Finale in Meran: Hübner-Kortschnoi“. Auf dem Buchdeckel findet sich die Frage: „Warum gab Hübner auf“. Man darf davon ausgehen, dass Pachman beim Verfassen des Buches keine Ahnung von den Hintergründen hatte.

Am 21. März 1981, also kurz nach dem Match in Meran erschien ein Artikel von dem neuseeländisch- britischen Schachgroßmeister Murray Chandler, Jahrgang 1960, der Robert Hübner zufällig in Hamburg getroffen hatte. Chandler erwähnte, dass Hübner seine innere Kontrolle verloren habe. Chandler berichtet über die Kontroverse zwischen Hübner und Wilfried Hilgert, der lange Zeit Hübners Mäzen war. Chandler erwähnt die beiden Stellungen aus den zwei Hängepartien, die er beide für nicht verloren hielt – ein Argument, das schnell nach der Flucht von Hübner, der aus Meran mit dem Zug abgereist war, aufgekommen war. Der Kampf war also nicht verloren. Auch gegenüber Chandler erwähnte Hübner die privaten Gründe. Chandler zitiert Hübner mit den Worten: „Ich schaute mir das gesamte Theater an, es war lächerlich. Zu viele Dinge passierten, die nichts mit Schach zu tun hatten.“

Murray Chandler war später vor allem als Schachbuchautor und Schachjournalist tätig. Zu seinen Werken als Autor gehören mehrere Schachbücher für Kinder.

Chandler und Hübner waren Co-Autoren eines SPIEGEL-Buches, das im Rowohlt Verlag unter dem Titel, Schachweltmeister – Der Titelkampf 1981, erschien, von Werner Harenberg herausgegeben wurde und 18 Mark kostete. Mitarbeiter war unter anderen Gisbert Jacoby, der einige Jahre später zusammen mit anderen das Unternehmen Chessbase in Hamburg gründete. Einer der ersten Mitarbeiter war Robert Hübner.

Quelle des Zeitungsberichts: „New Zealand Listener“ war ein Wochenmagazin, das 2020 von der Bauer Media Gruppe eingestellt wurde. Die Namensmarke wird weiter von der Tageszeitung „The New Zealand Herald“ (seit 1863) benutzt.

Das bislang vielleicht wichtigste Dokument mit Äußerungen von Robert Hübner zu seinem Abbruch in Meran erschien bereits wenige Tage nach dem Wettkampf. Der SPIEGEL-Autor Werner Harenberg (9. Juni 1929 – † 14. Februar 2014) hatte offenbar ein ausreichendes Vertrauensverhältnis zu Robert Hübner aufgebaut. »Nicht wie ein Affe im Zoo«. Hübner hielt sich für spielunfähig, sonst hätte er den Kampf nicht aufgegeben war seine damalige Selbsteinschätzung und Selbstdiagnose. Hübner traf die Entscheidung für die Aufgabe alleine und informierte weder Hilgert noch seine Sekundanten Hort und Sigurjonnson noch seinen Psychologen Renato Lorenzetto vorher. Hübner erhielt sein Honorar von 41.000 Schweizer Franken trotz der frühzeitigen Abreise.

Die öffentliche Berichterstattung im SPIEGEL hatte zuvor offenbar Einfluss auf den Wettkampf. Nicht alle Texte sind ausnahmslos gelungen. Ein Text von Peter Brügge „Nachher in Armut verkommen“ war sicher kein journalistisches Glanzstück und transportierte einen Mix aus teilweise bösartigen Vorwürfen, die teilweise von Hilgert stammten. „Peter Brügge“ war ein Pseudonym für den SPIEGEL-Journalisten Ernst Hess (1928 – 2019). Hübner fühlte sich genötigt auf die Vorwürfe im Text zu reagieren und verlor darüber vermutlich einen Teil der notwendigen Konzentration auf seine eigentliche Aufgabe.


Was in Meran auf dem Schachbrett passierte – oder am Ende eben nicht

Das Finale der Kandidatenwettkämpfe begann am 20. Dezember 1980 mit einem grandiosen Sieg des deutschen Großmeisters im Königsangriff gegen die eigentlich als besonders solide geltende Caro-Kann Verteidigung seines Gegners. Kortschnoj gelang in der zweiten Partie der sofortige Ausgleich.



Nach diesem aufregenden Start in den Wettkampf remisierten die beiden Spieler ihre nächste Partie nach 34 Zügen. In der vierten Runde gelang Robert Hübner ein Sieg mit den schwarzen Steinen und der Kölner übernahm erneut die Führung im Match. In der vierten Partie, die Heiligabend gespielt wurde, gelang Kortschnoj in der Eröffnung wenig und er stand nach zwanzig Zügen bereits deutlich schlechter.


Robert Hübner hatte zuletzt seinen Turm von c8 nach c7 gezogen, um diesen nach f7 zu überführen. Der Zug von Robert Hübner erinnert an den Turmzug nach a7 von Kortschnoj in der dritter Partie aus dem Match in Solingen 1973. Schwarz steht in der Tat angenehmer, aber es fehlte noch an konkreten Drohungen. Weiß konnte hier entweder seinen Springer gegen den Zentralspringer abtauschen oder zunächst mit dem König in die Ecke ziehen. Kortschnoj dürfte sich nicht sonderlich wohl gefühlt haben und nahm stattdessen mit seinem e-Bauern auf f5 und Hübner nahm mit seinem g-Bauern und beherrschte viele Zentralfelder. Sein Gegner fand keinen Weg mehr die Partie aufzumischen und verlor letztlich ohne Chance. Plus 1 für Robert Hübner.

In der fünften Partie versuchte Hübner wenig gegen die Französische Verteidigung seines Gegners. Die sechste Partie dauerte länger, zeigt aber auch die Verzweiflung von Viktor dem Schrecklichen Kortschnoj, der mit Hübners Spiel in Meran zu diesem Zeitpunkt nicht zurecht kam. Der Passschweizer versuchte mit Turm und Springer gegen einen Turm zu gewinnen und spielte einige belanglose Züge. Der schachliche Knackpunkt war die folgende siebte Partie.


Die Siebte – Blackout

In der siebten Partie, die am 30. Dezember 1980 gespielt wurde, passierte einer der gröbsten Fehler der Schachgeschichte auf Spitzenniveau. Robert Hübner spielte hier den Königszug, der ein grober Fehler war, da die Springergabel auf e3 einen ganzen Turm gewinnt. Ein klassischer Blackout. Im SPIEGEL (04/1981) stand zu lesen: „Der Deutsche wartete den Verlust dieser Figur gar nicht erst ab und gab auf.“ In elektronischen Datenbanken findet sich die Notation inklusive der Springergabel auf e3. Der Wettkampf war ab hier ausgeglichen. Allerdings scheint die Partie Hübner, der in der achten Partie erneut verlor, aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben.


Die Achte – Führung Kortschnoj

Erstmals lag Robert Hübner in dem Kandidatenkampf in Meran zurück. Wenig gewürdigt wurde die hervorragende Leistung von Kortschnoj in dieser Partie, vermutlich weil sein Spiel zu einfach erschien. Robert Hübner hatte offenbar mit seinem Mäzen einige ernsthafte Probleme zu lösen und hatte einen Brief verfasst, der im SPIEGEL unter dem Titel Nicht Sklave, nicht Geldgeber veröffentlicht wurde. Unnötige Ablenkungen.


Die Neunte – abgebrochen, nie beendet

Einen Tag nach der Niederlage in der achten Runde folgte eine Weißpartie für Robert Hübner. In dieser Stellung wurde die Partie abgebrochen. Es ist natürlich nicht bekannt, welchen Zug Kortschnoj hier abgegeben hat, aber ein Schachgebot auf c1 mit dem Turm war eine gute Wette, um weitere Operationen vorzubereiten und erst nach ausführlicher Analyse folgen zu lassen. Der weiße Läufer erweist sich als nicht stark genug, um irgendeinen Vorteil nachzuweisen. Falls Weiß auf a7 den Bauern schlägt, ginge dieser in vielen Varianten verloren. Plausibel war in der Diagrammstellung die Folge: 46…Tc1+ 47.Kg2 Sc5 48.Td4+ Kc8 49.Lxa7 Kb7 50.Lxb6 Kxb6 mit gleichem Spiel nach 51.Td6+ Ka5 52.Tc6 Kb4 53.b6 Tb1.


Die Zehnte – abgebrochen schlechter, aber nicht verloren

Um diese Stellung vom 6. Januar 1981 gab es viele Spekulationen unter Experten. Viele Beobachter hielten diese Stellung für fast schon verloren und spekulierten darüber, dass Hübner wegen einer drohenden Niederlage, die den Kampf auf Minus Zwei gestellt hätte, abgereist sei. Robert Hübner selbst führte dazu im SPIEGEL (05/1981) aus: „Man kann meines Erachtens keineswegs von einer klaren Verluststellung in der zehnten Partie sprechen. Aber das zu begründen ist wohl in diesem Interview nicht möglich.“ Mit dieser Einschätzung liegt Hübner richtig. Die Stellung war sicher angenehmer für seinen Gegner zu spielen, aber mehr nicht. Wieder hatte Kortschnoj den Zug abgegeben und ein Läuferzug nach d1 war die erwartbare Antwort. Wir werden das aber nie erfahren, da Robert Hübner mit dem Zug abreiste und die Partie nie beendet wurde.

Die späten Jahre

Nach den dramatischen Ereignissen in Meran spielten Robert Hübner und Viktor Kortschnoj noch häufiger gegeneinander. Meist hatte der deutsche Großmeister die Nase vorn. Die letzten Begegnungen der beiden Kontrahenten fanden in einer schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft 1998 und 2008 statt. Hübner gewann die vorletzte Partie und die letzte Partie endete Remis. Vielleicht machten sich zuletzt die 17 Jahre Altersunterschied bemerkbar. Viktor Kortschnoj starb am 6. Juni 2016 in der Schweiz im Alter von 85 Jahren.

Zwei überzeugende Siege von Robert Hübner gegen Viktor den Schrecklichen in zwei späteren Superturnieren (Linares 1985 und Wijk aan Zee 1987) sollen diesen vergleichenden Teil abschließen.


Linares 1985. Zuletzt hatte Viktor Kortschnoj seinen Läufer von d7 nach c6 gezogen und damit seinen Bauern zusätzlich geschwächt. Robert Hübner nutzte das aus, indem er mit seinem Turm nach f4 zog und den Läufer ablenkte. Nach dem Schlagen auf f4 und auf h3 war der Bauer auf e6 angegriffen und gleichzeitig drohte der Einstieg mit der weißen Dame auf h7. Es folgten noch einige Züge. Am Ergebnis änderte das nichts mehr.


Die Betrachtungen zu Robert Hübner werden in einem späteren Beitrag fortgesetzt…Kandidatenviertelfinale Velden 1983….Kandidatenachtelfinale Sarajevo 1991….sein Verhältnis zum Deutschen Schachbund.


Einige Quellen

Johannes Fischer über den Schachpublizisten Robert Hübner

Johannes Fischer erinnert an das Buch Büsum 1968: Erinnerungen von Robert Hübner

Conrad Schormann erinnert an das NIC Interview 1997 von Robert Hübner mit Dirk Jan ten Geuzendam

WM-Zyklus mit Finale Meran 1980 war mehrfach Thema im Magazin: DER SPIEGEL

Jetzt oder nie. 46/1979

Knacks gegeben. 04/1980

Wieder ein Deutscher? 51/1980

Nachher in Armut verkommen. 53/1980

Nicht Sklave, nicht Geldgeber. 01/1981

Angst im Magen. 03/1981

Nicht wie ein Affe im Zoo. 05/1981

Irresein als Berufskrankheit. 40/1981 – Ein bizarres, gleichwohl bemerkenswertes Streitgespräch u.a. mit Robert Hübner und Helmut Pfleger und Adrianus Dingeman (Adriaan) de Groot (1914 – 2006). Hübner scheint sich nicht sehr amüsiert zu haben bei dem Thema und antwortete einmal auf die Frage, ob er sich mit dem Thema Tragödien von Schachspielern beschäftigt habe: „Die Summe der Zeit, die ich für die Beschäftigung mit diesem Thema aufgewandt habe, ist natürlich größer als diejenige, welche ich bisher für das Studium der Raffzähne des Kaninchens verbraucht habe.“

Wenn man sich mit dem erfolgreichsten deutschen

Von Thorsten Cmiel

Die Idee der Lasker Aufgaben ist es, einmal in der Woche, in der Regel an Sonntagen, einige wenige Schachaufgaben unterschiedlicher Art an alle Interessierten des Vereins Lasker Köln zu verschicken. Es wird Taktikaufgaben und immer wieder auch mal Fragen zum Endspiel geben. Der Schwierigkeitsgrad wird unterschiedlich sein, damit für Spieler jeder Mannschaft und Spielstärke etwas dabei ist. Die Lösungen gibt es zwei Tage später. Los geht’s.


1. Aufgabe: Weiß am Zuge setzt in zwei Zügen Matt?

Das gesuchte Motiv ist Zugzwang. Weiß muss sicherstellen, dass er den Turm auf a8 weiterhin gedeckt behält. Ein Zug mit der Dame nach g2 beispielsweise würde mit Schlagen auf e5 beantwortet. Zudem muss Weiß Züge des gegnerischen h-Bauern berücksichtigen. Würde Schwarz in der Ausgangsstellung seinen h-Bauern ziehen, würde der Anziehende diesen wegputzen und gleichzeitig Matt geben. Mit diesen Überlegungen ist die Antwort einfach. Weiß zieht seinen Läufer nach a1 zurück und Schwarz gehen die Zügen aus. Nach dem Schlagen des Läufers auf a1 nimmt die Dame zurück und setzt Matt.


2. Aufgabe: Weiß ist am Zuge und gewinnt. Wie?

Der Schlüsselzug ist hier sofortiges 1.h3-h4 und zwar um den Gegner genau daran zu hindern.


3. Aufgabe: Kann Schwarz am Zuge Remis halten?

Die Lösung besteht darin, sich nicht vor dem Bauernendspiel zu scheuen. Es beginnt mit einem Schachgebot durch den Turm auf g6 und wird weiter fortgesetzt. Will Weiß voran kommen, muss er sich darauf einlassen, denn sonst kann der weiße König nie über die e-Linie hinweg hin zu den Bauern am Damenflügel. Das Bauernendspiel ist jedoch ausgeglichen. Weiß kann seinen König auch nicht auf e1 verstecken, da nach dem Turmzug nach f3 Weiß zu dem passiven Deckungszug mit seinem Turm nach b2 gezwungen wäre. Das Beispiel habe ich gefunden in Herbert Bastian: Chapais – Das revolutionäre Schachmanuskript von Gaspard Monge, Berlin: Excelsior Verlag 2024.


4. Aufgabe: Hier spielte Nigel Short mit Schwarz 51…g5-g4, ein guter Zug?

Der Zug von Nigel Short war ein grober Fehler. Durch den Bauernzug ist die schwarze Dame ungedeckt. Nach dem Damenschach auf h8 und Schlagen des Springers auf g7 gewinnt Weiß mit der Springergabel auf e6 die Dame auf f4 zurück und steht auf Gewinn. Der Engländer gab auf.

Wer Spaß am Lösen von Schachaufgaben hat, der wird ab 2025 hier in der Schachakademie immer wieder fündig werden. Für den Anfang findet ihr unter den Links weitere Aufgaben und einige Hinweise darauf wie schwer Schachaufgaben sein sollten.


Von Thorsten Cmiel Die Idee der Lasker Aufgaben

Von Thorsten Cmiel

In der Schachbundesliga werden viele interessante Partien gespielt. Aufmerksamkeit brachte am ersten Bundesligawochenende 2025 aber vor allem der Auftritt des Exweltmeisters Magnus Carlsen, der inzwischen eine Art Lotterieschach propagiert. Dabei gibt es für Zuschauer viel bemerkenswertere Partien zu beobachten. Übrigens andernorts oft bei freiem Eintritt.

Die Protagonisten dieser Partie sind der indische Großmeister SL* Narayanan und der polnische Großmeister Mateusz Bartel. Die beiden spielten am ersten Brett in Bad Mergentheim für ihre Teams Deggendorf und USV TU Dresden. Wir schauen beiden Akteuren meist abwechselnd über die Schulter. Für den besten Trainingseffekt wird empfohlen, zunächst die Lösungen zu ignorieren und sich stattdessen wie die Spieler durch die Partie durchzukämpfen. Wer will kann sich seine Züge notieren und später mit den Lösungen abgleichen.

* SL steht für Sunilduth Lyna


Stellung 1: Schwarz ist am Zuge

Zu diesem Zeitpunkt hatten beide Spieler bereits viereinhalb Stunden in den Knochen. Weiß hat zuletzt seine Dame nach c6 gezogen und den Turm auf a8 und den Bauern auf e6 gleichzeitig ins Visier genommen. Es gibt hier zwei denkbare Konzepte für Schwarz und hier reicht uns eine Fifty-Fifty-Antwort. Er kann den Turm nach e8 ziehen und dadurch beide Probleme gleichzeitig lösen. Dieser Zug ist allerdings recht passiv gedacht. Schwarz kann alternativ seinen Turm auf die offene Linie nach b8 ziehen und mit dem Turmzug nach b1 selbst auf Gegenspiel hoffen. Was ist besser?


Stellung 2: Weiß ist am Zuge

Der Pole hatte sich nach etwas mehr als vier Minuten für den aktiven Zug nach b8 entschieden. Jetzt ist sein Gegner dran. Dieser war 2022 bei der Schacholympiade noch im ersten indischen Team im Einsatz und hatte zuletzt etwas Rating abgegeben. Er dürfte hier vier bis fünf Züge erwogen und kurz angedacht haben – mit elf Minuten Restzeit. Eine erste schwierige Entscheidung bei knapper Bedenkzeit. Kandidatenzüge waren das Schlagen auf e6 mit Springer oder Dame. Das konnte in Kombination mit dem Schlagen auf e4 mit dem Springer (Läufer) erfolgen und ein prophylaktischer Zug mit dem König nach g2 (gegen den Turmzug nach b1 gerichtet) kam ebenfalls in Betracht.


Stellung 3: Schwarz ist am Zuge

Der indische Großmeister hatte sich für den prophylaktischen Zug mit seinem König entschieden. Jetzt war der Pole wieder dran. Wie soll er weiter fortsetzen? Es gibt hier nur einen sehr guten Zug für den Schwarzspieler. „Simply the Best“ wäre das in meiner Kategorisierung von Aufgaben. Ich hatte bisher darauf verzichtet, die Frage zu stellen, ob irgendwer bisher besser steht oder stand. Diese Frage spielt praktisch in einer komplexen Turnierpartie eine untergeordnete Rolle, bis man die Stellung in technischere Gefilde abwickeln kann und so eventuell eine bessere Einschätzung abgeben kann.


Stellung 4: Weiß ist am Zuge

Bartel hatte sich zuvor für den Springerzug nach g5 entschieden. Jetzt war Narayanan wieder gefragt. Der Inder hatte hier etwa drei logische Kandidaten: Er konnte hier entweder den Läufer f3 nach d1 oder e2 ziehen oder zunächst mit dem Damenzug nach d6 eine Gegendrohung aufstellen. Nimmt man nur diese drei Möglichkeiten in Augenschein, dann hat man hier zwei gute und eine schlechtere Option. Für welchen Zug soll man sich entscheiden?


Stellung 5: Schwarz ist am Zuge.

Narayanan hatte sich für den Läuferzug nach e2 entschieden. Jetzt ist erneut Mateusz Bartel am Zuge und die Frage ist, was man ihm hier empfehlen sollte. Genau genommen gibt es hier wieder einen überragenden und einen guten Zug, alle anderen Versuche sind deutlich schlechter. Diesmal gibt es aber keine Hilfe von der Seitenlinie.


Stellung 6: Weiß ist am Zuge.

Bartel hatte zuletzt seinen Turm nach b1 gezogen. Die schwarzen Figuren kommen offensichtlich immer näher und jetzt ist es die Aufgabe des Weißspielers, einen sehr guten Zug zu finden. Eine weitere Aufgabe vom Typus „Simply the Best“. Manche Schachspieler finden solche eindeutigen Entscheidungen einfacher, aber ist es wirklich einfach den besten Zug zu finden? Hier sollte man seine Entscheidung notieren. Ebenfalls ungestützt durch eine vorgegebene Auswahl.


Stellung 7: Schwarz ist am Zuge

Der Inder hatte zuletzt (Stellung 6) seinen Springer nach d3 gezogen. Hier kann Schwarz auf d4 den Bauern des Gegners schlagen. Aber soll er das überhaupt tun? Hier gab es erneut einen überragenden Zug (Simply the Best), aber ist dieser das Nehmen des weißen Zentralbauern auf d4? Mateusz Bartel hatte bisher recht schnell gespielt und so den zeitlichen Druck auf seinen Gegner aufrecht erhalten. Für eine Antwort in dieser Stellung nahm er sich etwa neun Minuten Zeit und ihm blieben noch etwas mehr als 16 Minuten Restbedenkzeit. Sein Gegner hatte sechs Minuten weniger auf der Uhr. Mein Tipp: Notieren sie diesen Zug und vergleichen sie ihn mit der Lösung später.


Stellung 8: Weiß ist am Zuge

Wir machen es jetzt etwas einfacher und betrachten vier Kandidatenzüge. Beachten sollte man, dass der Inder noch sechs Minuten plus 30 Sekunden pro Zug übrig hatte. Ich schlage daher vier Kandidaten vor. Weiß konnte auf a8 oder c8 ein Schachgebot mit der Dame abgeben, seinen Läufer nach f2 ziehen und um die geschwächten schwarzen Felder kämpfen oder seinen h-Bauern losschicken. Es gibt hier eine klare Hierarchie der Züge, wer mag sollte sich daran versuchen. Aber bitte nicht vergessen: die Uhr tickt.


Stellung 9: Weiß ist erneut am Zuge

In dieser Stellung zog der Inder nach sieben Sekunden. Welche Züge kommen hier in Betracht? Haben sie ebenfalls einen klaren Favoriten? Auch an dieser Stelle gab es einen klaren besten Zug (Simply the Best). Die Spieler hatten in der Partie allerdings ebenfalls keine Hilfe.


Stellung 10: Schwarz ist am Zuge

Wie sollte Schwarz hier fortsetzen? Wir sind inzwischen beim vierundfünfzigsten Zug angekommen. Mateusz Bartel entschied sich nach sechs Minuten und ihm verbleiben danach knapp mehr als elf Minuten Restbedenkzeit, jeweils zuzüglich 30 Sekunden pro Zug (Inkrement).


Stellung 11: Weiß ist am Zuge

Hier gilt es mit Weiß einen sehr starken Zug zu finden. Vielleicht sollten wir uns jetzt erstmals Gedanken machen, wie eigentlich die Stellung zu beurteilen ist. In einer Partie reicht natürlich der beste Zug, aber vielleicht kann man die Stellungsprobleme besser lösen, wenn man eine Idee hat, ob man auf Gewinn oder auf Verlust steht. Diese Frage könnte natürlich eine Falle sein und vom eigentlichen Thema – den besten Zug zu finden – ablenken.


Stellung 12: Weiß ist am Zuge

Hier muss Weiß das potentielle Schachgebot auf f1 berücksichtigen. Oder droht das eventuell gar nicht? Darauf wird man sich aber nicht verständigen wollen mit wenig Bedenkzeit. Daher gibt es drei Züge zur Auswahl: den Läuferzug nach f2, den anderen Läufer nach f5 zu ziehen oder die Dame auf das gleiche Feld. Ihre Wahl.


Stellung 13: Schwarz ist am Zuge

Hier findet der Schwarzspieler eine sehr interessante Ressource auf die der israelische Großmeister Boris Avrukh in den sozialen Medien, bei X, hingewiesen hat. Vermutlich hat der Pole inzwischen begriffen, dass es in den letzten Zügen nicht sonderlich gut für ihn gelaufen ist. Wer hat eine Idee, wie Schwarz hier seine Chancen auf ein Überleben verbessert hat.


Stellung 14: Weiß ist am Zuge

Erneut ist der Weiße gefragt wie er fortsetzen sollte. Der Inder hatte zu dem Zeitpunkt noch 42 Sekunden auf der Uhr und zog nach zehn Sekunden, konnte also etwas Zeit gutmachen. Den Stress kann man nicht simulieren im Training. Daher sollte man etwas milde mit der Analyse mancher Entscheidungen umgehen.


Stellung 15: Schwarz ist am Zuge

Unser letztes Diagramm. Wie würden sie hier fortsetzen. Dieser Zug ist einfacher als die vielen anderen Züge zuvor. Tatsächlich finden die Spieler hier ein gerechtes Ende für eine Partie, die im Verlauf beide Spieler für sich hätten entscheiden können.


Die betrachtete Partiephase

Bevor wir uns die Lösungen und Bewertungen zu den Stellungen objektiviert anschauen, möchte ich darauf hinweisen, dass die betrachtete Partie meines Erachtens hochklassig war. Dass die Bewertungen von emotional kalten Engines gelegentlich eine andere Sprache sprechen, ist kein meiner Meinung nach kein Argument dagegen. Um den Eindruck nicht zu trüben, habe ich auf die Bewertungen der Maschine und eine üppige Zeichenkommentierung verzichtet. Die Faszination einer Schachpartie zeigt sich nicht an der mathematischen Genauigkeit, die in der öffentlichen Diskussion einen zu breiten Raum einnimmt. Engineanalysen sind aus individueller Sicht beim eigenen Verbesserungsprozess ein wichtiges Tool, aber die Wahrheit bei der Bewertung einer Schachpartie erzählen sie nicht. Ich rate hier zur Vorsicht vor dem zu häufigen Konsum von reinen Engineanalysen wie man sie auf Spielplattformen oder in Youtubevideos zu sehen bekommt.


Ein kleiner Hinweis: Bei der automatischen Übersetzung von Schachanalysen in deutscher Sprache entscheiden sich die Maschinen oft für das englische Wort „train“ für Zug statt „move“. Solche Übersetzungsfehler muss man wohl mit Humor hinnehmen.



Von Thorsten Cmiel In der Schachbundesliga werden viele